Altersgerechte KundenanspracheWie Unternehmen vom demografischen Wandel profitieren
Die „Alten“ sind „ver-rückt“ geworden. Sie gehen zu Rockkonzerten und zur Kosmetikerin, feilschen um Prozente bei der Geldanlage und fliegen nach Venedig zum Kaffee trinken. Ihre erste Firma gründen Sie nach der Pensionierung. Mit 54 machen sie den ersten Marathonlauf. Ihren ersten PC kaufen sie mit 65 bei Aldi und bei eBay ersteigern sie ihren iPod.
Verstaubte Marketingkonzepte beeindrucken diese Menschen nicht mehr. Wer nur ihr Geld will, verliert. Sie sind Kaufexperten und tolerieren keine Missachtung ihrer Wünsche. Austauschbare Alten-Produkte lehnen sie ab. Seniorenteller mögen sie nicht. Der Besuch bei der Bank ist langweilig und mit Kaffee-Nachmittagen lassen sie sich nicht ködern. Sie verlangen Respekt und wollen ernst genommen werden. Wer ehrlich und zuverlässig ist, dem vertrauen sie. Wer ihre Bedürfnisse berücksichtigt und ihre Probleme löst, wird ihre unangefochtene Nummer eins.
Die Alten sind heimtückisch
Die Bedeutung älterer Menschen für Unternehmen ist überragend: 50plus verfügt über 175 Milliarden Euro jährliche Kaufkraft, 50 Prozent des verfügbaren Einkommens und 75 Prozent der Vermögenswerte. Bei vielen Unternehmen ist die Hälfte der Kunden über 50. Ihnen gehören 80 Prozent der Bankeinlagen. Sie kaufen 80 Prozent der teuren Autos und 50 Prozent aller Kosmetika.
Vor diesem Hintergrund sind viele Beispiele unsensiblen Verkaufsverhaltens unverständlich:
Eine 72-jährige Dame kommt zur Bank. Seit wenigen Wochen ist sie Witwe. Sie legt ein Sparbuch mit 250.000 Euro Guthaben vor. Es ist auf ihren und den Namen des verstorbenen Mannes ausgestellt. Sie will es umgeschrieben haben. Der Bank-Mitarbeiter nimmt einen dicken schwarzen Filzstift. Er streicht den Namen des Mannes durch. Die ältere Dame ist tief in ihren Gefühlen verletzt. Sie kündigt die über 40-jährige Geschäftsverbindung.
Ein 62-Jähriger geht um 11.50 Uhr zum Optiker. Er will eine neue Brille kaufen. Vorher sollen die Augen überprüft werden. Der Geschäftsinhaber blickt auf die Uhr. Um 12.00 Uhr ist Mittagspause. Die Zeit reicht nicht für Augentest und Verkaufsgespräch. Er bittet den Kunden, um 14.30 Uhr wieder zu kommen. Der Mann ist verärgert. Er geht in ein anderes Geschäft und kauft für 1.200 Euro eine neue Brille.
In einem Gourmet-Restaurant wird einem 69-Jährigen Rotwein ins benutzte Weißweinglas nachgefüllt. Im 4-Sterne-Hotel muss der 72-jährige Gast seine Koffer selbst ins Zimmer tragen. Am Flughafen wird dem 59-Jährigen der Kaffee für 4,00 Euro im Pappbecher abgefüllt. Die schriftliche Beschwerde des 57-Jährigen über das Seminarhotel wird erst nach 3 Monaten beantwortet. Das alles sind für ältere Menschen K.O.-Kriterien. So lassen sie sich nicht behandeln. Sie sind gnadenlos und brutal, selten laut, eher heimtückisch. Werden ihre Bedürfnisse nicht befriedigt, kommen sie einfach nicht mehr.
Wertschöpfung durch Wertschätzung
Unternehmen, die bei älteren Menschen punkten wollen, brauchen eine altersgerechte Geschäftspolitik. Sie müssen Kaufgründe liefern und Antworten: „Warum sollten ältere Kunden ausgerechnet bei uns kaufen und nicht bei unserer Konkurrenz?“ Das können „Kleinigkeiten“ sein, zum Beispiel:
- Toiletten im Erdgeschoss des Restaurants,
- die Taschenablage beim Bäcker,
- die Verkürzung von Wartezeiten beim Arzt,
- Sitzgelegenheiten im Kaufhaus,
- leicht rollende Einkaufswagen im Supermarkt,
- eine verständliche Sprache beim Kauf eines Handys,
- Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Handwerkers,
- lesbare Formulare beim Versicherungsabschluss,
- die Bereitstellung von Brillen im Café,
- das gebührenfreie Ausfüllen von Belegen bei der Bank.
Firmen sollten ihre Geschäftsräume von älteren Menschen kritisch begutachten lassen. Sie sollten Stolperstellen, Drehtüren, störende Lichtreflexe und Geräuscheffekte oder klein geschriebene Orientierungshilfen beseitigen. Geschäftsräume sollten Begegnungsstätten sein.
Viele Firmen schieben ihre älteren Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand ab, während die Konkurrenz Ältere aktiv umwirbt und einstellt. Ältere Kunden entscheiden mehr auf der Beziehungs-, als auf der Sachebene. Deshalb sollten ältere Mitarbeiter deren Beratung und Betreuung übernehmen. Ein Verkaufsgespräch, das den älteren Menschen ernst nimmt, ihn respekt- und würdevoll behandelt, fällt unter Gleichaltrigen leichter. Im Marketing oder im Verkauf an Jugendliche wird selten ein 63-Jähriger eingesetzt.
Viele Unternehmer glauben aber, dass ein 28-jähriger Mitarbeiter fähig ist, sich in die Lage eines 69-jährigen Kunden zu versetzen. Ein folgenschwerer Irrtum, denn die heutigen Alten, die informiert, mündig, streit- und wechselbereit sind, wollen alters- und menschengerecht behandelt werden. Ein permanentes Sensibilisierungsprogramm für das Verhalten jüngerer Menschen gegenüber Älteren ist hilfreich, kann aber die Vorteile der Gleichaltrigkeit nicht ersetzen.
Mehr-Wert für Menschen
Zukunftsforscher Professor Dr. Horst Opaschowski:
„Wer am 175-Milliarden-Euro-Markt teilhaben will, muss sich den Bedürfnissen der älteren Menschen anpassen und eine doppelte Dienstleistung erbringen: 1. den erworbenen Lebensstandard sichern (zum Beispiel durch Alltagsprodukte, Versicherungen, Aktien, Immobilien usw.) und zugleich 2. die ganz persönliche Lebensqualität (zum Beispiel durch Kulturangebote, Gesundheitsdienste, Reiseservice usw.) verbessern helfen.“
Um dem gerecht zu werden, sind neue Leistungen erforderlich. Wer ältere Menschen in ihren Lebensinteressen problemlösend unterstützt, hat die Nase vorn. Firmen, die ihre Kunden nur nach Alter und Einkommen segmentieren, übersehen deren wirkliche Probleme und Bedürfnisse.
Es ist ein Unterschied, ob es sich um reiselustige Ehepaare Mitte 50, 68-jährige alleinstehende Witwen oder einen 83-Jährigen handelt, der ins Seniorenstift umzieht. Für das Ehepaar kann der Wechsel des Mannes in den Vorruhestand die größte Herausforderung sein. Die alleinstehende Witwe strebt vielleicht Ordnung in ihren Finanzen an. Der größte Wunsch des 83-Jährigen ist eventuell die Regelung der Hinterlassenschaft und der Verkauf seiner Villa.
Wer sich auf konkrete Probleme konzentriert, findet Lösungen, die für Menschen richtig sind. Seniorenbegleitung für Reisen, Kultur und Alltag ist ein Ansatz, ebenso wie das Leben weiterhin selbst gestalten oder solange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben, Beratung zu Wohnen, Ernährung oder Gesundheit, Fahrten mit dem Auto, gemeinsame Aktivitäten oder Vermittlung von Helfern.
Die 50plus-Supermärkte von ADEG in Österreich sind auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt. Das Konzept:
- Alle Mitarbeiter sind älter als 50.
- Sie haben Erfahrung und Verständnis für die Wünsche der Kunden.
- Rutschfeste Böden sorgen für Sicherheit.
- Ein spezielles Lichtkonzept erzeugt eine helle und freundliche Atmosphäre.
- Die eigens entwickelte Regalordnung ist übersichtlich und erspart langes Suchen.
- Die besten Sonderangebote sind gut gekennzeichnet und an fixen Plätzen positioniert.
- Alle Waren sind in leicht erreichbarer Höhe angeordnet.
- Die Preise sind auf größeren Etiketten auch aus größerer Entfernung gut zu erkennen.
- Die Lupe an den Regalen ist für das "Kleingedruckte".
- Laufende Verkostungen ermöglichen das Testen der Produktqualität.
- Ein Blutdruckmessgerät steht gratis zur Verfügung.
- Die leicht rollenden Einkaufswägen sind mit Bremsen ausgestattet, verfügen über Sitzgelegenheiten und eine Ablage für den Einkaufszettel.
- Zum Ausruhen stehen Sitzbänke bereit.
- Die breiten Parkplätze in der hell beleuchteten Garage erleichtern das Ein- und Ausladen.
Eine Chance für Finanzdienstleister, die sich profilieren wollen: 70 Prozent der Deutschen haben kein Testament. Dabei ist für ältere Menschen die Regelung ihrer Erbangelegenheiten wichtiger Teil ihrer Lebensplanung. Viele sind daran interessiert, zu Lebzeiten für eine geordnete, rechtlich und steuerlich einwandfreie Vermögensübergabe zu sorgen, um Streitigkeiten zwischen den Erben auszuschließen.
Wenn sich Notare, Steuerberater, Anwälte, Immobilienmakler, Banken, Unternehmensnachfolge- und Mietrechtsexperten zu einem Netzwerk zusammenschließen und eine umfassende Problemlösung anbieten, entsteht ein neues Geschäftsfeld. Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sind Ergänzungen. An Bedeutung gewinnt auch, dass immer mehr Erblasser ohne Erben sind. Dabei kann die Suche nach „erbwürdigen“ Organisationen ebenso eine Rolle spielen wie die Hilfe zur Lebensgestaltung, zum Beispiel durch Freizeit-Management, Einkaufsberatung oder die Vermittlung von in- und ausländischem Betreuungspersonal für pflegebedürftige Menschen.
1998 wurde der erste Senioren-Umzugs-Service in Deutschland gegründet - speziell für Menschen ab 60. Beim Seniorenumzug werden nicht nur Möbelstücke, sondern ganze Lebensgeschichten bewegt. Die Mitarbeiter beraten mit Einfühlungsvermögen und stellen ein umfassendes Servicepaket für den Umzug zusammen: Ausmessen, Packen, Elektroarbeiten, Tischlerarbeiten, Ab- und Aufbau, Anschluss von Elektro- und EDV-Geräten, Unterstützung bei der seniorengerechten Einrichtung usw.
Speziell geschulte Teams führen die Arbeiten fachgerecht aus. Sicherheit steht an vorderster Stelle. Auf Wunsch werden die Gegebenheiten in der neuen Wohnung überprüft und rutschfeste Unterlagen und andere Hilfsmittel angebracht. Beim Umzug sind sorgfältige Verpackung, behutsamer Transport und ein ausreichender Versicherungsschutz selbstverständlich. Renovierungsarbeiten, Verkauf von Antiquariaten, Erledigung von Formalitäten bis hin zur Wohnungsauflösung gehören zum Leistungsangebot.
Viele Firmen stecken in der Preis- und Austauschbarkeitsfalle. Mit allen negativen Konsequenzen für das Ergebnis und die Wettbewerbsfähigkeit. Nutzen Sie die Demografie. Die verrückten „Alten“ bieten hervorragende Chancen. Gestalten Sie Leistungserlebnisse für die einzige wachsende Zielgruppe.
[Bild: ©robert lerich - Fotolia.com]