AutoindustrieZulieferunternehmen sind weltweit Spitze
Die großen deutschen Automobilzulieferer sind in den vergangenen fünf Jahren deutlich gewachsen. Sie legten im Schnitt mehr als fünf Prozent pro Jahr an Umsatz zu. Und sind damit gegen den Trend erfolgreicher als andere: Denn weltweit schrumpfte der Umsatz in dieser Zeit leicht um ein knappes Prozent.
Die Strategie- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton hat 60 der weltweit wichtigsten Zulieferer untersucht und stellt gerade den deutschen Unternehmen ein gutes Zeugnis aus. Obwohl sie häufig unter einem besonderen Wettbewerbsdruck stehen und auch ihre Kunden, die großen internationalen Autobauer, hohe Anforderungen stellen, konnten sie in den letzten Jahren zulegen – sogar beim Gewinn. Sie haben bei der operativen Marge in den letzten fünf Jahren sogar zwei Prozent zugelegt.
Die Strategieberatung Oliver Wyman nennt diese Unternehmen in ihrer aktuellen Studie „Hochleistungsbranche Automobilzulieferer“. Was macht sie so erfolgreich? Was können andere Zulieferunternehmen von den Vorreitern lernen? Wo sind die Grenzen des Erfolgs?
Mit Innovationen unentbehrlich sein
Besonders erfolgreich sind die Unternehmen, die sich mit Hightech und erfolgskritischen Fahrzeugkomponenten befassen. Das sind im modernen Auto der Antriebsstrang und die Elektronik. Hier können die Zulieferer mit ihrem einzigartigen Know-how und ihrer Innovationskraft glänzen. Klaus Nadler, Geschäftsführer von Booz Allen Hamilton erklärt:
„Stärke bedeutet für Zulieferer nicht Größe, sondern primär Innovationspotenzial. Nur Lieferanten, die innovative Technologien anbieten, können selbstbewusst gegenüber den Automobilherstellern auftreten.“
Andere stehen unter Druck. Sie werden von ihren Kunden regelmäßig gezwungen, Kosten zu sparen und Preise zu senken. Davon betroffen sind insbesondere die Hersteller von Chassisteilen oder Interieur. Ihre Produkte sind für den Autohersteller kein entscheidendes Differenzierungsmerkmal. Die Anbieter sind im Grunde austauschbar.
Doch auch die Technologie- und Innovationsführer stehen unter Druck. Sie müssen auf die aktuellen Herausforderungen rasch reagieren und können doch nicht einschätzen, ob sie mit ihren neuen Produkten auch in Zukunft richtig liegen. Beispiel Antriebsstrang: Der plötzliche Schwenk vieler Autobauer hin zu effizienten, spritsparenden und abgasarmen Fahrzeugen stellt auch ihre Zulieferer vor große Herausforderungen. Innerhalb kürzester Zeit müssen nun Lösungen entwickelt werden, die langfristig Erfolg versprechen.
Megatrends und langfristige Chancen erkennen
Auch wenn sie nur Zulieferer sind – sie sollten den Markt, in dem sie tätig sind, genau kennen. Sie müssen nicht nur wissen, was ihre eigenen Kunden wollen. Sie müssen genauso wissen, was die Anforderungen und Wünsche der Endkunden sind. Ihr Marketing muss die gesamte Wertschöpfungskette im Blick haben.
Die Top-Manager der Zulieferindustrie sehen bei der Orientierung am Endkunden jedoch noch Handlungsbedarf. Derzeit betreiben nur etwa 50 Prozent der Zulieferunternehmen Marktforschung, und die wenigsten Entwicklungsabteilungen richten ihre Produktstrategien an den Endkundenwünschen aus. Doch die Megatrends in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie spielen eine wichtige Rolle. In der Autobranche heißt das beispielsweise:
- Lösungen für umweltfreundliche und nachhaltige Mobilität,
- Autos für eine alternde, aber immer noch aktive Bevölkerung,
- Lebensraum Auto in den Megastädten der Zukunft.
- Zunehmendes Sicherheitsbedürfnis der Kunden.
Die Experten von Oliver Wyman haben in ihrer Studie „Innovationsmanagement in der Automobilindustrie“ herausgearbeitet, wie sich daraus Innovationsziele ableiten lassen. Sie fokussieren sich auf:
- Leistung und Dynamik,
- Infotainment und Vernetzung,
- Design und Haptik,
- Einfachheit in der Nutzung,
- Verbrauch und
- Total Cost of Ownership.
Um die damit verknüpften Ziele zu erreichen, müssen Zulieferer jetzt schon Lösungen für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre konzipieren. Viele davon lassen sich nur in Kooperation mit anderen Spezialisten entwickeln. Ein Hersteller von Autoelektrik und Autoelektronik wird sich lösen von den derzeitigen Cockpit-Funktionen und mit einem Partner mehr Unterhaltungssysteme ins Auto bringen.
Die Produktion auf Effizienz trimmen
Auch die Unternehmen, die klare Technologie- und Innovationsführer in ihrer Branche sind, kommen an einer effizienten Produktion nicht vorbei. Die klassischen Alternativen der Strategieentwicklung lösen sich auf: Wurde bislang den Unternehmen geraten, sich entweder als Innovationsführer oder als Kostenführer zu positionieren, so müssen die Unternehmen jetzt den Spagat bewältigen. Dr. Guido Schacht, Risikomanager der HypoVereinsbank, sagt dazu:
„Es reicht heute nicht mehr aus, nur Kosten- oder Innovationsführer zu sein. Wer zu den Top-Performern gehören will, muss in allen Bereichen eine Spitzenposition einnehmen.“
Die Berater von Oliver Wyman haben ermittelt, dass die Verlagerung der Produktion an Niedriglohnstandorte dazu beiträgt, niedrige Kosten zu erzielen. Die Daten zeigten, dass Volumenanbieter am erfolgreichsten sind, wenn sie Werke in Niedriglohnländern besitzen. Gleiches gilt für Modul- und Systemanbieter.
Ein zentraler Maßstab für den Erfolg in den aufstrebenden Ländern wie China oder Indien ist der Zielpreis, der dort akzeptiert wird. Wie hoch – oder besser: niedrig – er ist, wird bei der Produktentwicklung festgelegt. Hier spielt das sogenannte Target Costing eine immer wichtigere Rolle.
Beispiel: Neue Materialien von Ticona
Was im Pkw-Innenraum wie Metall aussieht, muss noch lange keins sein. Türgriffe und Zierteile am Armaturenbrett etwa sind häufig aus lackiertem Kunststoff gefertigt und anschließend mit metallischem Lack überzogen. Das ist relativ aufwendig und erfordert den Einsatz umweltschädlicher Stoffe. Der Zulieferer Ticona hat nun ein Polymer in Metall-Optik entwickelt, bei dem auf eine Lackierung verzichtet werden kann. Zum Einsatz kommen diese preiswerten und umweltfreundlichen Bauteile nun bei den Türgriffen des Honda Civic.
[Quelle: ZF Friedrichshafen]
In der Produktion werden Prozesse optimiert. Die Fertigungskapazitäten werden automatisiert und an der Zielvorgabe „Flexibilität“ ausgerichtet. Die Mitarbeiter sollen durch verbessertes Qualitätsmanagement Fehler und Fehlerkosten vermeiden und mit ihren Ideen und Verbesserungsvorschlägen Effizienzreserven heben. So war es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Maßnahmen, mit denen die Zulieferer ihre Produktivität jährlich durch um drei Prozent steigern konnten.
Beispiel: Schlanke Produktion bei Brose
Das Brose-Werk Sindelfingen wurde im November 2007 mit dem „Automotive Lean Production“ Award ausgezeichnet. Die Experten von Agamus Consult, die den Wettbewerb mit der Zeitschrift „Automobil Produktion“ organisieren, heben das stringent organisierte Just-in-Sequence-Fertigungskonzept hervor, das sehr konsequent, getrieben durch Lean-Kennzahlen und mit der intensiven Einbindung der Mitarbeiter ständig weiterentwickelt wird. Bewertungskriterien sind dabei die Prozessoptimierung, Fehlervermeidung, Flexibilität, Standardisierung, Transparenz und ständige Verbesserung.
[Quelle: Brose]
Globalisierung und Netzwerkfähigkeit
Die größte Herausforderung für die Zulieferer ist die Globalisierung. Hersteller rücken näher an ihre Kunden. Auch wenn Europa und die USA in den kommenden Jahren die dominierenden Märkte für die Autobauer bleiben – an den enormen Wachstumsraten Chinas, Indiens oder Russlands kommt kein Unternehmen vorbei. Die Autobauer zwingen ihre Zulieferer, auch in diesen Märkten präsent zu sein.
Doch gerade hier sind die größten Defizite: Schon heute beurteilen die Top-Unternehmen ihre eigene Position in puncto Globalisierung nur als befriedigend bis gut, Low-Performer sogar als schlecht. Gerade Mittelständler scheuen die hohen Risiken einer Internationalisierung und befürchten eine Überbeanspruchung der vorhandenen Managementkapazitäten.
Die großen Automobilzulieferer verfügen dabei eindeutig über einen Wettbewerbsvorteil. Sie betreiben bereits Werke in Indien, Osteuropa oder China, um vor Ort zu entwickeln, zu fertigen und zu verkaufen. Ihre Größe, Finanzkraft und die Managementkapazitäten machen es einfacher, in den fremden Märkten Fuß zu fassen.
Kleine und mittelständische Betriebe tun sich dabei ungleich schwerer. Sie konzentrieren sich daher auf Europa und wollen erst reagieren, wenn Druck vonseiten der Automobilhersteller kommt. Auch in diesem Fall bevorzugen sie jedoch die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner. Gerade deshalb wird die Netzwerkfähigkeit zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. Und auch die Banken sind bei der Expansion mit dabei. So meint der Risikomanager Schacht von der HypoVereinsbank:
„Bei der Finanzierung und Unterstützung ihrer Auslandsengagements greifen mittelständische Unternehmen heute stark auf ihre Bank zurück.“
Worauf müssen die Zulieferer bauen?
Einig sind sich die Top-Manager darüber, dass die wichtigste Maßzahl für den Erfolg ihres Unternehmens die langfristige Wirtschaftlichkeit ist: Operativer Gewinn, Cashflow, Umsatzrendite (EBITDA zu Umsatz) und Umsatzwachstum sind die entscheidenden Erfolgsmaßstäbe. Bei vielen Unternehmen nehmen „weiche“ Faktoren eine vergleichbar wichtige Stellung ein. Das sind vor allem:
- die Mitarbeiterzufriedenheit und das Schaffen von Arbeitsplätzen,
- Innovations- und Technologieführerschaft oder
- Kundenzufriedenheit und positive Marktpräsenz.
Über 75 Prozent der von Oliver Wyman befragten Geschäftsführer und Vorstände der Zulieferindustrie sind bereit, diese Faktoren höher zu bewerten, als den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Für viele sind das Know-how und die Erfahrung ihrer Mitarbeiter unverzichtbar. Gerade deshalb blicken sie mit Sorge darauf, dass Ingenieure und Facharbeiter immer mehr zur Mangelware werden. Personalrekrutierung und Bindung werden zu kritischen Kernkompetenzen.
Die Branchenanalyse von Oliver Wyman macht sichtbar, dass im Wesentlichen für alle Automobilzulieferer die gleichen Erfolgsfaktoren gelten, unabhängig von Unternehmensgröße, Geschäftsmodell oder Tätigkeitsfeld. Ganz vorne unter den Erfolgsfaktoren liegen
- Kundenorientierung,
- unternehmerisches Handeln,
- Kostenmanagement,
- Mitarbeiterqualifikation und
- Innovationskompetenz.
Die Globalisierung und die Netzwerkfähigkeit werden dabei in den nächsten Jahren am stärksten zulegen.
Aktuelle und zukünftige Erfolgsfaktoren für Automobilzulieferer
[Quelle: Oliver Wyman; Studie „Hochleistungsbranche Automobilzulieferer“]
Die Berater von Oliver Wyman leiten daraus die folgenden Handlungsempfehlungen für die Zulieferindustrie ab:
- Verbesserung der Kostenposition: Top-Performer der Zulieferindustrie gehen alle Wege zur permanenten Kostenoptimierung. In der Zulieferindustrie gibt es beim Kostensparen keine „heiligen Kühe“.
- Steigerung der Innovations- und Technologieführerschaft: Die europäischen Zulieferer müssen ihre führende Technologieposition gemeinsam mit den Automobilherstellern ausbauen, um sowohl Funktionen als auch Kosten zu verbessern.
- Adressieren des Low-Cost-Marktes: In dem am stärksten wachsenden Automobilmarkt, dem für Low-Cost-Fahrzeuge, müssen Zulieferer eigene Lösungen entwickeln: Low-Cost-Module, Entwicklungskompetenzen und Werke in Niedriglohnländern sowie lokale Vertriebsressourcen. Dabei ist die Anpassung der Produktfunktionalität an Marktgegebenheiten im Low-Cost-Land bei unverändert hoher Qualität anzustreben.
- Stärkung der Endkundenorientierung: Parallel zu den Automobilherstellern müssen sich auch die Zulieferer stärker direkt mit dem Autofahrer als Endkunden beschäftigen.
- Aufbau von Netzwerken: Lieferanten sollten nach geeigneten Netzwerkpartnern suchen und die eigene Organisation netzwerkfähig machen.
- Globalisierung als Chance nutzen: Jeder Zulieferer muss eine eigene Strategie zur Globalisierung erarbeiten und diese konsequent umsetzen – alleine oder mit Partnern.
Dr. Jan Dannenberg, Director der globalen Automotive Practice von Oliver Wyman fasst zusammen:
„Zulieferer sind wie Spitzenathleten, bei denen Hundertstelsekunden über Sieg oder Niederlage entscheiden.“
Was können alle Zulieferunternehmen daraus lernen?
Welche Faktoren machen Sie für Ihre Kunden unentbehrlich? Stellen Sie diese heraus. Fokussieren Sie auf diese Kernkompetenzen.
Was sind die Trends in Ihrer Branche? Was bewegt die Kunden ihrer Kunden? Wie können Sie davon profitieren? Welche Lösungen und Produkte haben Sie dafür?
Beherrschen Sie die Kernprozesse? Sind alle operativen Abläufe effizient? Wie lassen sich Kosten sparen? Welche Aktivitäten gibt es zur kontinuierlichen Verbesserung?
Auf welchen eigenen Stärken gründet der Erfolg? Mitarbeiterzufriedenheit? Technologie-Know-how? Kundenorientierung? Wie lassen sich diese Stärken erhalten und ausbauen?
Welche Anforderungen stellt die Globalisierung an Ihr Unternehmen? Entwickeln Sie daraus Ihre strategische Position und einen eigenen Fahrplan. Welche Kompetenzen brauchen Sie dafür? Welche Partner können dabei helfen?
Links und weiterführende Informationen
Die UniCredit-Tochter HypoVereinsbank und die Strategieberatung Oliver Wyman haben in der Studie „Hochleistungsbranche Automobilzulieferer“ über 50 unternehmerische Erfolgsfaktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung und Wirkung auf die Automobilzulieferindustrie untersucht. Mehr als 40 Geschäftsführer und Vorstände der Zulieferindustrie wurden interviewt, um ihre Einschätzung der zukünftigen Erfolgskriterien ihrer Branche wiederzugeben. Eine parallele Sekundäranalyse von 96 überwiegend nicht am Kapitalmarkt notierten europäischen Zulieferern verband die genannten Erfolgsfaktoren mit der wirtschaftlichen Performance der Unternehmen.
Analysen der Strategie- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton zum Erfolg deutscher Automobilzulieferer
Supplier Succes in a Challenging Industry
Tier 1 Automotive Suppliers: Building Advantaged Positions
Studie „Die Fabrik des Jahres/GEO“ von A.T. Kearney
[jf; Foto: Brose, Bild: Business-Illustrationen]