Age ManagementÄltere Mitarbeiter sind nicht schlechter, aber anders

Einige Unternehmen schrecken trotz Fachkräftemangel davor zurück, ältere Bewerber einzustellen und geben ihnen keine Chance, sich zu beweisen. Ursachen dafür sind meist unbegründete Vorurteile. Denn auch Mitarbeiter ab 50 können Höchstleister sein. Man muss sie nur richtig fördern und einsetzen.

Obwohl in den letzten Jahren die Erwerbstätigkeit Älterer deutlich zugenommen hat, bleibt der Anteil der Neueinstellungen Älterer weiterhin konstant. Laut Altersübergangs-Report 2009 der Hans Böckler Stiftung liegt dieser seit Jahren bei etwa 10 Prozent aller Neueinstellungen.

Die Arbeitsmärkte bleiben dynamisch und die Erwerbstätigen werden im Durchschnitt immer älter, denn die Vertreter der geburtenstarken Jahrgänge (1955-1965) sind heute 44 bis 54 Jahre alt. Dazu kommt, dass die Lebenserwartung steigt. Deshalb ist es wichtig, dass auch Ältere einen Job finden.

Im Gegensatz dazu bleibt der Nachwuchs aus. So fehlen schon jetzt in vielen Branchen qualifizierte Fachkräfte. Daher wird die ältere Generation künftig zu einer immer begehrteren Zielgruppe für Unternehmen. Doch was sind die Gründe für die Zurückhaltung bei Neueinstellungen?

Es herrschen viele Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern. Sie kosten viel, sind weder fähig noch bereit dazu, Neues zu lernen und das Konfliktpotenzial erhöht sich, wenn alt und jung zusammen arbeiten sollen. Doch bei all diesen Argumenten, die gegen eine Neueinstellung Älterer sprechen, wird das Positive außer Acht gelassen.

Kognitive Fähigkeiten und Intelligenz im Alter

Unternehmen, die sich mit Age Management auseinandersetzen und versuchen, Mitarbeiter ab der zweiten Lebenshälfte richtig einzusetzen und zu fördern, können viel gewinnen. Denn die kultur- und erfahrungsbasierten Fähigkeiten nehmen im Alter zu. Mit diesen Fähigkeiten können Menschen ab 50 bestimmte Aufgaben im Betrieb um einiges besser erfüllen als die jungen Kollegen.

Der Mensch unterliegt zwar einem biologischen Alterungsprozess, doch der verläuft viel individueller und komplexer, als gemeinhin angenommen wird. Altern ist keineswegs nur mit biologischen Abbauprozessen und mit dem Verlust von Fähigkeiten auf der geistigen, körperlichen und sozialen Ebene verbunden. Vielmehr entwickeln wir uns im Laufe des Lebens in verschiedenen Bereichen in unterschiedliche Richtungen.

Das heißt nicht, dass es beim Älterwerden nicht zu Einbußen kommt. So erreicht die körperliche Leistungsfähigkeit zwischen Pubertät und frühem Erwachsenenalter ihr Maximum – darunter fallen Eigenschaften wie Schnelligkeit, Beweglichkeit, Ausdauer, Kraft und Koordination sowie die Fähigkeit zur Situationsorientierung (fluide Intelligenz). In diesen Disziplinen fällt die Leistungskurve im Durchschnitt bis 40 langsam, jenseits der 40 steiler ab. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. So lassen gut trainierte Fünfzig- oder auch Sechzigjährige beim Marathonlauf jeden untrainierten Zwanzigjährigen garantiert alt aussehen.

Das Gegenstück zu fluider Intelligenz ist die kristalline Intelligenz. Sie gilt als kultur- und erfahrungsabhängig, beinhaltet personenspezifisches Wissen und ist abhängig von Ausbildung und beruflichen Fähigkeiten. Diese Intelligenz bleibt weitgehend unberührt vom kontinuierlichen Rückgang der fluiden Fähigkeiten und zeigt in der Regel einen kontinuierlichen Fortbestand bis ins hohe Alter.

Trotz des Rückgangs der fluiden Intelligenz schaffen es Ältere meist, durch bestimmte Strategien oder Hilfsmittel, kognitive Einbußen der fluiden Intelligenz auszugleichen. Dadurch beeinträchtigt dieser Rückgang sie kaum. So lässt sich im Arbeitsalltag ein verlangsamtes Reaktionstempo durch Voraussicht wettmachen und eine verringerte Gedächtnisleistung durch externes Speichern (Festplatte oder Zettel!) kompensieren.

Auch die nachlassenden Seh- und Hörleistungen sind individuell korrigierbar (Seh- und Hörhilfen) oder durch Standards zum Beispiel für Beleuchtungsstärken, für Kontraste oder Schriftgrößen, die nicht auf Jüngere zugeschnitten sind, sondern allen Altersgruppen gerecht werden, auszugleichen.

Die Sparda Bank setzt auf ältere Mitarbeiter

Thomas Renner, der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank in Stuttgart, trennt nicht zwischen jung und alt.

"Es gibt Bewerber, die gut zu uns passen oder eben nicht.“

Er belegt das mit Zahlen. Rund ein Drittel der Neueinstellungen, die das Kreditinstitut in den vergangenen drei Jahren getätigt hat, seien Menschen, die älter als 50 Jahre sind.

Bernd Säger ist einer, der bei der Sparda mit 50plus nochmals durchstartet. Der gebürtige Rheinländer arbeitete als Marktleiter bei einer Privatbank. Als er vor knapp zehn Jahren wechseln wollte, spürte er den Alters-Malus. Nach 300 erfolglosen Bewerbungen versuchte er es bei der Sparda-Bank. Bereits im Bewerbungsgespräch zeigte sich:

"Die Bank ließ mich spüren, dass mein Alter keine Rolle spielt."

Säger vermittelt mittlerweile seit sieben Jahren in der Ludwigsburger Sparda-Filiale Wohn- und Hausfinanzierungen.

[Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/...]

Ältere sind emotional stabiler

Nicht nur die kognitive Leistungsfähigkeit zeigt altersbedingte Veränderungen, sondern auch der Verlauf von Persönlichkeitsdimensionen. So sind ältere Menschen normalerweise emotional stabiler und erscheinen zufriedener, beherrschter und stressfreier. Und auch die Verträglichkeit und die Gewissenhaftigkeit nehmen mit voranschreitendem Alter zu. In Bezug auf die Arbeitsweise werden diese Mitarbeiter zu besseren Teammitgliedern, verhalten sich unterstützender, sind hilfsbereiter und besser organisiert.

Dagegen nimmt die Offenheit gegenüber Neuem mit steigendem Alter ab, was dazu führt, dass die Älteren konservativer werden und mehr bewahren als verändern möchten. Aber auch solche Persönlichkeitsmerkmale werden in Unternehmen gebraucht.

Ausgeglichene Mitarbeiterstruktur

Unternehmen haben die unterschiedlichsten Stellen zu besetzen. Neben unterschiedlichen Qualifikationen sind vor allem auch unterschiedliche kognitive Begabungen gefordert. So können beispielsweise ältere Mitarbeiter Positionen, die fluide Intelligenz erfordern, weniger gerecht werden. Lehraufgaben und vorwiegend beratende, beaufsichtigende oder betreuende Aufgaben sind hingegen besser geeignet, da man für sie ein hohes Maß an kristalliner Intelligenz benötigt.

Wenn Mitarbeiter nicht auf eine Position passen, weil die Fähigkeiten den Anforderungen nicht entsprechen, führt dies auf lange Sicht unweigerlich zu abnehmender Motivation, Vernachlässigung der Aufgabenerfüllung und zu Frustration sowohl auf Seiten der Mitarbeiter als auch der Kollegen und Vorgesetzten.

Die RWTH Aachen hat Betriebe befragt, welche Stärken und Schwächen sie bei älteren und jüngeren Erwerbstätigen bemerken. Hier das Ergebnis:

Wahrgenommene Stärken und Schwächen älterer Mitarbeiter

+ wenig genannt, ++ häufig genannt, +++ sehr oft genannt; Quelle: INIFES/SÖSTRA-Befragung von Unternehmen in den Arbeitsamtbezirken Berlin Mitte, Schweinfurt und Suhl, 2000/2001, Basis 88 Betriebe

Unternehmen sollten versuchen, die Positionen so zu besetzen, dass die Stärken unterschiedlicher Altersgruppen komplementär genutzt werden. Gibt es fast ausschließlich jüngere Mitarbeiter, fehlen die Stärken der Älteren, wie viel Erfahrung, Zuverlässigkeit und Führungsfähigkeit. Fehlen junge Menschen im Unternehmen, fehlen häufig Kreativität und Flexibilität sowie die Bereitschaft zu Veränderungen.

Auch bei Teamarbeit ist eine gute Mischung des Alters sinnvoll. Ehrhard Flato, ausgewiesener Personalexperte und Trainer, kennt die Vorteile gemischter Teams:

"Altersgemischte Teams sind eine ideale Arbeitsform, um die Leistungs- und Fähigkeitsprofile von jüngeren und älteren Mitarbeitern zu vereinen und die daraus resultierenden Effekte für das Unternehmen nutzbar zu machen. Altersgemischte Teams – auch Tandem-Teams genannt – leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Wissens- und Erfahrungstransfer innerhalb einer Organisation. Jüngere Mitarbeiter sammeln schneller Praxiserfahrungen, und ältere Mitarbeiter profitieren von deren oftmals aktuellerem theoretischem Wissensstand. Tandem-Teams sind somit die ideale Arbeitsform, um die Vision der lernenden Organisation Wirklichkeit werden zu lassen."

HR-Maßnahmen an das Alter anpassen

Aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen und kognitiver Leistungen, ist es wichtig, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen die richtige Behandlung und Förderung bekommt. Darunter fallen Bereiche wie Personalentwicklung, Leistungsbeurteilungen, Vergütungs- und Arbeitszeitmodelle.

Auch Motivationsanreize unterscheiden sich je nach Alter. Jüngere können mit stark leistungsabhängigen Vergütungsmodellen, Beförderung oder engen Kontrollsystemen motiviert werden, während Ältere dies eher abschreckt. Diese lassen sich durch ein hohes Maß an Entscheidungsspielraum, flexible Arbeitszeiten und Einbindung in Unternehmensentscheidungen besser motivieren.

Jedoch sollten Arbeitgeber aufpassen, wenn sie ältere Mitarbeiter anders behandeln als die jüngeren Kollegen. Oft wird zum Beispiel eine spezielle Weiterbildung für Ältere als Diskriminierung wahrgenommen. Auch wenn dies sehr sinnvoll ist, wollen viele keine "Extra-Behandlung". Mit Aufklärungsgesprächen kann dieser Einstellung entgegen gewirkt werden. Denn unterschiedliche persönliche wie kognitive Fähigkeiten verlangen auch unterschiedliche Lernformen.

Damit ältere Mitarbeiter nicht nur geistig, sondern auch gesundheitlich fit bleiben, sollte die Arbeitsplatzgestaltung ergonomisch ausgerichtet sein. Präventive Maßnahmen könnten sein:

  • stärkere Beleuchtung,
  • Lärmminderung und
  • Abwechslung zwischen Sitz- und Steharbeitsplatz.

Achtung: Es sollten keine speziellen „Altenarbeitsplätze“ geschaffen werden, denn das erhöht das Ungerechtigkeitsempfinden und altersbedingte soziale Abgrenzung. Außerdem profitieren auch junge Mitarbeiter von ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen.

Für das Erlernen neuer Informationen ist vorrangig der Hippocampus im Gehirn zuständig. Im Alter unterliegt er natürlichen Abbauprozessen. Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, dass nicht jeder ältere Mensch dadurch Nachteile hat. Wenn während des Lernvorgangs zusätzlich zum linken präfrontalen Kortex auch die analoge rechtsseitige Region genutzt wird, nehmen Ältere Informationen besser auf und können somit effizienter lernen. Dieser Prozess kann aber leider nicht bewusst gesteuert werden und ist somit nicht lernbar. Die Schlussfolgerung daraus: Einige ältere Menschen brauchen länger Zeit, um die gleiche Informationsmenge zu verarbeiten. Anderen gelingt dies schneller.

Für Weiterbildungsangebote bedeutet es, dass sie individueller gestaltet sein müssen und sich an der Lernfähigkeit der Gruppe orientieren sollten. Durch das Arbeiten in Kleingruppen oder mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden kann in Seminaren auf das Lerntempo eingegangen werden.

Arbeiten mit Open-Space-Formaten ist ein Ansatz, der in einigen schweizer Schulen praktiziert wird. Er ist auch für die Weiterbildung Älterer sinnvoll.

Stichwort

Open-Space-Format

Bei Open-Space-Formaten entscheiden die Teilnehmer selbst, in welchen Gruppen sie über welchen Zeitraum Informationen aufnehmen wollen. Andreas Müller, Leiter des Schweizer Instituts Beatenberg, prägte dazu den Begriff Autagogik – die Selbststeuerung beim Lernen mit individuellen Zielen und Verbindlichkeiten.

Herausforderung im Trainingsbereich wird es sein, diesen Ansatz zu übertragen, damit ältere und lebenserfahrene Menschen selbstbestimmt lernen können.

Diese individuelle Lernform hat noch einen weiteren Vorteil: Die Teilnehmer fühlen sich nicht mehr so gestresst. Wie Forscher herausgefunden haben, ist Stress ein regelrechter Lernkiller. Denn: Wenn Menschen Stress empfinden, schütten sie das Stresshormon Cortisol aus, das nachweislich zu Vergesslichkeit und reduzierter Lernleistung führt.

Stress mindernd wirkt sich auch Humor aus. So können Trainingsinhalte, Erwartungen der Teilnehmer aber auch Ängste bezüglich der Seminarabläufe gut mit konstruktivem Humor begegnet werden. Das heißt nicht, dass der Seminarleiter als Clown verkleidet ist und ständig Witze reißt. Vielmehr soll mit Spaß gelernt werden, denn das verstärkt die Lerneffekte.

Einfluss der Beschäftigung Älterer auf die Personalkosten

Oft wird von Personalverantwortlichen behauptet, dass Ältere zu teuer seien. Und tatsächlich sind in einigen Tarifverträgen Regelungen vereinbart, die ein mit dem Lebensalter steigendes Einkommen zur Folge haben. Der Trend geht jedoch weg von der Senioritätsentlohnung hin zu einer stärker anforderungs- und leistungsorientierten Entlohnung.

Neben dem Gehalt führen Personaler auch längeren Urlaub und durchschnittlich längere Krankheitszeiten als Faktoren an, die Ältere teurer machen würden. Die Ausfälle bei Jüngeren wegen Krankheit und Kinderbetreuung sind jedoch mindestens genauso hoch.

Ältere würden auch oft sehr hohe Gehaltsvorstellungen haben, was sie mit der längeren Berufserfahrung begründen. Ältere Bewerber äußern zwar zuerst höhere Gehaltsvorstellungen, sie sind dann aber angesichts der gerade für die Älteren schwierigen Arbeitsmarktsituation häufig zu Abstrichen bereit.

Und Unternehmen sollten den Kosten auch den Nutzen gegenüber stellen. Dann wird schnell deutlich, dass sich die Anstellung rentiert.

Weiterhin existieren staatliche Förderprogramme, die dazu beitragen, die Beschäftigung Älterer noch attraktiver zu machen. Das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beispielsweise bietet das Programm „Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ an. Es soll die Beschäftigungsfähigkeiten und -chancen älterer Langzeitarbeitsloser verbessern. Informationen dazu unter http://www.perspektive50plus.de/.

Unternehmen können auch mit alternden Belegschaften wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie die Leistungsfähigkeit älterer und jüngerer Mitarbeiter sinnvoll kombinieren und pflegen. Die Mitarbeiter selbst sollten in allen Altersstufen ihren Beitrag zum Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit (Employability) leisten, indem sie beispielsweise Weiterbildungsmöglichkeiten wahrnehmen und Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements nutzen.

Weiterführende Links

Mit folgenden Online-Tests können Sie ermitteln, wie gut Ihr Unternehmen für den demografischen Wandel gerüstet ist:

Folgende Checkliste des Instituts für Sozialforschung kann Betriebspraktikern dabei helfen, sich einen ersten Überblick über die unterschiedlichen Handlungsfelder altersgerechter Arbeits- und Personalpolitik zu verschaffen und möglichen Gestaltungsbedarf zu erkennen:

Im Projekt LagO des Instituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft Saarbrücken werden, gemeinsam mit Unternehmen, Konzepte und Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und der Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entwickelt und erprobt.

Quellen

[po; Bild: ©Hanik - Fotolia.com]

Dazu im Management-Handbuch

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