Customer firstDer Kunde steht an erster Stelle
Unternehmen geben oft so unglaublich viel Geld aus, um neue Kunden zu gewinnen. Doch kaum sind sie endlich eingefangen, wird an allen Ecken und Enden gespart: Mitarbeiter werden nicht trainiert, es sind zu wenige da, sie haben keine Lust – oder Frust. Sie werden schlecht geführt, sie haben keine Ressourcen, keinen Spielraum und keine Ideen, um ihre Kunden zu begeistern und schließlich zu loyalisieren. Diese fühlen sich nachlässig. behandelt, gemobbt, angeödet und schließlich vertrieben.
Menschen zweiter Klasse
Die Vernachlässigung der Bestandskunden als ‚Zweite-Klasse-Kunden‘ und die parallel verlaufende Vernachlässigung ihrer Betreuer als ‚Zweite-Klasse-Verkaufsmitarbeiter‘ zieht sich wie ein roter Faden durch die Managementdenke der letzten Jahrzehnte. Hingegen ist in gesättigten Märkten eine Fokussierung des gesamten Unternehmens auf die dauerhafte Loyalität seiner Kunden zunehmend die einzig verbleibende Möglichkeit für eine prosperierende Zukunft.
Doch wie viele Unternehmen beschäftigen tatsächlich ihre bestbezahlten Mitarbeiter im Bestandskunden-Kontakt? Die Kundenjäger (= Hunter) sind die Helden vom Dienst und werden fürstlich entlohnt. Die Farmer (= Innendienstler) werden hingegen ins Back(!)office verfrachtet und stehen damit im Hintergrund. Oder wir finden sie eingepfercht in den ‚Hühnerställen‘ interner Callcenter wieder, wo die Mitarbeiterfluktuation hoch und die Anerkennung niedrig ist. Sie sind die B-Mannschaft, die zweite Wahl. Dementsprechend werden sie auch bezahlt. Und so kommt das dann auch beim Kunden an.
Allerdings: Die anspruchsvollen und selbstbewussten Kunden von heute werden sich vieles einfach nicht mehr bieten lassen. Ihre beste Waffe heißt Loyalität. Wer nicht spurt, dem kehrt man den Rücken. Und im Internet erzählt man der ganzen Welt, warum. Also besser: Customer first! Der (Stamm-) Kunde gehört an die erste Stelle. Er entscheidet über das Leben und Sterben eines Unternehmens. Und wie sieht es in der täglichen Praxis aus? Schauen wir uns mal ein wenig um.
Unternehmensseiten im Internet
Internetauftritte sind virtuelle Verkaufsgespräche. Doch viele beginnen so: „Wir über uns.“ Das steht jedenfalls auf dem ersten Navigationspunkt. Was dann folgt, ist Selbstbeweihräucherung und Eigenlob. Würde ‚Wir für Sie‘ nicht ansprechender klingen? Und wäre es nicht deutlich wirkungsvoller, wenn einen die Kunden loben?
Also: Reden nicht Sie über sich und drehen Sie keine geschönten Werbefilme, lassen Sie vielmehr Ihre Kunden Referenz und Testimonial sein. Sammeln Sie systematisch positive Kundenaussagen und Erfolgsgeschichten: schriftlich und auch per Video. Stellen Sie das dann ins Web. Wenn einer Spitzenleister ist, dann ist es doch wohl am glaubwürdigsten, wenn dies nicht von den Unternehmen selbst behauptet, sondern von begeisterten Kunden bezeugt wird. Darüber hinaus lässt sich statt eigener Leistungszahlen die wirtschaftliche Erfolgskurve solcher Kunden zeigen, die schon lange mit Ihnen zusammenarbeiten. Und was löst das beim Leser aus? Einen Das-will-ich-auch-haben-Reflex.
Verkaufspräsentationen
Schauen wir nun beim Vertrieb vorbei! Agiert er selbstzentriert oder kundenverliebt? Wie stellt man sich beispielsweise beim Kunden vor? In den meisten Verkaufspräsentationen geht das seitenlang so: Wir sind… Wir haben… Wir können… Wir bieten… ! Mit anderen Worten: Ich erzähle Ihnen jetzt mal, wie toll wir sind. Schließlich auf der letzten Seite: der Logofriedhof mit den bestehenden Kundenbeziehungen. So lernt man dann: Der Kunde kommt zum Schluss. Dabei müsste er doch gerade im Vertrieb an erster Stelle stehen. Der Kunde und nicht das eigene Unternehmen ist der Held. Deshalb: Montieren Sie mal das Gesicht des Kunden in Ihre nächste Präsentation. Der Erfolg wird wahrscheinlich ein durchschlagender sein.
In schriftlichen Angeboten sieht es meist besonders langweilig aus: Produktvorteile statt Lösungen, Buchstaben- und Zahlenwüsten, listenhafte Aufzählungen, lieblose Abkürzungen, Zwischensumme, Endsumme. Öde, langweilig, austauschbar. Keine Emotionen, keine Bilder, niemand weit und breit, der sagt, wie toll es ist, mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Bei so einem Look entscheidet immer der Preis! Also ab morgen: Lassen Sie begeisterte Kunden über die Vorteile einer Zusammenarbeit reden. Denn wer heute kauft, konsumiert oder investiert, vertraut eher den Ratschlägen vertrauenswürdiger Kunden als den Hochglanzbroschüren der Anbieter am Markt.
Ein kundenorientiertes Leitbild?
Anstatt die eigene Herrlichkeit zu feiern und sich aufs Marktführer-Podest zu wünschen, sollten Unternehmen es als ihre Mission ansehen, ihren Kunden (und deren Kunden) zu helfen, noch erfolgreicher zu sein. Meistens beginnen Leitbilder aber vollmundig mit ‚wir‘. Zum Beispiel so: „Wir sind die Nr. 1 unserer Branche und stehen für …“ Die Kunden sucht man oft vergebens. Dabei ist doch sonnenklar: Es sind die Kunden, die einen zur Nummer eins machen – oder auch nicht. Es macht einen Riesenunterschied in Denken und Handeln, ob das Unternehmen selbst oder die Kunden an erster Stelle im Leitbild stehen.
Bei Intuit, einem Hersteller von Finanzsoftware, heißt es beispielsweise: „Der Kunde soll sich mit unseren Produkten so wohlfühlen, dass er fünf Freunden sagt, sie sollten es ebenfalls kaufen.“ Das tönt sicher nicht so glattgebürstet wie die von Werbeagenturen aufgehübschten Mission Statements aus den Zeiten vor der Krise, und das ist auch gut so. Denn mit gekünstelter Leitbild-Prosa kann niemand etwas anfangen. Bei dem schlicht formulierten Intuit-Satz hingegen versteht jeder im Unternehmen, was zu tun ist und wohin die Reise geht.
Auf den Gängen und in der Kaffeeküche
Ist das Leitbild geprüft und der Blick geschärft, ist ein Spaziergang durch die Firma angesagt. So sind gerade die öffentlichen Bereiche produzierender Unternehmen meist ein reines Selbstverherrlichungsprogramm: Maschinenteile, Miniaturen von Fertigungsanlagen, Luftbildaufnahmen, Gründerportraits, eine mit den Niederlassungen befahnte Landkarte, Urkunden und Pokale. Die Kunden sucht man dort vergebens.
Es geht aber auch anders. So schickte der Markenartikelhersteller Procter & Gamble Fotografen los, um abzulichten, wie die Kunden die einzelnen Produkte benutzen. Diese wurden dann in der Firmen-Cafeteria aufgehängt.
Apropos Cafeteria: Welche ‚lustigen‘ Sprüche über ätzende Kunden hängen bei Ihnen an den Pinnwänden rum? Und was wird auf den Gängen, in der Kaffeeküche und in der Raucherecke über die Kunden erzählt? Gibt es da Nullchecker-Kunden? Reklamationszicken? Psychos am Telefon? Gerade im Innendienst ist der Frust oft groß, und so kommst es schnell mal zu solchen Auswüchsen. Da kann ich nur raten: Achten Sie darauf, wie über Ihre Kunden gesprochen wird, denn Sie werden genau solche Kunden bekommen! Und niemand hält es in einem solchen Klima lange aus. Kunden wie auch gute Mitarbeiter werden schnell die Flucht ergreifen.
Der Verlauf eines Meetings
Alles dreht sich in Meetings um Zahlen, Daten, Fakten, Prozesse und Projekte. Sich-mit-sich-selbst-Beschäftigen steht auf dem Programm. Kunden auf der Agenda? Fehlanzeige! Das lässt sich leicht ändern. Der erste Tagesordnungspunkt könnte fortan lauten: Der Kunde spricht. Und dann wird reihum über Erfolgsstories berichtet. Geschichten, die man drinnen im Unternehmen erzählt, werden auch nach außen dringen. Erzählen Sie also die Geschichten, die man über Sie erzählen soll. Reden Sie über Resultate und nicht über Probleme! Von einem Sieger-Image werden alle wie magisch angezogen: die Investoren, die Mitarbeiter und die Kunden.
Folgende Frage gehört auf jede Meeting-Agenda: „Woran erkennen unsere Kunden, dass wir hier nicht nur Sonntagsreden schwingen, sondern dass sie bei uns tatsächlich an erster Stelle stehen?“ Beim Fertighaushersteller Town & Country sitzt dazu symbolisch eine Kundin mit am Besprechungstisch: eine lebensgroße Puppe namens Uschi. Und immer, wenn Entscheidungen anstehen, wird gefragt, was Uschi dazu sagen würde: Welche kritischen Anmerkungen hätte sie? Und welche Anregungen? Was müsste anders laufen? Wie könnte es so gemacht werden, dass es die Kunden lieben? Wie könnte es gehen, dass alle im Markt drüber reden - und uns aktiv weiterempfehlen? Solche Fragen können auch bei Ihnen kleine Vertriebswunder bewirken.
Die Stammkunden-Kultur
Schauen wir nun bei all denen vorbei, die für die Bestandskunden-Betreuung zuständig sind. Ihr Ziel könnte lauten: Jedes mal, wenn ein Kunde anruft, wenn er zu uns kommt oder wir zu ihm gehen, sehen wir das als Chance, sein Anliegen auf eine solch begeisternde Art und Weise zu bearbeiten, dass er allen Grund hat, wieder zu kaufen und gut darüber zu reden.
Insgesamt ist meine Erfahrung allerdings, dass in der Bestandskunden-Betreuung viel zu sehr nur standardmäßig abgewickelt wird, ohne gezielt nach weiteren Verkaufschancen zu suchen. Oder man geht zu dilettantisch an das Mehr- und Höherwertig-Verkaufen heran. Versuchen Sie es doch statt des üblichen „Wir hätten da noch …“ einmal mit der Amazon-Methode, und die geht so: Kunden, die Produkt x gekauft haben, haben auch Produkt y gekauft. Dies ist nur eine Möglichkeit von vielen. Suchen Sie zusammen mit Ihren Mitarbeitern nach weiteren Ideen, finden Sie passende Anlässe und gestalten Sie attraktive Stammkunden-Angebote!
Und damit bei langjährigen Kunden nicht das Gefühl entsteht, dass es immer nur ums Verkaufen geht, bekommen sie von Zeit zu Zeit ein pures Dankeschön. Das klingt dann zum Beispiel so: „Lieber Kunde, heute ist unser Danke-Tag. Deshalb wollen wir danke sagen dafür, dass Sie nun schon seit … unser Kunde sind. Unsere Freude darüber ist groß, und deshalb haben wir uns für Sie etwas einfallen lassen … .“ Oder: Sie richten eine Gratulationsabteilung ein. Oder: Sie bedanken sich für automatische Vertragsverlängerungen – und für das prompte Bezahlen der Rechnung. Die Effekte einer solchen Anerkennungskultur können sehr überraschend sein.