BeschaffungsmarktEinkauf auf globale Herausforderungen noch nicht umfassend vorbereitet
Dies geht aus der weltweiten Benchmarking-Studie „Assessment of Excellence in Procurement (AEP) 2008“ hervor, die A.T. Kearney zum sechsten Mal seit 1992 durchgeführt hat. Die Studie zeigt zudem, dass Nachhaltigkeit eine immer größere Bedeutung gewinnt und insbesondere führende Unternehmen dieses Thema in ihren Unternehmenszielen und Einkaufsprozessen bereits umfassend umsetzen.
Weitere Erfolgsfaktoren für Unternehmen sind, klassische Beschaffungsstrategien als Standardprozesse systematisch in die Abläufe zu integrieren und stärker auf die Kollaboration mit Lieferanten und auf Innovation zu fokussieren.
Um Wettbewerbsvorteile im Einkauf zu erzielen, gilt es für Unternehmen neben einer verbesserten horizontalen und vertikalen Vernetzung auch, das Mitarbeiterpotenzial im Einkauf durch das Gewinnen, Ausbilden und Halten der bestqualifizierten Mitarbeiter zu stärken. Jules Goffre, Vice President bei A.T. Kearney und Leiter des Beratungsfeldes Strategisches Beschaffungsmanagement, sagt:
„Heute ist Beschaffung deutlich schwieriger als noch vor vier Jahren bei der letzten weltweiten AEP-Studie. Die Entwicklung der Rohstoffpreise und hohe Auslastungen bei den Zulieferern stellen den Einkauf vor schwierige Entscheidungen, auch wenn die aktuelle Finanzkrise hier ein wenig Entlastung bringen wird. Insbesondere in den Bereichen Beschaffungsstrategie, Sourcing und Category Management, dem Management von Lieferantenbeziehungen und HR-Management besteht noch enormes Verbesserungspotenzial.“
In den nächsten Jahren werden diejenigen das Rennen machen, die das Lieferanten-Know-how in kooperativer Weise für sich nutzbar machen und sich die besten Leute mit den besten Strategien sichern. Beschaffung bleibt ein People Business, die Top-Unternehmen haben das erkannt und sich entsprechend darauf eingestellt.
Der Abstand zu führenden Unternehmen schrumpft
Erzielten die führenden Unternehmen der Studie zufolge im Jahr 2004 bei direktem Material noch mehr als doppelt so hohe durchschnittliche Einsparungen im Jahr (5,9 Prozent) wie die nachfolgenden Unternehmen (1,9 Prozent), so schrumpfte dieser Abstand in der aktuellen Studie auf 0,9 Prozent zusammen.
Die führenden Unternehmen erreichten 4,5 Prozent Einsparungen, die nachfolgenden Unternehmen 3,6 Prozent. Dieser Trend setzt sich bei indirektem Material, Investitionsgütern und Dienstleistungen fort. Die Ursachen liegen zum einen in den deutlich schwieriger gewordenen Beschaffungsmärkten und den gestiegenen Rohstoffpreisen, wie auch in der Aufholarbeit, die die nachfolgenden Unternehmen in den letzten Jahren geleistet haben. Goffre dazu:
„Strategien und Prozesse, die 2004 noch als ‚advanced’ oder als ‚State-of-the-Art’ galten, gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der meisten Unternehmen."
Nachhaltigkeit im Einkauf wird immer wichtiger
„Besondere Aufmerksamkeit fand das Thema Nachhaltigkeit im Einkauf, bei dem ökonomische, ökologische und ethische Fragestellungen im Beschaffungsprozess aufgeworfen werden. Hier zeigt sich, dass führende Unternehmen nicht nur, wie die meisten Teilnehmer der Studie, die Bedeutung des Themas erkannt und in generelle Unternehmensziele integriert haben, sondern entsprechende Anpassungen in den Einkaufsprozessen vorgenommen haben“,
so Goffre weiter. Während 94 Prozent aller führenden Unternehmen und 83 Prozent aller nachfolgenden Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmensziel verankert haben, haben es nur 58 Prozent der nachfolgenden Unternehmen auch auf die allgemeinen Einkaufsziele übertragen – gegenüber 89 Prozent der führenden Unternehmen.
Nur 34 Prozent der nachfolgenden Unternehmen haben entsprechende Key Performance Indikatoren (KPIs) aufgesetzt, bei den führenden Unternehmen sind es 78 Prozent. Es zeigt sich, dass je näher ein Unternehmen am Endkunden ist, wie die Konsumgüterindustrie, desto größere Bedeutung wird dem Thema Nachhaltigkeit beigemessen und desto weiter ist man bei der konkreten Umsetzung in die Einkaufsprozesse.
Ein breiteres Mandat
Die führenden Unternehmen der Studie zeigen eine deutlich stärkere Vernetzung des Einkaufs mit dem Rest des Unternehmens. Vertikal zeigt sich dies in der stärkeren Einbindung des Einkaufs bei der Erstellung von Business Plänen und Strategien, horizontal bei der Funktionen übergreifenden Zusammenarbeit. So involvieren 67 Prozent der führenden Unternehmen der aktuellen Studie zufolge den Einkauf bei Beschaffungsfragen im Bereich Transport und Logistik, aber nur 40 Prozent der nachfolgenden Unternehmen.
Im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) sind es sogar nur 14 Prozent der nachfolgenden Unternehmen, die hier den Einkauf eng einbinden, bei den führenden Unternehmen ist es immerhin die Hälfte (50 Prozent).
Neue Beschaffungsstrategien
„Im Zuge der Aufholjagd haben viele Unternehmen klassische Beschaffungsstrategien wie Global Sourcing oder Spezifikationsoptimierung in ihre Abläufe integriert. Dennoch zeigen auch hier die führenden Unternehmen eine systematischere Nutzung und Umsetzung dieser Strategien, dies ist unter anderem auch auf ihre längere Erfahrung zurückzuführen“,
sagt Goffre. Doch was kommt nach der dritten Ausschreibung in derselben Beschaffungsgruppe? Führende Unternehmen entwickeln neue, zum Teil komplexe Beschaffungsstrategien wie Target Pricing mit multivariaten Regressionsanalysen oder Collaborative Cost Reduction, um neue Potenziale zu erzielen. Dabei setzen sie verstärkt auf das Know-how der Lieferanten und sind bereit, auch Kernthemen wie Innovation in Teilen auf diese zu verlagern.
War for Talent
Führende Unternehmen agieren professioneller beim Recruiting der besten Mitarbeiter für den Einkauf. Dabei ziehen sie alle Hebel von Headhunting über Universitätskontakte bis hin zu unternehmensinternen Transfers. Eine zentrale Rolle spielt das Thema Training und Weiterentwicklung dieser Mitarbeiter.
Aber auch hier zeigen sich signifikante Unterschiede. Während beim gesamten Teilnehmerfeld zum Beispiel Fähigkeiten wie Spend Analyse, Kenntnis über Beschaffungsstrategien und Verhandlungsführung als sehr wichtige Kernkompetenzen angesehen werden, sind entsprechende Trainings bei Weitem nicht bei allen verfügbar oder als Standardtrainings verankert.
Während rund 85 Prozent der führenden Unternehmen den Einkaufsmitarbeitern systematische Basis- oder Fortgeschrittenen-Trainings anbieten, sind es bei den nachfolgenden Unternehmen nur rund die Hälfte.
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es bei vielen Unternehmen in puncto Beschaffung noch enormen Nachholbedarf gibt“,
so Goffre. Nur wem es gelinge, das Lieferanten-Know-how in kooperativer Weise für sich nutzbar zu machen, Nachhaltigkeit in Prozesse und Lieferantenmanagement zu integrieren und sich die besten Leute mit den besten Strategien zu sichern, werde auch zukünftig wettbewerbsfähig sein. Führende Unternehmen hätten es erkannt, jetzt gelte es auch für alle anderen aufzuschließen.
Über die Studie
Die aktuelle Studie „Assessment of Excellence in Procurement“ (AEP), die sechste ihrer Art seit 1992, untersuchte weltweit mehr als 300 Beschaffungsorganisationen von führenden Unternehmen aus 28 Branchen, deren Umsatz im Durchschnitt mehr als sieben Milliarden US-Dollar beträgt.
[po; Quelle: A.T. Kearney; Bild:© ioannis kounadeas - Fotolia.com]