Shared Service CenterBereiche und Dienstleistungen für ein Shared Service Center auswählen

Nicht alle internen Dienstleistungen in einem Unternehmen eignen sich für die Konzentration in einem zentralen Shared Service Center. Deshalb müssen alle internen Bereiche und Abteilungen geprüft werden, inwiefern sie strategische, wissensintensive oder prozedurale Dienstleistungen erbringen. Daraus lässt sich ermitteln, welche Shared-Service-Potenziale erschließbar sind.

Kandidaten für Shared Service Center finden

Wer in seinem Unternehmen Shared Service Center einrichten will, muss klären, welche unternehmensinternen Dienstleistungen (Services) es gibt und welche davon in einem Shared Service Center zusammengefasst werden können. Interne Dienstleistungen sind solche Aufgaben und Prozesse in einem Unternehmen, die keinen direkten Beitrag zur Herstellung der Produkte, die an Kunden verkauft werden, leisten. Sie unterstützen vielmehr diese sogenannten Kernprozesse oder direkten und wertschöpfenden Bereiche.

Beispiele für interne Dienstleistungen sind Marktforschung, Strategieplanung, Buchhaltung und Steuern, interne Revision und Rechtsberatung, Gehaltsabrechnung oder IT-Betreuung.

Das Wertketten-Modell von Michael E. Porter zeigt den Unterschied zwischen internen Dienstleistungen und indirekten Bereichen einerseits und Kernprozessen und direkten Bereichen andererseits. Zu den Kernprozessen zählen beispielsweise Logistik, Operationen, Marketing, Vertrieb und Kundendienst. Zu den internen Dienstleistungen zählen: Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung, Beschaffung; sie sind Kandidaten für Shared Services.

Wertkette nach Michael Porter als allgemeines Unternehmensprozessmodell
Quelle: Michael E. Porter: Wettbewerbsvorteile

Drei Arten von internen Dienstleistungen

Im ersten Schritt werden interne Dienstleistungen in den indirekten Bereichen und die damit verknüpften Prozesse aufgelistet und in eine der folgenden drei Kategorien eingeteilt:

  • Strategische Dienstleistungen wie Marktforschung, Technologieentwicklung oder Strategieplanung.
  • Wissensintensive Dienstleistungen wie Steuerangelegenheiten oder Klärung von Rechtsfragen.
  • Prozessabhängige Dienstleistungen wie Gehaltsabrechnungen, Gebäudetechnik oder IT-Betreuung.

Strategische Dienstleistungen

Strategische Dienstleistungen in einem Unternehmen eignen sich meistens nicht für eine Zusammenfassung in einem Shared Service Center. Diese Aufgaben und Prozesse gehören unmittelbar zum Top-Management und zur Unternehmensleitung und werden dort als Stabsstelle oder Competence Center geführt. Ihre Funktionen und Ergebnisse werden kaum von vielen anderen, operativen Bereichen des Unternehmens in Anspruch genommen.

Wissensintensive oder expertisebasierte Dienstleistungen

Einige Dienstleistungen im Unternehmen basieren auf speziellem Expertenwissen, das in Form einer internen Beratung weitergegeben wird. Diese Dienstleistungen zeichnen sich durch einen engen Kontakt zwischen Leistungserbringer (Dienstleister) und Leistungsempfänger (Fachbereich) aus.

Der Fachbereich hat eine Frage, die der Dienstleister beantworten soll. Solche Fragen können unregelmäßig auftauchen und speziell für den einzelnen Fachbereich sein. Deshalb muss im Einzelfall entschieden werden, ob eine Zentralisierung der wissensintensiven Dienstleistung möglich ist.

Ist der Dienstleister regelmäßig für mehrere Fachbereiche oder abteilungsübergreifend als Berater aktiv, kann er als Shared Service Center organisiert sein. Ist er (fast ausschließlich) nur für einen einzigen Fachbereich als Berater aktiv, wird er diesem dezentral zugeordnet.

Prozessabhängige oder transaktionsbasierte Dienstleistungen

Die größten Potenziale für Shared Service Center gibt es im Bereich der prozessabhängigen Dienstleistungen. Diese sind meistens standardisiert oder können standardisiert werden, beruhen also auf formalisierten Transaktionen und immer gleichen Aufgaben und Leistungen, die der Leistungserbringer für den Leistungsempfänger erbringt.

Durch Standards lassen sich Skaleneffekte erzielen, also Kosteneinsparungen durch die hohe Anzahl und gleiche Art der bearbeiteten Fälle. Die Qualität der Dienstleistung muss darunter nicht leiden. Oft kann sie sogar verbessert und professionalisiert werden.

Vor allem diese regelmäßigen und standardisierten, als immer gleiche Prozesse ablaufenden Dienstleistungen für (fast) alle anderen Fachbereiche eines Unternehmens, lassen sich als Shared Service Center organisieren.

Merke

Was eine interne Dienstleistung auszeichnet

Sind wissensintensive Dienstleistungen als Shared Service Center organisiert, dann kommt es vor allem auf die qualifizierte und individuelle Beratung an. Deshalb lautet in diesem Fall das Handlungsparadigma für das Shared Service Center: „Wir helfen Ihnen, die beste Lösung zu finden!“

Bei prozessabhängigen Dienstleistungen kommt es vor allem auf Standardisierung, geringe Kosten und hohe Servicequalität an. Deshalb lautet in diesem Fall das Handlungsparadigma: „Niemand macht es so gut für weniger Geld!“

Wann wird ein Shared Service Center eingerichtet?

Shared Service Center werden oft dann eingerichtet, wenn ein Unternehmen über zu hohe Gemeinkosten klagt und diese in den indirekten Bereichen entstehen. Die Gemeinkosten sollen dadurch reduziert werden, dass man Aufgaben und Funktionen, die in mehreren Bereichen eines Unternehmens in gleicher Weise durchgeführt werden, zusammenfasst. Damit verspricht man sich Synergie-Effekte.

Kosteneinsparpotenziale sind also ein wichtiges Kriterium für die Einrichtung von Shared Service Centern. Folgende Kostenfaktoren können Auslöser dafür sein, dass ein interner Dienstleister Kandidat für ein Shared Service Center ist:

  • hohe Gesamtkosten eines indirekten Bereichs
  • hohe Gemeinkosten, die im internen Bereich entstehen
  • hohe Personalkosten in internen Bereichen
  • bei anderen Unternehmen (im Branchenvergleich) insgesamt geringere Kosten für vergleichbare Dienstleistungen
  • externes Unternehmen könnte die gleiche Dienstleistung günstiger anbieten
  • hohe Kosten durch IT oder andere Einrichtungen und Betriebsmittel aufgrund von Redundanz und Vielfalt der Systeme in internen Dienstleistungsbereichen

Beispiel: Personalverwaltung zentralisieren

Ein Unternehmen mit mehreren Niederlassungen und Produktionsstätten in Deutschland hat an jedem Ort eine eigenständige Personalabteilung, die Lohn- und Gehaltsabrechnungen erstellt, Urlaubskonten verwaltet oder Seminare anbietet. Hohe Kosten entstehen durch:

  • mehrfach vorhandene, aber unterschiedliche IT-Systeme
  • mehrfach besetzte Führungspositionen
  • aufwendige Verteilung von Informationen
  • aufwendige Schulungen bei Veränderungen oder bei der Umsetzung neuer gesetzlicher Vorgaben

Die Aufgaben aller Personalabteilungen könnten in einem Shared Service Center zusammengefasst und in einer Niederlassung zentralisiert werden. Die anderen Niederlassungen greifen von extern auf diese Dienstleistungen zurück.

Dabei muss unterschieden werden zwischen den prozessabhängigen Dienstleistungen wie Lohnabrechnungen und den wissensintensiven Dienstleistungen wie Weiterbildungsplanung, Personalentwicklung oder arbeitsrechtliche Beratung.

Die prozessabhängige Dienstleistung

Die Lohnabrechnung ist ein standardisierter Prozess, bei dem kein direkter Kontakt zwischen Dienstleister (Personalstelle) und Kunde (Mitarbeiter) notwendig ist. Nur selten kommt es zu Fragen, die dann in einem Telefongespräch (über ein Personal-Callcenter) beantwortet werden können.

Die wissensintensive Dienstleistung

Die Auswahl eines passenden Seminars für einen Mitarbeiter oder die Planung eines maßgeschneiderten Führungskräfte-Trainings sind dagegen beratungsintensiv. Hier können regelmäßig persönliche Gespräche notwendig sein, die von einer räumlich weit entfernten Niederlassung nur eingeschränkt geführt werden können. Deshalb organisiert das Shared Service Center „Sprechstunden vor Ort“.

Servicequalität verbessern, Kosten senken

Das Beispiel zeigt, dass die Kosten ein Faktor sind, um Potenziale für Shared Service Center zu identifizieren. Die Leistung der internen Dienstleistungseinheit sollte ein weiterer Faktor sein. Die Servicequalität sollte durch ein Shared Service Center nicht schlechter werden – im Gegenteil. Beachten Sie deshalb:

Servicequalität

Die internen Dienstleistungen werden von den Fachbereichen und Mitarbeitenden in Anspruch genommen und sind für diese sehr wichtig oder haben für diese einen hohen Wert. Nur wenn sichergestellt ist, dass die Dienstleistungen in Zukunft auch im Shared Service Center auf einem akzeptablen Niveau und zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden als Kunden erbracht werden, können diese zentralisiert werden.

Kosten

Das Erbringen der Dienstleistungen bedeutet Aufwand und kostet Geld. Nur wenn sichergestellt ist, dass mit einer Zusammenlegung auch wirklich Kosten gespart werden (und diese nicht sogar erhöht werden), wird ein Shared Service Center sinnvoll sein. Die Kosteneinsparpotenziale müssen also benannt sein und abgeschätzt werden.

Bei der Auswahl und Entscheidung für ein Shared Service Center sollten Sie immer das Verhältnis von Servicequalität und Kosten der Leistungserbringung in Beziehung setzen und abwägen.

Auswahl der Serviceprozesse für ein Shared Service Center

Um die Prozesse zu definieren, die sich für die Zusammenfassung in einem Shared Service Center eigenen, sollten Sie folgende Schritte durchlaufen und die genannten Fragen klären:

1. Identifikation des Kernprozesses als interne Dienstleistung für andere Bereiche.

Zum Beispiel die Kernprozesse Rechnungswesen, Personalverwaltung oder IT-Service. Dieser Kernprozess ist ein Kandidat, um als Shared Service Center organisiert zu werden.

2. Analyse der einzelnen Teilprozesse im jeweiligen Kernprozess.

Zum Beispiel die Teilprozesse Gehaltsabrechnung oder Seminarorganisation aus dem Kernprozess Personalverwaltung. Sie beurteilen den Charakter eines Teilprozesses als strategisch, wissensintensiv oder prozessabhängig. Die Teilprozesse stehen auch für die Kernkompetenzen, die der Dienstleistungsbereich besonders gut beherrscht.

3. Analyse der Teilprozesse in Bezug auf die Leistung, die erbracht wird, sowie auf Leistungserbringer und Leistungsempfänger.

  • Wie viele Leistungserbringer gibt es im Unternehmen?
  • Wie viele unterschiedliche Bereiche sind Leistungsempfänger?
  • Sind die Leistungen individuell oder vergleichbar?

4. Prüfung der Standardisierbarkeit der Teilprozesse.

  • Sind die Leistungen weitgehend identisch?
  • Sind die Teilprozesse planbar bezüglich Zeitpunkt der Inanspruchnahme, Dauer der Inanspruchnahme, Häufigkeit und Aufgabenstellung?
  • Wie genau wird die Leistung erbracht?
  • Wie sieht der Kontaktpunkt zwischen Leistungserbringer und Leistungsempfänger aus?
  • Welche Werkzeuge (IT-Systeme) werden eingesetzt?

5. Analyse der Kosten, die durch die Teilprozesse entstehen.

  • Welche Kosten entstehen bei dezentraler Organisation?
  • Welche Kosten entstehen bei zentraler Organisation als Shared Service Center?
  • Welche Kosten können eingespart werden?
  • Welche Kosten sollen eingespart werden?
  • Inwiefern ergeben sich durch Zentralisierung Standardisierungen der Prozesse und damit Lernkurven- oder Skaleneffekte?
  • Lassen sich durch Zentralisierung Kosten durch Mengenvorteile im Einkauf reduzieren?

6. Sicherstellung der Servicequalität.

  • Welche Servicequalität wird vom Leistungsempfänger erwartet?
  • Was ist relevant für die Zufriedenheit des Leistungsempfängers?
  • Welche Servicelevel sind notwendig, zum Beispiel in Bezug auf Erreichbarkeit, Bearbeitung einer Anfrage, Schnelligkeit der Bearbeitung, Qualität der Antwort?

7. Prüfen, welche Veränderungen in der Organisation mit der Einrichtung eines Shared Service Centers verbunden sein können.

  • Welche Auswirkungen hat die Einrichtung eines Shared Service Centers auf die Mitarbeitenden in diesen Dienstleistungsbereichen?
  • Welche Chancen und Risiken bestehen bei der Veränderung insgesamt?
  • Sind rechtliche Aspekte zu beachten?

Risiken bei der Auswahl

Die Auswahl von Kernprozessen, Aufgaben oder Funktionen, die in einem Shared Service Center zusammengefasst werden, sollte gründlich erfolgen, denn es bestehen zahlreiche Risiken wie zum Beispiel:

  • Kernkompetenzen falsch bestimmt oder nicht vorhanden
  • falsche Prozesse zusammengefasst
  • Kosten und Einsparpotenziale falsch eingeschätzt
  • zu hohe Erwartungen bei den Leistungsempfängern geschürt
  • technische Hilfsmittel und Methoden nicht angepasst
  • dezentrale IT-Systeme nicht kompatibel
  • Bereitschaft der Mitarbeitenden, in ein räumlich entferntes Shared Service Center zu wechseln, überschätzt
  • Risiko, dass wichtige Leistungsträger der dezentralen, indirekten Bereiche das Unternehmen verlassen, unterschätzt
Praxis

Überprüfen Sie für Ihr Unternehmen:

  • Welche indirekten Bereiche oder Abteilungen gibt es, die für andere Bereiche des Unternehmens als Dienstleister tätig sind?
  • Welche Dienstleistungen sind strategisch, welche wissensintensiv, welche prozessabhängig?
  • Wie schätzen Sie die Effekte und das Potenzial ein, wenn diese Dienstleistungen als Shared Service Center organisiert werden?

Nutzen Sie für Ihre Analyse die folgende Vorlage.

Überprüfen Sie, warum die Einrichtung eines Shared Service Centers für ausgewählte interne Dienstleistungen wichtig sein könnte.

  • Welche Gründe oder Anlässe gibt es, die eine Zentralisierung nahelegen?
  • Worin bestehen bei der derzeitigen dezentralen Organisationsform der internen Dienstleistungen die Schwachstellen?

Nutzen Sie für Ihre Analyse die Fragen und Kriterien aus der folgenden Vorlage.

Bewerten Sie schließlich die Teilprozesse für eine interne Dienstleistung auf ihre Eignung als zentrale Organisationseinheit und Shared Service Center. Gehen Sie dazu schrittweise vor, wie in der folgenden Vorlage erläutert.

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