ControllerVom Zahlen-Spezialisten zum Partner des Managements

Wenn Unternehmen fusionieren, hat dies meist auch weitreichende Konsequenzen für die Controller und deren Arbeit. Stolpersteine sind dabei in der Regel vorprogrammiert. Wie sich ein solcher Prozess erfolgreich meistern lässt, zeigt das Beispiel der Münchener Cirquent GmbH.

Merger und Acquisitions sind heutzutage an der Tagesordnung. Meist wird jedoch sehr schnell deutlich, dass nicht nur unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinanderprallen, sondern dass auch die Controlling-Standards der beteiligten Firmen sehr verschieden sind. Dies zeigte sich auch bei der Softlab Group, die seit Anfang 2008 als Cirquent GmbH firmiert. Nachdem die Softlab Group 2004 die Beratungsunternehmen axentiv, anite, entory und F.A.S.T. aufgekauft hatte, offenbarte sich, dass die jeweils bestehenden Controlling-Systeme, Supportstrukturen, Reports und Regelwerke gänzlich verschieden waren und daher angepasst sowie vereinheitlicht werden mussten.

Außerdem sollte sich das Rollenverständnis der Controller dahingehend verändern, dass sie als Business-Partner des Managements fungieren können. Dieses neue Rollenverständnis wurde relevant, da sich bei den Cirquent-Kunden und im Markt insgesamt ein Wandel vollzogen hatte. Projekte lassen sich nun nicht mehr wie früher in der Regel nach Aufwand abrechnen, sondern die Kunden verlangen immer häufiger verbindliche Festpreise. Dies birgt zwar Chancen, aber auch deutlich höhere Risiken. Der wirtschaftliche Erfolg der Cirquent GmbH hängt somit noch stärker davon ab, wie aussagekräftig die Zahlen, Daten und Fakten sind, die die Controller dem Management als Steuerungsinformation zeitnah zur Verfügung stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, initiierten die Controlling-Verantwortlichen bei Cirquent umfassende Change- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen, die beginnend 2004 bis heute umgesetzt wurden und werden.

Im ersten Schritt wurde das bislang regional aufgeteilte Controlling zentralisiert sowie die Systemlandschaft harmonisiert und die Reports der Business-Controller vereinheitlicht. Ergänzend wurden ein inhaltliches Projektcontrolling und eine neue Practice zum Thema Projektmanagement - Project Management Office (PMO) genannt - etabliert. Beides war eine Reaktion auf die Tendenz zu Festpreisprojekten. Gleiches gilt auch für die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Practice Projektmanagement (PMO), die für das inhaltliche Projektmanagement zuständig sind, und den Business-Controllern, die das betriebswirtschaftliche Projektcontrolling verantworten. Gemeinsam finden nun regelmäßig Review-Runden statt, werden die Projektreportings mit qualitativen Ampelcharts verzahnt, und gemeinsam erfolgt auch die Risikosteuerung der Projekte (vgl. Abb. 1 und 2).

Systematisierung des Wandlungsprozesses

Natürlich war den Cirquent-Verantwortlichen bewusst, dass es nicht reicht, neue Controlling-Tools (hard facts) einzuführen. Schließlich muss jeder einzelne Mitarbeiter bereit und in der Lage sein, das neue System tatsächlich zu ‚leben’. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigte sich beispielsweise daran, dass – begünstigt durch die Aufteilung der Bereiche auf ganz Deutschland – einzelne Mitarbeiter business as usual, also nach dem alten System, machten.

Zur Unterstützung wurde daher ein erfahrener Change-Experte als Berater engagiert, der den Cirquent-Verantwortlichen coachte und den Prozess in den wichtigen Phasen begleitete. Im Gegensatz zu den üblichen, meist personenzentrierten Coaching-Ansätzen standen bei diesem Coaching die Business-Themen und damit der Nutzen für das Unternehmen im Fokus.

Mit dem Coachee wurde zunächst ein Businessplan erarbeitet, der aus drei Teilen bestand. Der erste Teil diente zur Standortbestimmung im Sinne einer Orientierung. Der zweite Teil umfasst die Positionierung des Controllings innerhalb des Unternehmens und enthielt den Zukunftsentwurf sowie die Konkretisierung des Vorhabens aus Sicht der Führungskraft. Und der dritte Teil beschrieb die Realisierung, wie das gesamte Vorhaben mithilfe konkreter Maßnahmen und Projekte umgesetzt werden sollte (s. Abb. 3).

Intensiv setzten sich Coachee und Coach mit den Zielen, Selbstverständnis, Kunden, Leistungsportfolio, Prozessbeschreibung und den Change-Fragestellungen des Controlling-Bereiches auseinander. Die betriebswirtschaftliche Fokussierung auf Themen wie Ressourcenzuordnung, Aufwands-/ Nutzenüberlegungen sorgte für Transparenz und Handlungsfähigkeit. Durch die schriftliche Fixierung des Business-Plans ließen sich die Vorhaben viel leichter den Vorgesetzten und Mitarbeitern darstellen. Somit entstand die notwendige Grundlage, wie das Change-Projekt erfolgreich bewältigt werden konnte.

Betroffene zu Beteiligten machen

Ein wichtiges Ergebnis des Coachings bestand darin, alle Controller systematisch in den Prozess mit einzubeziehen. Aufgrund der dezentralen Struktur, die Controller sind bundesweit verteilt und arbeiten als virtuelles Team, sollten sie sich zunächst besser kennenlernen und zu einer starken Gemeinschaft zusammenwachsen. Dazu wurde eine Outdoor-Teambuilding-Maßnahme durchgeführt. Anschließend galt es, dass die Controller ein anderes Rollenverständnis entwickelten, um vom Management als Business-Partner auf Augenhöhe akzeptiert zu werden. Davon waren einzelne zu diesem Zeitpunkt aber noch weit entfernt. Die Professionalisierung des Controllings sah daher vor, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Management als interne Kunden vorsieht, denen selektive Dienstleistungen angeboten werden (siehe Abb. 4).

Um dieses neue Dienstleistungsverständnis für das gesamte Business-Controlling zu verankern und um ein nach einheitlichen Standards synchronisiertes Service-Angebot zu etablieren, wurden mit den Controllern in Intervallen mehrere Workshops unter Leitung des Beraters durchgeführt. Schließlich mussten sie zum Beispiel lernen, wie sie mit „mächtigen“ Kunden umgehen und es einrichten, von diesen akzeptiert und als kompetente „Business-Partner“ wahrgenommen zu werden. Voraussetzungen dazu sind, dass man sich als Controller mit den Zahlen auskennt, sie im Sinne des Managers hilfreich interpretieren kann, das notwendige Standing im Umgang mit selbstbewussten und kritischen Managern hat und ihnen auf Augenhöhe begegnen kann sowie die jeweilige Einheit über best-practice-Ansätze challengen zu können.

Der Berater schärfte auch das Bewusstsein dafür, dass es einen Unterschied zwischen der für Controller typischen Sachlogikwelt und der politischen Logikwelt des Managements gibt. Politische Logikwelt bedeutet, dass das Top-Management unternehmerische Entscheidungen trifft, die aus betriebswirtschaftlicher Perspektive nicht immer nachvollzogen werden könnten, für das Unternehmen aber von zentraler Bedeutung sind.

Letztlich trugen die Workshops wesentlich dazu bei, die Vision des „Navigators“ zu festigen und, dass die Controller lernten, dem Management ihre Leistungen als versierte Business-Partners, und nicht wie bisher als Zahlen-Experten (Number Cruncher), anzubieten und zu verkaufen.

In den Workshops wurde des Weiteren auch gemeinsam eine Grundstruktur der Service Level Agreements erarbeitet. Hier wird definiert, welche internen Kunden, welche Daten in welcher Qualität zu welchem Zeitpunkt erhalten. Diese präzisiert seitdem die Rolle des Business-Controllings, hält die Prozessverantwortung, die eingesetzten Systeme und die Leistungen bzw. Aufgaben fest. Mithilfe dieser Struktur wird seitdem erreicht, dass jederzeit alle relevanten Projektdaten verfügbar sind, die die Business-Controller in ihrer neuen Funktion als Teil des Management-Teams des jeweiligen Betreuungsbereiches nutzen können. Ein wichtiger Grund für das neue Service-Offering ist auch die unternehmensweite Einheitlichkeit der Leistungen. Beispielsweise moderiert der Business-Controller im Auftrag des jeweiligen Bereichsleiters und des Controlling-Bereichsleiters die relevanten betriebswirtschaftlichen Themen, etwa den monatlichen Rolling-Forecast-Prozess über die nächsten vier Quartale.

Ohne Treiber geht nichts

Wie bei derart komplexen Veränderungsmaßnahmen üblich, gab es bei der Umstrukturierung des Controllings Hemmnisse und Treiber. Beispielsweise gab es bei den Gesellschaften vor der späteren Verschmelzung Bedenken, nicht mehr „Herr der Zahlen“ zu sein sowie, dass Autonomie und Einflussmöglichkeiten eingeschränkt würden. Diese Bedenken waren zum Teil begründet. Doch in den Workshops erkannten die Controller sehr schnell, wie sehr sie davon profitieren, dass die Controllingsysteme nun standardisiert und ihre Tätigkeiten durch die Neudefinition ihrer Rolle spürbar aufgewertet wurden. Das motivierte und gab dem Wandlungsprozess den notwendigen Schwung.

Und diese Motivation war ganz wesentlich für den Gesamterfolg der Verschmelzung. Denn aufgrund der immer wieder erforderlichen Änderung der Organisationsstruktur mussten auch die Reportingstrukturen stets auf´s Neue angepasst werden. Das führt zu einer andauernden Zusatzbelastung, erfordert laufend Überleitungen zu historischen Daten und frustrierte durchaus so manchen Controller. Daher waren neben den Workshops auch viele Einzelgespräche des Change-Verantwortlichen mit den Mitarbeitern und den Managern erforderlich, um das Gesamtprojekt auf der Erfolgsspur zu halten. Sukzessive gelang es auf diese Weise zu erreichen, dass die Controller das angestrebte Dienstleistungsverständnis mittlerweile ‚leben’ und umsetzen. Der beste Beweis dafür ist die nun hohe Akzeptanz seitens des Managements, denen die Controller tagtäglich beweisen, wie wichtig ihr Input für den Erfolg des Unternehmens ist.

Natürlich ist ein solcher Wandlungsprozess allein schon aufgrund des sehr dynamischen Umfeldes nie ganz abgeschlossen. Daher wird bei Cirquent auch in Zukunft weiterhin daran gearbeitet werden, die Flexibilität der Servicestrukturen im Controlling weiter auszubauen, das Dienstleistungsverständnis noch zu vertiefen und die Controller als versierte und erfahrene Business-Partner für das Management zu etablieren.

[Bild: Fotolia.com]

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