BerufsbildungAuszubildende fit machen für internationale Märkte

Die Globalisierung der Wirtschaft macht die Internationalisierung der Berufsbildung unverzichtbar. Dies um so mehr, da Dienstleistungen und Produkte zunehmend weltweit eingekauft und verkauft werden und auch der Service entsprechend gewährleistet sein muss. Auszubildende tun sich oft schwer ihre Hemmungen bei internationalen Kontakten zu überwinden, deshalb ist eine Förderung zwingend notwendig.

„Oh nein, schon wieder eine ausländische Vorwahl, was mach ich denn jetzt, heb ich ab oder lass ich es einfach klingeln ...? Merkt ja keiner, wenn ich nicht dran gehe! Ich bin eh gerade zu beschäftigt. Und wenn es doch jemand merkt? Ja, genau, ich sag einfach, ich konnte nicht dran gehen, weil ich gerade zu sehr in meine Arbeit vertieft war, und mich das Telefonat sowieso nur unterbrochen hätte.“

Diese oder so ähnliche Gedanken schießen vielen Auszubildenden durch den Kopf bei Anrufen aus fremdsprachigen Ländern. Die Unsicherheit überwiegt vor dem Pflichtbewusstsein. Doch irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem die jungen Berufstätigen sich ihrer Angst stellen müssen. Im Zuge der Globalisierung sind immer mehr Menschen von der Internationalisierung ihrer Berufsbildung betroffen. Das betrifft sie direkt am Arbeitsplatz. Deshalb müssen sie im Rahmen der Berufsbildung darauf vorbereitet werden. Die Ausbildungszeit eignet sich am besten dafür, sich auf die Kommunikation mit ausländischen Geschäftspartnern vorzubereiten und sie zu trainieren. Denn in dieser Zeit, nimmt es der Arbeitgeber noch gelassen, wenn mal ein Patzer passiert – oder sollte es zumindest. Danach ist die Schonfrist vorbei – das harte Berufsleben kennt keine Gnade!

Es gibt diverse Anwendungsbereiche, in denen der richtige Umgang mit fremden Kulturen erforderlich ist:

  • Mit Kunden: Anfragen oder Rückfragen, Bestellungen, Aufträge oder Reklamationen.
  • Mit Lieferanten: Informationen einholen, Bestellen, Rückfragen oder Reklamationen
  • Mit Kollegen: Kommunikation mit Kollegen an anderen Standorten oder zum Beispiel mit Servicetechnikern auf Montage.
  • Mit Geschäftspartnern: Verhandlungen, Gespräche oder Smalltalk.

Viele Lücken sind zu schließen

Nicht nur in Bezug auf die Sprache haben Auszubildende Förderbedarf. Es besteht auch Unsicherheit beim Umgang mit anderen Kulturen und es fehlen betriebswirtschaftliche Kenntnisse über die Internationalisierung und Globalisierung von Märkten. Der Gesetzgeber hinkt einer entsprechend angepassten Ausbildungsverordnung noch hinterer. Es gibt zwar speziell international ausgerichtete Ausbildungsgänge, aber gewisse Grundkenntnisse sollten in jedem Ausbildungsberuf Standard sein und durch die Berufsschule vermittelt werden. Positiver Vorreiter ist beispielsweise die IHK Aachen. Sie bietet betreute Angebote im Ausland an. Unter anderem:

  • eine zweijährige binationale Ausbildung zum  Industriekaufmann oder zur Industriekauffrau mit BTS-Diplom in Paris,
  • Deutsch-niederländische Ausbildungsinitiativen und
  • zwei- bis dreiwöchige Intensivseminare in London, die sich an Auszubildende und junge Mitarbeiter in kaufmännischen Berufen richten (Schwerpunkte: Business und Banking).

Heinz Gehlen, Geschäftsführer Berufsbildung, IHK Aachen stellt fest:

"Die Internationalisierung der Märkte und der Arbeitswelt erfordert für die Zukunft Fachkräfte, die Kenntnisse über die Strukturen und Mechanismen der Weltmärkte besitzen sowie über Erfahrungen mit anderen Wirtschaftskulturen verfügen. Diesen Voraussetzungen für ein erfolgreiches ökonomisches Handeln in der Zukunft trägt die Berufsausbildung unserer jungen Menschen unseres Erachtens zu wenig Rechnung. Es erscheint uns dringend notwendig, die nationalen Ausbildungsinhalte mit internationalen Elementen anzureichern."

Maßnahmen der Arbeitgeber

Aber auch die Unternehmen können einen Beitrag zur Internationalisierung der Berufsbildung leisten. Zunächst sollte auf die richtige Auswahl der Auszubildenden geachtet werden. Bevor Auszubildende beschäftigt werden, sollte im Vorfeld überlegt werden, ob nach der Ausbildung eine Übernahme gewünscht ist und wenn ja, in welchem Bereich. Soll der zukünftige Mitarbeiter an einer Stelle eingesetzt werden, wo der Kontakt mit fremdsprachigen Kunden, Lieferanten oder Partnern zwingend erforderlich ist? Oder soll er vielleicht sogar an einen ausländischen Standort versetzt werden?

Wenn das Anforderungsprofil das nahe legt, dann sollte ein Bewerber verschiedene Voraussetzungen mitbringen. Besonders wichtig sind:

  • Der Wille, sich internationales Wissen anzueignen,
  • Interesse an internationalisierten Märkten,
  • Sprachbegabung,
  • Interesse an fremden Kulturen,
  • schnelle Auffassungsgabe und
  • hohe Lernbereitschaft.

Es ist die Aufgabe des Arbeitgebers, die richtigen Auszubildenden zu finden. Mit speziellen Einstellungstests und Auswahlgesprächen, die auf die Anforderungen zugeschnitten sind, ist diese Aufgabe zu bewältigen.

In Deutschland lebende Ausländer könnten besondere Fähigkeiten haben, sich an fremde Kulturen anzupassen, da sie meist seit ihrer Geburt an zwei Kulturen gewohnt sind. Die bilinguale Prägung ist ebenso vorteilhaft beim Erwerb einer weiteren Fremdsprache. Und wenn klar ist, dass ein Mitarbeiter später in einer bestimmten Abteilung eingesetzt wird, in der er beispielsweise ausschließlich mit polnischen Kunden Kontakt hat, warum kein Pole, der in Deutschland aufgewachsen ist? Der nächste Schritt wäre sogar, im Ausland nach Auszubildenden zu suchen. Diese Bewerber bringen schon ganz automatisch das Interesse an einer fremden Kultur mit.

Beispiel Würth

Bestens mit seinem Arbeitgeber Würth identifizieren kann sich José Maturana. Der 30-Jährige ist ohne Deutschkenntnisse aus Chile gekommen, fing hier, in der Heimat seiner Ehefrau, noch mal ganz von vorne an. „Ohne Deutsch“, weiß er zu berichten, „ist es nicht leicht, einen Arbeitsplatz zu finden.“ Bei Würth ist er dennoch untergekommen: als Auszubildender Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Seine Spanischkenntnisse wurden hier als klarer Vorteil erkannt. Nach seiner Ausbildung soll José in der Exportabteilung den lateinamerikanischen Raum betreuen. Auslandserfahrung sammelt er bis dahin reichlich. Unter anderem verbrachte er bereits drei Monate in Spanien, um dort beim Aufspüren von Marktpotenzialen zu helfen. Und auch einen Monat in Shanghai hat José im Auftrag der Würth-Gruppe schon hinter sich gebracht.

[Quelle: http://www.azubi-magazin.com/...]

Wenn die Personen mit den richtigen Eigenschaften gefunden sind, gibt es Maßnahmen während der Ausbildung, die dazu beitragen, dem Auszubildenden die internationalen Anforderungen zu vermitteln. Solche Maßnahmen könnten sein:

  • Sprachkurs: Es gibt viele Angebote von Sprachkursen. Überlegungen bezüglich der Form, des Ablaufs, des Veranstaltungsorts und natürlich des Budgets sind anzustellen. Ein Kurs sollte individuell auf die Vorkenntnisse und die Anforderungen im Beruf ausgerichtet sein. Um Kosten zu sparen, kann der Sprachkurs eventuell zusammen mit Auszubildenden aus anderen Betrieben gemeinsam durchgeführt werden.
  • Auslandsaufenthalt: Wenn ein Unternehmen einen Standort im Ausland hat, könnte es die Auszubildenden für ein paar Wochen oder Monate dort arbeiten lassen. Auszubildende können in Tauschprogramme, vielleicht sogar mit fremden Unternehmen, eingebunden werden. Das hat den Vorteil, dass die Arbeitskraft für diese Zeit nicht wegfällt. Etwas kostenintensiver ist eine Sprachreise mit integriertem Sprachkurs.
  • Interne Projekte: Das Unternehmen schafft Gelegenheiten, eine Fremdsprache anzuwenden und zu üben. Beispielsweise durch kleine Präsentationen, die von den Auszubildenden vorbereitet und gehalten werden. Oder durch die Mitwirkung bei der Erstellung von Firmenunterlagen in fremden Sprachen. Auch die Gelegenheit bei Besprechungen oder Verhandlungen in fremder Sprache dabei zu sein und zu „lauschen“, ist hilfreich, um ein Gespür für diese Art von Kommunikation zu bekommen.
  • Mentoring: Vielleicht gibt es im Unternehmen auch einen Mitarbeiter mit viel internationaler Erfahrung, der gerne dazu bereit ist, den Auszubildenden in einer Art Mentorprogramm sein Wissen zu vermitteln. Eine weitere Möglichkeit, könnte sein, dass die Auszubildenden, die schon am Ende der Ausbildung stehen, den Jüngeren Unterricht in „Internationalisierung“ geben. Schon eine Stunde pro Woche ist hilfreich, um Hemmungen zu verlieren.
  • Externe Bildungseinrichtungen: Es gibt viele Einrichtungen, die sich auf interkulturelle Bildungsgänge spezialisiert haben. Für junge Menschen, die ihre kaufmännische Berufsausbildung bereits abgeschlossen haben, gibt es zum Beispiel die Möglichkeit ein Studium am European College of Business and Management zu absolvieren. (www.eurocollgege.org.uk)

Nicht zu empfehlen ist es, die Auszubildenden in irgendeiner Weise zu etwas zu zwingen. Damit wird nämlich im schlimmsten Fall das Gegenteil erreicht. Ein Beispiel dafür ist die Vorgabe: Diese Woche wird nur in Englisch kommuniziert! Es ist fraglich ob solche „Zwangsmaßnahmen“ hilfreich sind. In der Praxis sind sie schwer umzusetzen. Warum sollte sich eine Gruppe Deutschsprachiger in einer fremden Sprache verständigen? Da geht viel verloren und manche Hemmungen verstärken sich sogar.

Beispiel Business School

Siemens bietet seinen Auszubildenden ein Studium während der Ausbildung an der Fachhochschule für Ökonomie und Management an. Sieben Semester dauert der Studiengang "International Management", an dessen Ende der Abschluss "Bachelor of Arts" steht.

Ein anderes Beispiel ist Provadis Partner für Bildung und Beratung GmbH, die zur Infraserv-Höchst-Gruppe gehört. Mit rund 1.400 Auszubildenden und über 10.000 Weiterbildungs­teilnehmern an den Standorten Frankfurt und Marburg gehört Provadis zu den führenden Anbietern von Bildungsdienstleistungen in Hessen. Mit der Gründung der „School of International Management and Technology AG“ schafft Provadis die Möglichkeit, international anerkannte Bachelor-Abschlüsse in den Studiengängen Business Administration, Business Information Management und Chemical Engineering zu erwerben.

Den Ideen, wie man Internationalisierung in den Berufsalltag von Auszubildenden integrieren kann, sind keine Grenzen gesetzt. Und auch die Auszubildenden selbst können eigene Ideen entwickeln, wie sie am besten ihre Hemmschwelle verlieren. Das hat dazu noch positive Nebeneffekte:

  • Die Kreativität wird angeregt.
  • Problemlösungsstrategien werden entwickelt.
  • Der Auszubildende ist stolz, wenn seine Idee verwirklicht wird, und das stärkt das Selbstbewusstsein.

Wer nichts wagt, der nichts gewinnt

Die Umsetzung solcher „Sondermaßnahmen“ für Auszubildende sei dennoch gut überlegt, denn sie bergen auch erhebliche Risiken. Es ist nicht auszuschließen, dass die gut ausgebildeten Kräfte nach der Ausbildung zu anderen Unternehmen abwandern. Und dann waren die Investitionen fast umsonst. Aber auch nur fast! Denn wenn es gelingt, den Auszubildenden schon zu Beginn an die Internationalisierung heranzuführen und er dies auch schnell umsetzt, profitiert zumindest das Unternehmen während der Ausbildungszeit davon. Und außerdem wandert ja nicht jeder Auszubildende ab, wenn man ihm einen seinen Fähigkeiten entsprechenden guten Job anbietet.

Umso wichtiger ist es, dem Auszubildenden frühzeitig Perspektiven nach der Ausbildung aufzuzeigen. Denn wenn von Anfang an klar ist, wofür er die ganzen Fähigkeiten braucht und dass er sie auf jeden Fall auch anwenden wird, dann hat der Auszubildende ein Ziel, worauf er hinarbeiten kann und denkt bestenfalls gar nicht darüber nach, das Unternehmen zu wechseln. Und wenn erst einmal Projekte zur Verbesserung der Internationalisierung der Berufsbildung integriert worden sind, entstehen für einen einzigen Auszubildenden nicht mehr so hohe Kosten.

Vielleicht gibt es in der näheren Umgebung Unternehmen, mit denen Unterrichtsprogramme geteilt werden können. Das reduziert die Kosten. Eines steht jedenfalls fest: Investitionen in die Zukunft lohnen sich immer. Man bedenke zum Schluss: Vielleicht können gut international ausgebildete Fachkräfte sogar für das eigene Unternehmen gewonnen werden, anstatt gute Auszubildende an andere Unternehmen zu verlieren.

Hinweis

Einen interessanten Gastbeitrag über die Mythen der englischen Sprache finden Sie hier:

Business Englisch: Worauf es wirklich ankommt

Dazu im Management-Handbuch

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