BraintrustWie Unternehmer voneinander lernen können
„Sage mir, mit wem du umgehst und ich sage dir, wer du bist“ schrieb Goethe in seinen Reflexionen. Was Goethe hier kurz und komprimiert auf den Punkt brachte, wird zwischenzeitlich durch viele Forschungen bestätigt. Durch Spiegelneuronen spiegeln wir die Emotionen von anderen – und Emotionen, die wir öfter haben, bekommen stärkere Bahnen im Gehirn. Durch die Geschichten, die wir hören und erzählen, filtern wir die Realität, geben ihr Bedeutung und schaffen unsere Wahrnehmung.
Aufgrund unserer Wahrnehmung und der Bedeutung, die wir dieser geben, werden unsere (auch unbewussten) Handlungen gesteuert. Und Imitation ist die wirkungsvollste Lernmethode, die wir Menschen zur Verfügung haben. Das beginnt bereits damit, dass Mütter beim Füttern ihrer kleinen Kinder (in der Regel unbewusst) den Mund aufmachen – in der (oft erfüllten) Hoffnung, dass das Baby dann ebenfalls den Mund öffnet.
Die Konsequenz: Wenn wir zu jemand Bestimmtem werden wollen, dann sollten wir uns mit Menschen umgeben, die diesem Bild ähnlich sind. Wollen wir erfolgreicher Schauspieler werden, dann wäre es hilfreich, George Clooney zu kennen und wenn wir Politiker werden wollen, dann ist es sinnvoll, frühzeitig in den Dunstkreis von Schröder, Merkel & Co einzudringen.
Aus genau diesem Grund finden sich in allen möglichen Erfolgsbüchern entsprechende Empfehlungen: Napoleon Hill schrieb vom Braintrust als dem Zusammenschluss Gleichgesinnter. Bodo Schäfer fragt: Wie viele Menschen sind in Deinem Freundeskreis erfolgreicher als Du? Und alle Welt schreibt von Netzwerken wie Xing und ähnlichen.
Die wirkliche Welt
Die wirkliche Welt sieht meist folgendermaßen aus: Man umgibt sich mit Menschen, die genauso sind wie man selbst. Und sobald man sich selbst entwickelt (falls man das dann noch tut), wird es unendlich schwer, weil das Umfeld gerade nicht so tickt, wie man gerne werden möchte.
Nun haben die wenigsten Unternehmer zu Beginn ihrer Laufbahn ein Umfeld aus Unternehmern. Zumeist besteht das Umfeld aus Menschen, die die scheinbare Sicherheit ihres Jobs lieben, die lieber den Spatz in der Hand wählen und für die Selbständigkeit nur als die viertbeste Lösung (nach einem festen Job, einem reichen Partner und Hartz IV) erscheint.
Mit anderen Worten: Die meisten Gründer haben ein Umfeld, das vielleicht vordergründig sagt: „Toll, dass Du das machst“, aber sofort ergänzen: „Für mich wäre das nichts“ und insgeheim denken: „Der ist doch irre und scheitert sowieso“ und sich nach dem Scheitern freuen: „Ich hab’s doch gleich gesagt“.
Die Konsequenz, die ich in vielen meiner Unternehmer-Coachings beobachtet habe: Nach einigen Jahren ist der Gründer entweder gescheitert, noch immer am Boden, erfolglos oder er hat seinen Freundeskreis fast komplett ausgetauscht und ist mit seinem Unternehmen durchgestartet. Das Fatale daran: Obwohl der Einfluss des Umfelds eine solche strategische Bedeutung hat, fand ein Wechsel dieses Umfelds meist nur zufällig oder als Reaktion statt: „Ich kann halt mit XY nicht mehr über die Probleme meiner Firma sprechen“, „ABC versteht meine Bedenken, Z zu kündigen oder einzustellen, nicht.“ und so weiter.
Diese Zufälligkeit zeigt sich nebenbei auch in anderen Beobachtungen. Man hat bei Studenten untersucht, wie sich im Verlauf des Semesters Freundschaften bilden. Das Resultat: Die meisten und längsten Freundschaften bildeten sich zwischen den Studenten, die am ersten Tag zufällig nebeneinander saßen.
Oder denken Sie an ein übliches Networking-Event. Viele Leute kommen hin und kennen niemand. Sie stellen sich an einen Tisch, kommen mit zwei oder drei Leuten ins Gespräch – und dabei bleibt es meist für den Abend. Und wenn sie dann 3 Monate später wieder zu einem Event gehen und zufälligerweise einen davon wieder erkennen, dann stellen sie sich wieder dazu. Natürlich glauben wir gerne, wir wären der Steuermann und würden unsere Freunde selbst aussuchen. Nur stimmt das so (meist) nicht…
Wir halten also erstmal fest: Erstens bestimmt unser Umgang unser Sein und Werden. Zweitens ist unser Umgang zu einem großen Teil durch Zufall und Beharrungsvermögen gekennzeichnet. Daraus ergibt sich drittens, dass wir unser Umfeld gezielter gestalten müssen, wenn wir uns selbst entwickeln wollen.
Bei vielen Unternehmern geht das dann so: Irgendwo ist ein Unternehmer-Treff geplant. Der Unternehmer geht hin und trifft dort viele Menschen. Von diesen vielen Menschen sind aber verblüffenderweise nur 20 Prozent Unternehmer. Und die anderen 80 Prozent sind Berater, Rechtsanwälte oder Werber, die den Unternehmern ganz dringend etwas verkaufen wollen, weil sie selbst gerade nicht ausgelastet sind und ihr Laden nicht funktioniert.
Braintrust ist die Lösung
Die Lösung skizzierte Napoleon Hill in seinem mittlerweile über 70 Jahre alten Weltbestseller „Denke nach und werde reich“. Er schlug darin die Bildung eines Braintrusts vor.
Braintrust
Ein Braintrust ist eine Gruppe Gleichgesinnter, deren Hauptaufgabe darin besteht, das Fortkommen der Teilnehmer zu fördern, zu kontrollieren und zu sichern. Das Ziel eines solchen Braintrusts ist letztlich, den Beteiligten dabei zu helfen, der zu werden, der sie werden möchten.
Ein solcher Braintrust ist im engeren Sinne kein Netzwerk und auch kein Forum, um die eigenen Dienstleistungen zu verkaufen, sondern ein Arbeitszusammenhang. Für Unternehmer heißt dies: Ein Unternehmer-Braintrust darf nur aus Unternehmern bestehen. Innerhalb des Braintrusts herrscht absolute Offenheit und es dürfen keine Wettbewerber anwesend sein.
Der Braintrust dient natürlich dem Austausch über bestimmte Fragen: Wie komme ich mit meiner Strategie weiter?, Wie gehe ich mit einem Problem-Mitarbeiter um? und so weiter. Alleine durch diesen Austausch mit anderen erfahrenen Unternehmern werden oft viele Probleme gelöst oder zumindest ergeben sich daraus neue Blickwinkel. Die Erfahrungen werden potenziert.
Ein Braintrust geht aber auch in die Tiefe und ermöglicht es, das Unternehmen eines Teilnehmers bis ins letzte Detail zu durchleuchten und für ein ganz spezifisches Problem eine gezielte Lösung zu erarbeiten.
Aber die wirklich wertvollen Aspekte eines Braintrusts sind die beiden folgenden: Erstens, durch den Umgang mit anderen Unternehmern imitieren wir diese unbewusst. Und lernen dadurch ganz automatisch, wie Unternehmer zu fühlen, zu denken und zu handeln.
Und zweitens werden persönliche Ziele im Rahmen eines solchen Brain-Trusts öffentlich kommuniziert und kontrolliert. Ein Brain-Trust bietet so eine produktive Art der sozialen Kontrolle: Es ist einfach mega-peinlich, bei einem Termin zu erzählen, dass man jetzt einen Manager einstellen wird, um dann beim nächsten Termin drei Monate später zu erzählen, dass man noch nicht einmal begonnen hat, zu suchen. Mit anderen Worten: Ein Braintrust ist der Turbo für die eigene Entwicklung als Unternehmer.
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Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer von Stefan Merath
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