AGGSchutz für Geschäftsführer einer GmbH
62-jähriger GmbH-Geschäftsführer wird durch jüngeren Kollegen ersetzt
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte mit den Kliniken der Stadt Köln, einer stadteigenen GmbH, einen Geschäftsführer-Dienstvertrag befristet für die Dauer von fünf Jahren geschlossen. Dort war geregelt, dass die Vertragsparteien spätestens zwölf Monate vor Ende des Vertrages mitzuteilen hatten, ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit sind.
Auf einen Beschluss des Aufsichtsrats der GmbH hin, wurde das Anstellungsverhältnis mit dem zum Beendigungszeitpunkt 62 Jahre alten Kläger nicht fortgesetzt. Die Klinik besetzte die Stelle indes mit einem 41-jährigen Kollegen des Klägers. Der Kläger hielt dieses Vorgehen der Beklagten für rechtswidrig. Er berief sich darauf, dass ihm der Neuabschluss des Dienstvertrages sowie die weitere Bestellung als Geschäftsführer nur aus Altersgründen versagt worden sei. Dies stelle einen Verstoß gegen das aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) folgende Altersdiskriminierungsverbot dar. Der Kläger machte Schadensersatzansprüche in Höhe von 110.000 Euro geltend.
BGH: Anwendungsbereich des AGG auch für einen GmbH-Geschäftsführer eröffnet
Während das Landgericht die Klage abwies, sprach das Oberlandesgericht (OLG) Köln dem Kläger Schadensersatzansprüche in Höhe von 36.600 Euro zu. Der BGH hob das Urteil auf und verwies es an OLG zurück.
Denn: Inhaltlich schloss sich der BGH jedoch der Entscheidung des OLG an und billigte dem Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen der nichterfolgten Verlängerung des Vertrages zu. Grundlage hierfür, so der BGH, sind die im AGG verankerten Schadensersatzansprüche wegen des Verstoßes gegen ein Benachteiligungsverbot (hier wegen des Alters).
Nach Auffassung des BGH ist das AGG zumindest dann auf GmbH-Geschäftsführer anwendbar, soweit es um den Zugang zu dem Geschäftsführeramt und um einen etwaigen beruflichen Aufstieg des Geschäftsführers gehe.
Im vorliegenden Fall musste die Gesellschaft nach den im AGG vorgesehenen Regeln beweisen, dass sie nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen hat. Der Antritt dieses Beweises gelang dem Unternehmen jedoch nicht, da zuvor der Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Presse erklärt hatte, man habe den Vertrag mit dem Kläger nicht verlängert, um einen (jüngeren) Nachfolger „langfristig in den Wind des Gesundheitsmarktes“ stellen zu können.
Anwendungsbereich des AGG – Wer ist erfasst?
Ziel des AGG ist es, Benachteiligungen unter anderem aus Gründen des Alters zu verhindern oder zu beseitigen. Um diesen Zielen Nachdruck zu verleihen, enthält das (in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben) im Jahr 2006 eingeführte AGG in §15 Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz.
Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist jedoch die Eröffnung des Anwendungsbereichs des AGG. Denn der Wortlaut des §6 Abs. 1 AGG erfasst nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten und Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.
Merke: Der Geschäftsführer einer GmbH ist grundsätzlich kein Arbeitnehmer im Sinne des deutschen Arbeitsrechts. Da aber im AGG der europarechtliche Arbeitnehmerbegriff Anwendung finden muss, war bislang streitig, ob Geschäftsführer vom Anwendungsbereich des AGG umfasst sind.
Der BGH stützte die Anwendung des AGG auf Geschäftsführer in der vorliegenden Entscheidung auf §6 Abs. 3 AGG und wendet deshalb auch die Regelungen zu den zuvor erwähnten Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche an, und zwar soweit sie die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betreffen.
Wichtig: Folgerichtig ging der BGH deshalb davon aus, dass dem Kläger durch den Beschluss zur Nichtfortsetzung des Vertragsverhältnisses der Zugang zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit in diskriminierender Weise verwehrt wurde.
Äußerung des Aufsichtsrates als Indiz für Benachteiligung ausreichend
Bemerkenswert ist zudem, dass es der BGH für die im AGG geregelte Beweiserleichterung bei Diskriminierungsfällen genügen ließ, dass der Kläger die bereits zuvor erwähnte Aussage des Aufsichtsrates vortrug. Nach §22 AGG muss im Streitfall die eine Partei Indizien beweisen, die eine Benachteiligung im Sinne des AGG vermuten lassen. Die andere Partei trägt dann die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.
Allein in der Äußerung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ein Indiz für eine Diskriminierung zu erblicken, war teilweise in der rechtswissenschaftlichen Literatur mit dem Argument abgelehnt worden, eine solche Einzeläußerung stelle gerade kein ausreichendes Indiz für die unzulässige Motivation des Gesamtgremiums dar und könne deshalb für die Umkehr der Beweislast nicht genügen.
Praxisrelevanz des Urteils
Die BGH-Entscheidung hat das AGG, dem Wortlaut des §6 Abs. 3 AGG gemäß, entsprechend angewandt. Dies ist insofern keine Überraschung! Sehr wohl jedoch die Klarheit der Anwendung des AGG auf GmbH-Geschäftsführer – trotz kritischer Stimmen und europarechtlicher Bedenken aus der rechtswissenschaftlichen Literatur. Die Entscheidung verdeutlicht, wie so oft in jüngster Vergangenheit, die wachsende Relevanz „AGG-sensibler“-Themen in der gerichtlichen Praxis.
Dies bedeutet: Unternehmen müssen sich auch gegenüber Geschäftsführern zunehmend ihrer Pflicht zum Schutz vor Benachteiligungen bewusst sein. Besondere Relevanz kommt zudem dem Umstand zu, dass der BGH bereits die Äußerung eines Aufsichtsrats für die Beweislastumkehr genügen ließ.