Customer Touchpoints und Ideen der Mitarbeiter
Was eine Marketingstrategie wirklich taugt, entscheidet sich an den Touchpoints eines Unternehmens. Touchpoints entstehen überall dort, wo ein (potenzieller) Kunde mit den Mitarbeitern, Produkten, Services und Marken eines Anbieters in Berührung kommt. Dies geschieht auf zweierlei Weise:
Direkt: Zum Beispiel Verkäuferbesuch, Newsletter, Anzeige, Website, Verpackung, Messestand, Hotline, Rechnung oder Reklamation
Indirekt: Zum Beispiel Meinungsportal, User-Forum, Testbericht, Blog, Presseartikel, Mundpropaganda, Tweet oder Weiterempfehlung
An jedem Touchpoint kann es zu positiven und negativen Erlebnisse kommen, die eine Kundenbeziehung stärken oder zermürben beziehungsweise eine Marke kräftigen oder bröckeln lassen. Manche Berührungspunkte sind dabei kritischer als andere. Und oft sind es Kleinigkeiten, die schließlich ganz große Katastrophen bewirken. Jedes Detail kann hierbei Zünglein an der Waage sein.
An jedem einzelnen Touchpoint muss deshalb überlegt werden, wie die Interaktion mit den Kunden besser gestaltet, ihr Leben vereinfacht und ihr Nutzen vergrößert werden kann. Oder wie sie emotional berührt, ihnen Zeit geschenkt und sie immer wieder neu überrascht und begeistert werden können. Hierbei kommt es nicht nur auf das Wissen um Kundenbedürfnisse, Ideenreichtum und adäquate Rahmenbedingungen an, sondern auch auf das Wollen der Mitarbeiter. Denn „Muss-Gesichter“, die wie Aufziehpuppen vorgegebene Standards abarbeiten, mögen Kunden nicht.
Mitarbeiter unternehmerisch involvieren
Wer unternehmerisch handelnde Mitarbeiter will, muss diese an unternehmerisches Denken heranführen. Touchpoint-Optimierungen sollten deshalb im Wesentlichen von den Mitarbeitern selbst erarbeitet werden. Deren Wollen wird immer dann am besten erreicht, wenn sie freiwillig zusagen, in Zukunft eine bestimmte Aufgabe auf eine bestimmte Art und Weise zu erledigen. Begeisterung für die Sache wird auf diesem Weg gleich mitgeliefert. Noch wichtiger ist: Die geplanten Maßnahmen werden auch engagiert umgesetzt, denn sie wurden nicht von oberster Stelle diktiert, sondern in Eigenregie entwickelt. Um die Mitarbeiter interaktiv zu involvieren und deren Kreativität zu nutzen, haben Unternehmen beim Touchpoint-Management drei Möglichkeiten:
- Customer-Touchpoint-Projekt
- Sukzessives Arbeiten an einzelnen Touchpoints
- Touchpoint-Großgruppenveranstaltung
Customer-Touchpoint-Projekte werden nach den üblichen Projektmanagement-Regeln aufgesetzt. Wie das sukzessive Arbeiten an einzelnen Touchpoints im Rahmen eines Meetings aussehen kann und wie eine Touchpoint-Großgruppenveranstaltung abläuft, schauen wir uns im Folgenden genauer an:
Touchpoint-Arbeit im Rahmen eines Meetings
Wenn Sie die Touchpoint-Optimierung als festen Tagesordnungspunkt in Ihren Meeting-Ablauf einbauen, ermöglicht das kontinuierliche Verbesserungen in kürzester der Zeit. Bestimmen Sie dazu ein erstes Meeting und einen ersten Touchpoint, mit dem es losgehen soll. Am Ende des Meetings entscheiden Sie dann, welcher Touchpoint beim jeweils nächsten Mal an die Reihe kommt. So können sich alle gut darauf vorbereiten. Legen Sie einen Zeitraum fest, den Sie maximal für die Bearbeitung dieses Punktes ansetzen wollen, damit sich Diskussionen nicht endlos in die Länge ziehen. Im folgenden Beispiel sind das 30 Minuten.
Fünf Minuten:
Beschreibung eines nicht länger tragbaren Ist-Zustandes, am besten via Storytelling. Dabei wird etwa über eine Reklamation berichtet, die ein Kunde an einem bestimmten Touchpoint hatte, welche Probleme das brachte und welche Konsequenzen das nach sich zog.
Fünf Minuten:
Sammlung von Ideen, wie man diesen Punkt optimieren und damit Ärger in Zukunft vermeiden kann. Hier braucht es zunächst Quantität. Deshalb sollen die Teilnehmer in dieser Phase still und leise arbeiten, damit jeder seine Ideen unbeeinflusst in Worte fassen kann. Diese werden auf Kärtchen notiert und an eine passende Wand gepostet.
Zehn Minuten:
Jeder, der ein Kärtchen geschrieben hat, erläutert kurz und knapp seine Idee. Anschließend erfolgt eine Kurzdiskussion.
Fünf Minuten:
Mehrheitsentscheid für die favorisierte Idee. Der Chef – er ist Moderator dieses Prozesses, damit die Teilnehmer inhaltlich arbeiten können – hat dabei nie das erste, sondern immer das letzte Wort, damit die „Weisheit der Vielen“ genutzt werden kann. Denn oft lässt das Machtwort des Chefs wertvolle Initiativen und dringend benötigte Kreativität einfach versanden. Natürlich verfügt er, soweit vereinbart, über ein Veto-Recht, doch sollte er davon nur ausnahmsweise Gebrauch machen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Mitarbeiter meinungslos an seine Lippen hängen und auf Anweisungen warten.
Fünf Minuten:
To-do-Plan erstellen: Wer macht was mit wem bis wann? Dazu gehört auch ein Folgetermin, um zu besprechen, wie sich die Sache entwickelt, ob weiter feinjustiert werden muss und welche Ergebnisse erzielt worden sind.
30 Minuten sind nicht viel, und dennoch lässt sich bei konzentriertem Arbeiten und mit etwas Übung in dieser Zeit sehr viel erreichen.
Touchpoint-Großgruppenevent: Variante 1
Bei einer Touchpoint-Großgruppenveranstaltung können an einem einzigen Tag zwischen 50 und 100 Mitarbeiter zu unterschiedlichen Touchpoint-Themen konkrete Konzepte entwickeln. Am Vormittag steht dabei ein etwa dreistündiger Impulsvortrag auf dem Programm, der bereits all die Aspekte integriert, die am Nachmittag weiter vertieft werden sollen. Dieser sollte am besten von einer neutralen Person abgehalten werden, die klar und deutlich Ihre Meinung sagen kann.
Am Nachmittag werden die Teilnehmer in Arbeitsgruppen zusammengeführt. Diese bestehen idealerweise aus fünf bis sieben Teilnehmern – abteilungsübergreifend zusammengesetzt und auf gleicher Hierarchie-Ebene angesiedelt. Sind mehrere Hierarchie-Ebenen anwesend, arbeiten die Top-Führungskräfte in einer eigenen Arbeitsgruppe. Denn Hierarchie bremst den Arbeitsfluss einer Gruppe Gleichrangiger anstatt ihn zu fördern. Auf jedem Tisch liegen Arbeitsmaterialien sowie eine bereits vorbereitete Aufgabenstellung: eine konkrete Touchpoint-Thematik, zu der die Gruppe dann gemeinsam ein unternehmerisches Konzept erstellt.
Die erarbeiteten Ergebnisse werden schließlich von einem jeweiligen Gruppensprecher im Plenum präsentiert. Erste Umsetzungsentscheidungen werden sofort durch Mehrheitsentscheid getroffen. Der Chef hat dabei nie das erste, sondern höchstens das letzte Wort. Komplexe Themen werden zeitnah im Anschluss an die Veranstaltung weiterbearbeitet und zügig entschieden.
Touchpoint-Großgruppenevent: Variante 2
Als zweite Variante bietet sich eine Großgruppenveranstaltung an, die formal einem sogenannten BarCamp ähnelt. Auch dabei gibt es einen Impulsvortrag am Vormittag, der bereits eine Reihe interaktiver Elemente enthält. Darauf aufbauend schlagen die Teilnehmer am Nachmittag Themen vor, an denen sie arbeiten wollen. Die einzelnen Arbeitsgruppen entstehen, indem die Teilnehmer sich selbst dem von ihnen favorisierten Thema zuordnen. Besteht großes Interesse zu einem bestimmten Punkt, können auch zwei oder drei Gruppen am gleichen Thema arbeiten. Die Ergebnisse werden in jedem Fall verschieden sein. Das ist positiv zu bewerten, weil dann in der Folge auf mehrere Varianten zurückgegriffen werden kann.
Die anschließende Ergebnispräsentation kann in Form einer Vernissage erfolgen. Dies geschieht meist mithilfe von Pinnwänden, kann aber auch als PowerPoint-Präsentation, per Video oder Schauspiel dokumentiert werden. Das Schauspiel ist übrigens eine sehr interessante Variante. Hier wird etwa ein Kunde dargestellt, der eine eilige Bestellung hat. Dieser beobachtet nun, wie sein Auftrag zwischen den Abteilungen hin- und hergeschoben wird, das es Verzögerungen gibt, wer alles mitredet, nachfragt, ablehnt und gegenzeichnet. Der Kunde sieht auch, wie lustlos das alles passiert – und dass er das alles bezahlen muss. Das Auditorium hat also ausreichend Anlass zum Nachdenken.
Ein abschließender Tipp für beide Varianten: Stellen Sie sicher, dass tatsächlich entscheidungsfähige Konzepte erarbeitet werden und treffen Sie konkrete Entscheidungen bereits während der Veranstaltung! Wenn sich die Geschäftsleitung das letzte Wort vorbehält, alles auf später vertagt oder der Instanzenweg eingehalten werden soll, passiert am Ende nämlich meistens nichts.
Die Praxis zeigt: Es gibt noch immer Manager, die glauben, an den Rändern ihrer Organisation gäbe es kein intelligentes Leben. Dort werden Mitarbeiter ungefragt von oben herab mit unsinnigen Ausführungsbestimmungen konfrontiert und Kunden mit unnötigen Produkten und Services drangsaliert. Massive Kundenfluktuation und Reputationsschäden sind dann die Folge. Nicht so beim Touchpoint Management, denn hier werden vor allem diejenigen aktiviert, die am besten wissen, was Kunden wirklich wollen und welche Rahmenbedingungen es dazu braucht: Mitarbeiter, die täglich ganz nah an den Kunden und Prozessen sind. Großgruppenevents, in denen sich die Teilnehmer gegenseitig befruchten können, sind ein adäquates Mittel, um diesen Wissensschatz zu heben. Und auch die Geschäftsleitung ist begeistert vom Ideenreichtum und eingebrachtem Engagement der Mitarbeiter, wenn sie unternehmerisch mitmachen dürfen.
Hinweis
Von der Autorin ist auch das Buch Touchpoints: Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt erschienen.