Change ManagementKomplexität reduzieren, Handlungsfähigkeit sichern

Unternehmen sehen sich in einer globalisierten Welt mit zunehmender Unsicherheit und Komplexität konfrontiert. Zeichen eines tiefgreifenden Wandels. Zentrale Herausforderung: Führung muss Mitarbeitern den Rahmen bieten, der ihnen erlaubt, komplexe Aufgaben künftig erfolgreich zu bewerten und zu bewältigen. Das Rezept: Offensive Kommunikation und Förderung von Eigeninitiative.

„The transition has ended and the new administration has begun. Please join President Barack Obama at Whitehouse.gov“ (change.gov).

Welches Unternehmen würde sich nicht manchmal etwas weniger Wandel und etwas mehr Sicherheit in einem geregelten Umfeld wünschen? Manche Führungskraft würde vielleicht gerne auf ihre Website schreiben: „Please join me and my vision under dot.org“. Doch die beiden Sätze auf der Wahlkampfseite des US-Präsidenten sind nur das (Zwischen-) Ergebnis einer langen Reise.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts basierte das Management auf Vereinfachung, Organisation und der Koordination von Aufgaben. Es ging um die Entwicklung von Firmenpolitik, Verfahrensweisen und Schaffung von Hierarchien, um bei Arbeitern die Einhaltung der Regeln sicherzustellen. Führungskräfte legten sich auf die Schaffung standardisierter Produkte und Leistungen fest, um die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und Produktionskosten niedrig zu halten. In diesem Umfeld „funktionierten“ Mitarbeiter in einem engen Rahmen aus vorgegebenen Regeln und konnten für ihre Aufgaben leicht angelernt werden. Die Anforderungen an die Ausbildung waren gering, ebenso wie die Löhne.

Die Grenzen dieser mechanistischen Führungsgrundsätze in einem dynamischen Umfeld mit zuneh­mender Komplexität, das immer besser ausgebildete Arbeitskräfte erfordert, liegen auf der Hand. Arbeitsinhalte definieren sich heute nicht mehr über standardisierte Aufgaben im Zyklus „Planung-Entscheidung-Anordnung-Kontrolle“. Nicht mehr die Produktion von Gütern oder Dienstleistungen mit einem hohen Anteil an repetitiven, standardisierbaren Tätigkeiten steht im Vordergrund, sondern das flexible Reagieren von Wissensarbeitern auf die täglich neuen Herausforderungen der Märkte sowie das Nutzen von Marktchancen und neuen Technologien.

Unternehmertum im Unternehmen ist dabei gefragt wie nie zuvor, das heißt alle Mitarbeiter und Führungskräfte müssen Entscheidungsprozesse und Verantwortung aktiv mittragen. Mitarbeiter, die bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten gewillt sind, selbstverantwortlich zu arbeiten und permanent entwicklungsfähig bleiben, sind in einer solchen „Kreativwirtschaft“ von unschätzbarem Wert.

Mit Unsicherheit leben: neue Anforderungen und Herausforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte

Die Kreativwirtschaft stellt neue Herausforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte. Peter F. Drucker unter­scheidet die Aufgaben von Führung und Management in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch wie folgt:

  • „Fundamental wichtig für die Arbeitsausübung ist die Sinnfrage: Wo ist mein Platz, wo ist mein Beitrag“ (doing the right things)? Die Führungskraft muss also Orientierung geben.
  • „Die Aufgabe des Managements besteht darin, Menschen geplant in die Lage zu versetzen, gemeinsam Leistung zu erbringen.“ Für Manager geht es darum Mitarbeiter anzuleiten, vorhandene Konzepte umzusetzen (doing things right).

In einem Umfeld, in dem Zielvorgaben täglich mit neuen Markt- und Technikanforderungen zusammen­treffen, werden „the right things“ zunehmend ambivalent. Führungskräfte verfügen nicht mehr allein über die notwendigen Informationen und das Know-how, um Produktions- und Projektpläne zu erstellen. Ein zentrales Charak­teristikum von „Wissensarbeit“ ist auch, dass deren Inhalte durch Denkleis­tungen erbracht werden. Dabei können Ziele, selten aber konkrete Arbeitsergebnisse vorgegeben werden. In der Folge verwischen die Grenzen immer mehr zwischen

  • Führung und Management,
  • Management und Umsetzung,
  • Entwicklung und Produktion und
  • Strategie und Taktik.

Je besser die Wissensarbeiter die Ziele verstanden haben, desto eher werden erwartete und tatsächliche Ergebnisse zusammenfallen. Je nachdem, wie viele Grundsatzfragen dabei auftauchen, müssen die richtigen Umsetzungspläne auch noch einmal besprochen und gegebenenfalls überarbeitet werden. Dieser konfliktreiche Diskussions­prozess ist zeitintensiv. Die Zeitspanne vom „Go“ der ersten Führungs­ebene bis zur tatsächlichen Realisierung wird entsprechend größer, während der Zeitdruck vom Markt her stärker wird.

Ein Phänomen, das bei der Einführung des LKW-Mautsystems „Toll Collect“ 2003 und 2004 zu beobachten war und das sich auch aktuell bei der Entwicklung und Auslieferung der neuen Jumbojet-Generation (Boeing 787 und Airbus A380) – und nicht nur dort – wiederholt.

Die Konfrontation mit Vorgaben, die nicht haltbar sind, und die Nutzlosigkeit der dafür geleisteten (Planungs-) Arbeit sind schmerzhaft für alle daran beteiligten Personen. Fehlen jedoch die richtigen Pläne, so könnten Manager alles richtig machen und täten doch das Falsche. Eine tragische Perspektive: Mit ungeheurem Fleiß und Detailgenauigkeit würden Pläne umgesetzt, die wenig bewirken können. Wenn aber eine Organisation, die die Produktivität fördern soll, die eigene Produktivität erlebbar behindert, so wäre dies auch emotional sehr unproduktiv. Ein Wissensarbeiter muss und wird sich deswegen ständig fragen: Bin ich in der richtigen Organisation und fördert diese Organisation meine Produktivität? Doch wer weiß, wer und was produktiv macht?

Die Herausforderung für Führungskräfte liegt hier einerseits darin, die klassischen Projektziele Qualität, Zeit und Kosten im Auge zu behalten. Andererseits müssen neue Bedingungen und Notwendigkeiten, die bei der Umsetzung deutlich werden, auch angemessen Berücksichtigung finden können. Die Folge: Das Management-Paradigma „Planung-Entscheidung-Anordnung-Kontrolle“ wandelt sich zu einem partner­schaftlichen Diskurs zwischen Managern und Mitarbeitern (Wissensarbeitern).

Auch im universitären Umfeld haben partizipativ-partnerschaftliche Führungsstile langfristig mehr Erfolg als auf Konkurrenz abstellende Organisationsformen, so die Ergebnisse von Prof. Dr. oec. Jan Hendrik Fisch vom Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement sowie Entrepreneurship an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Fisch untersuchte im Auftrag des deutschen Wissenschaftsrates folgende Fragen:

  • Mit welcher Führ­ungsform lassen sich die besten Forschungsleistungen erreichen? 
  • Welche Organisationsform ermöglicht schnellere und bessere Ergebnisse?

Die besten Forschungsleistungen werden gemäß seiner Untersuchung in Arbeitsgruppen erzielt, in denen es die Führungskraft versteht, ein kooperatives Klima zu schaffen und interaktive Prozesse auf die richtigen, gemeinsamen Ziele zu lenken. Führungsverhalten, das Konkurrenz zwischen den Arbeitsgruppen fördert, führt zwar kurzfristig zu guten Ergebnissen. Nachdem es in einem solchen Umfeld aber immer Gewinner und Verlierer gibt, wird langfristig Vertrauen zerstört, das Klima durch Ressentiments und Rachegefühle vergiftet und damit die Nachhaltigkeit infrage gestellt.

Konstruktiv-partizipativer Führungsstil: Unternehmer im Unternehmen fördern

Führungskräfte können Voraussetzungen und Rahmenbedingungen schaffen, um die Mitarbeiter für ihre neuen Aufgaben zu motivieren. Neues zu probieren und ausgetretene Pfade zu verlassen erfordert Mut. Dieser kann trainiert und muss dauerhaft kultiviert werden (vom Sicherheits­denken zu lösungsorien­tiertem Denken). Dazu gehört auch, über die gemeinsame Reflexion und Analyse hinaus, gemeinsam Handlungsszenarien und Entscheidungsalternativen zu entwickeln.

In ihrem Buch „Management by Sokrates“ zeigen beispielsweise Roger Wisniewski und Michael Niehaus auf, wie durch gezieltes und systematisches Hinterfragen des vermeintlich Selbstverständlichen, nachhaltigere und bessere Lösungen erzielt werden können (von der reinen Aufgabenorientierung zur Diskurs- und Mitarbeiterorientierung).

Ein wichtiger Punkt ist die Förderung der intrinsischen Motivation von Mitarbeitern. Ziel: Weg vom Sicherheitsdenken hin zu konstruktiv-lösungsorien­tiertem Denken. Da die Arbeitsbedingungen in einem unsteten Umfeld komplexer und fordernder sind, müssen Mitarbeiter selbstbestimmter werden, um handlungsfähig zu bleiben. Selbstmanagement ist der Schlüssel zu innerlich befriedigender Arbeit.

Die Erkenntnisse der kognitiven Psychologie, die sich mit dem Funktionieren von Gedanken, Annahmen und Absichten, die menschliches Verhalten formen, beschäftigt, unterstützen diesen Ansatz. Menschen regulieren sich danach von Natur aus selbst. Deswegen engagieren sie sich für Ziele, überwachen ihr Erreichtes, passen sich an und lernen. In Anlehnung an Maslows Bedürfnis-Pyramide lassen sich dafür die folgenden Motivatoren beschreiben:

Zur Abbildung: Die menschlichen Bedürfnisse bilden die „Stufen” der Pyramide und bauen dieser eindimensionalen Theorie gemäß aufeinander auf. Der Mensch versucht demnach, zuerst die Bedürfnisse der niedrigsten Stufe zu befriedigen, bevor die nächste Stufe zum neuen und stärkeren Bedürfnis wird.

Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern helfen, durch geeignetes Selbstmanagement ihre Fähigkeiten zu entfalten und sich immer weiter zu verbessern, werden zu Partnern oder Trainern. Die intrinsische Motivation fördern sie, indem sie ihren Mitarbeitern Perspektiven aufzeigen, deren Arbeit anerkennen und Aufgaben delegieren, die Ansehen und Aufstiegschancen bieten.

Darüber hinaus fördern und fordern diese Vorgesetzten konstruktive Kritik: Jeder darf seine Meinung äußern, solange er es eben konstruktiv tut. Das heißt, nie wird eine Person angegriffen, ausschließlich die Sache wird kritisiert. Sie helfen ihren Mitarbeitern, die Ressourcen und Unterstützung zu bekommen, damit sie in ihrer Arbeit bestehen.

Ziel muss es sein, den Übergang von einer reinen Aufgabenorientierung hin zu einer Mitarbeiterorientierung zu gewährleisten, wo der Diskurs im Mittelpunkt steht. Der Organisationsberater Prof. Fritz B. Simon von der Privatuniversität Witten/Herdecke bezeichnet moderne Führungskräfte auch als „Kommunikationsgestalter“. Sie schaffen Rahmen­bedingungen, damit im Unternehmen konstruktiv kommuniziert werden kann.

Nach Roger Fisher, William L. Ury und Bruce M. Patton von der Harvard Law School entstehen viele Konflikte, weil Menschen nicht nach den Interessen und Motiven fragen, die hinter den Positionen ihrer Kollegen oder Geschäftspartner stehen. In ihrem Buch „Das Harvard-Konzept“ empfehlen sie für Verhandlungen wie auch für den Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen ein neues „Mindset“:

1. Menschen: die persönliche Ebene verstehen

Jede Kommunikation hat eine Sachebene und eine persönliche Ebene. Schwierig wird es immer dann, wenn sich beide Ebenen vermischen. Das kann jedoch vermieden werden, indem man sich zunächst bewusst um den menschlichen Part in der Kommunikation kümmert. Geben Sie der anderen Seite Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen.

2. Interessen: Wünsche und Motive verstehen

Finden Sie heraus, worum es Ihrem Gegenüber wirklich geht und fragen Sie nach dem Warum. Oftmals werden Sie feststellen, dass die gemeinsamen Interessen näher beieinander liegen als Sie glaubten. Wichtig ist, dass Sie Ihre Interessen artikulieren, aber im Gegenzug auch die des Anderen berücksichtigen.

3. Möglichkeiten sondieren: ergebnisoffen in Gespräche eintreten

Ein Kardinalfehler ist, mit einer vorgefertigten, fixen Lösungsidee in Gespräche zu gehen und diese auch umsetzen zu wollen. Selten gibt es die einzig richtige Lösung. Stellen Sie vielmehr sicher, dass Sie ein umfassendes Verständnis des Verhandlungsgegenstandes, der Haltung und Motivation Ihres Verhandlungspartners sowie genügend Kreativität im Gespräch entwickeln.

4. Möglichkeiten objektiv bewerten: Kriterien für eine gute Lösung frühzeitig festlegen

Wenn sich gegensätzliche Interessen nicht durch „Win-Win-Bestrebungen“ und gute menschliche Beziehungen überbrücken lassen, sollten objektive Kriterien gefunden werden, die beide Seiten anerkennen können.

Die Ursprünge dieses Prinzips lassen sich auf das „Managerial Grid“ von Robert Blake und Jane Mouton zurückführen. Ein wissenschaftliches Modell, das die Kombinationsmöglichkeiten von Aufgaben- und Mitarbeiter­orientierung im Management aufzeigt:

Der Führungsstil "Teammanagement" gilt Blake und Mouton dabei als optimal, mittlere und hohe Ausprägungen sowohl der Aufgaben- als auch der Mitarbeiterorientierung als erstrebenswert. Gerade wenn es darum geht, neue Wege zu gehen und dabei unausgesprochene Normen sowie über­lieferte Verhaltensmuster über Bord zu werfen, brauchen Mitarbeiter Sicherheit, um die Angst vor dem Neuen zu verlieren und Widerstand in Veränderungsbereitschaft zu wandeln.

Der Schlüssel, um unternehmerisches Handeln zu forcieren, ist eine offensive Kommunikation. Eine konstruktive Gesprächsführung ist ganz entscheidend für den Erfolg des Führungsstils. Dabei sollten sich Führungskräfte zunächst auf aktives Zu­hören beschränken und sich für die Ideen ihres Gegenübers öffnen. Erst wenn die Sicht der Mitarbeiter verstanden und ein vertrauensvolles Klima hergestellt wurde, sollten sie ihre eigenen Anliegen und Ideen einbringen. Wenn es Führungskräften gelingt, Vertrauen erfolgreich aufzubauen, werden ihre Mitarbeiter notwendige Veränderungen auch mittragen und mitgestalten. Entscheidend ist, dass jeder seine Gefühle zeigen darf, auch eine kontroverse Meinung akzeptiert wird und die Motivation zur Veränderung vorhanden ist.

Fazit und Ausblick

Heutzutage wird ein Unternehmen nur dann dauerhaft erfolgreich am Markt bestehen, wenn die Mitarbei­ter sich mit allen ihren Fähigkeiten voll einbringen: Eigeninitiative, Zuverlässigkeit, Kreativität, Fach­wissen und Erfahrung, fachliche und emotionale Kompetenz – kurz: Commitment.

Schaffen Sie deshalb ein geeignetes Umfeld, das Kreativität, Initiative und Ideenreichtum erblühen lässt. Schaffen Sie Raum für Experimente und diskutieren Sie, wo sinnvolles "Ausprobieren" der neuen Freiheit (Platz zum Lernen) stattfinden kann. Bieten Sie dabei Unterstützung in Form eines Erfahrungsaustausches an. Über Hierarchie- und Ressortgrenzen hinweg kann durch partizipative, personenorientierte Führung ein Klima für Spitzenleistungen geschaffen werden.

Die beschriebenen Trends werden sich – bedingt durch steigende Unsicherheit im Zuge der Finanzkrise – in naher Zukunft eher noch verstärken. So betrachtet lässt sich der eingangs zitierte Obama-Slogan auch umgekehrt lesen:

„(Business) Administration has ended – transition has just begun.“

Externe Projektmitarbeiter und Berater können Führungskräften helfen, "Unternehmensdogmen" konstruktiv zu hinterfragen und ein neues Kommunikationsverhalten einzuüben. Andererseits ist die Bilanz von Change-Management-Projekten eher ernüchternd: Nur jeder vierte Manager ist mit den selbst gestalteten Veränderungsprozessen "voll zufrieden", so das Ergebnis einer Studie der TU München unter 200 Change-Managern. Arnold Picot vom Institut für Information, Organisation und Management an der Ludwig-Maximilians Universität München geht ebenfalls "bei tiefgreifenden Veränderungsprojekten von einer sehr hohen Fehlschlagsquote zwischen 40 und 70 Prozent aus".

Voraussetzung für den Erfolg von Veränderungsprojekten ist deshalb, ausgehend von der Analyse der Ausgangssituation klare inhaltliche Projektziele zu setzen und die darauf gezielt abgestimmten Entwicklungsmaßnahmen auch zu verfolgen. Ein „Change-Spielplatz“, bei dem am Wochenende im Hochseilgarten, beim River Rafting oder beim Grillen versucht wird, Gruppenprozesse außerhalb des Arbeitsplatzumfelds zu stimulieren, wird diesen Anforderungen nicht gerecht und als alleinige Maßnahme auch in den seltensten Fällen nachhaltig erfolgreich sein.

Dazu im Management-Handbuch

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