DemografiemanagementAltersstrukturen analysieren und simulieren

Um für den demografischen Wandel gewappnet zu sein, sollten Unternehmen die Altersstruktur ihrer Mitarbeiter kennen und daraus passende Szenarien ableiten.

Mit dem Thema Demografie verhält es sich mittlerweile ähnlich wie vor rund 30 Jahren mit der Ölkrise: Experten warnen vor den Folgen, Medien berichten von den drohenden Konsequenzen und Politiker übertreffen sich mit Vorschlägen zur Abwendung der Risiken. Doch irgendwann rückt dieses „Horrorszenario“ in den Hintergrund unseres Bewusstseins und unserer Handlungen, wenn entgegen der allgemeinen Berichterstattung tatsächlich immer neue Ölfelder erschlossen werden.

Doch es gibt es einen Unterschied zwischen dem Ölkrisen-Szenario und dem des demografischen Wandels. So führte die erste Ölkrise zu einer verstärkten Suche nach neuen Quellen an Stellen, die bis dato für technisch nicht erschließbar galten. Qualifizierte Menschen in ausreichender Zahl und in Beschäftigung hingegen sind Grundbausteine für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und Basis gesellschaftlicher Stabilität. Insofern betreffen die Effekte des demografischen Wandels uns direkt und unmittelbar.

Auf dem Arbeitsmarkt übertrifft das Angebot die Nachfrage

Beim Thema Demografie lassen sich nur bedingt neue „Förderfelder“ erschließen, lassen sich nur bedingt Roboter einsetzen, die Menschen ersetzen können. Dieser Mangel wird sich anders als eine Ölkrise direkt in den Unternehmen niederschlagen. Bereits jetzt leiden viele Branchen unter einem Mangel an qualifizierten Fachkräften und die Suche danach ist mit immer mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden. Auf der anderen Seite fallen immer mehr Beschäftigte aufgrund von Alter, Verschleiß oder Fehlforderung länger aus. Für den Rest verdichtet sich die Arbeit zunehmend, Präsentismus, Demotivation und unerwünschte Fluktuation können die Folge sein. Fakt ist: Der Arbeitsmarkt hat sich von einem nachfrage- zu einem angebotsdominierten Markt entwickelt.

Unternehmen benötigen seit geraumer Zeit mehr qualifizierte Beschäftigte. Zugleich steigt der Anteil der Älteren in Beschäftigung dynamisch an. Wirtschaftlich gesehen wird sich demnach der demografische Wandel viel stärker auswirken als gesamtgesellschaftlich gesehen. Maßnahmen wie die Verkürzung der Schulzeit oder die Verlängerung der Lebensarbeitszeit – auch verbunden mit Erleichterungen bei der Zuwanderung – werden diese Entwicklung nur kurzfristig verzögern, aber keinesfalls aufhalten.

Unternehmen können nunmehr darauf warten, inwieweit sich diese Entwicklung auf sie auswirkt, und dann auf die Herausforderungen reagieren. Oder sie entscheiden sich schon im Vorfeld Maßnahmen zu ergreifen, die ihre Chancen verbessern und die Risiken reduzieren. Der passende Begriff für eine solche Strategie lautet „demografiestabiles Personalmanagement“. Wie bei allen Managementaufgaben sollte die Ausgangslage gründlich analysiert und ein Set solider Basiskennzahlen vorgelegt werden, anhand dessen sich die Auswirkungen wahrscheinlicher Entwicklungen prognostizieren lassen. Die Ergebnisse dieser Prognosen liefern dann die Basis für ein demografiestabiles Personalmanagement.   

Einteilung der Belegschaft nach der Altersstruktur

Unternehmen sollten sich Zeit zur Analyse der Ausgangssituation nehmen und sich einen soliden Überblick über die Vielzahl unterschiedlichster Altersstrukturmuster verschaffen. Die Analyse kann beispielsweise anhand von Standorten, Kostenstellen, Bereichen, Hierarchiestufen oder den Informationen aus der Stellensystematik differenziert werden. Diese einzelnen Analysebereiche lassen sich in der Folge nicht nur auf Basis ihres Durchschnittsalters, sondern entlang von „Lagemaßen“ wie beispielsweise dem aktuellen Anteil der über 60-Jährigen oder dem Anteil der unter 30-Jährigen vergleichen.

Der nächste Schritt: eine erste, grobe Differenzierung in Altersstrukturtypen, beispielsweise in jugend-, mittelalt- und altenzentrierten oder bipolaren Altersstrukturtypen. Diese Altersstrukturtypen werden dann mit „vermuteten“ Stärken und Schwächen, die sich aus der Konzentration der jeweiligen Altersmuster ergeben, hinterlegt. So kann beispielsweise in jugendzentrierten Abteilungen die Fluktuation höher ausfallen als in mittelaltzentrierten Abteilungen, oder die Bereitschaft für Qualifizierung in altenzentrierten Abteilungen weitaus niedriger ausgeprägt sein als in mittelaltzentrierten. Diese typologischen Grundmuster lassen sich anschließend durch weitere Annahmen verfeinern, wie etwa die Auswirkung von Schichtarbeit in mittelaltzentrierten oder die Einführung neuer Prozesse in altenzentrierten Abteilungen. 

Schritt für Schritt nähern sich Unternehmen so einem realistischen Bild über die Ausgangssituation und somit über die Vielfalt der Muster. Diese Typologie sollte mit den für den Bereich zuständigen Führungskräften diskutiert und diese in die Szenarienplanung eingebunden werden. Mit dieser Vorgehensweise gelingt es, schnell und sicher an eine differenzierte Analyse der Ausgangssituation zu gelangen, anhand derer sich individuelle – in diesem Fall für den Bereich spezifische – Maßnahmen ableiten lassen. Diese können, mit wenigen Anpassungen oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt in einer anderen Abteilung, wiederholt und verbessert werden.  

Unzureichende valide Datenbasis

Für jede Analyse, aber erst recht für jede Simulation, müssen die Ausgangsdaten stimmen. Die häufigsten Fehler, die in der unternehmerischen Praxis immer wieder vorkommen, betreffen Daten zu geplanten Ausstiegen oder Wiedereinstiegen, etwa aus Mutterschaftszeiten. Dann werden Befristungen nicht eingepflegt, der Wiedereintritt auf ein falsches Datum gesetzt, Altersteilzeit nicht angegeben oder Langzeiterkrankte aus den Personalstammdaten entfernt.

Für die Simulation wichtige Kenntnisse, beispielsweise zur Fluktuation beziehungsweise zu freiwilligen Kündigungen von Arbeitnehmern, werden nur selten gepflegt und müssen erst über Umwege beschafft werden. Kennzahlen zur Bindungsfähigkeit von neuen Arbeitnehmern befinden sich nur in wenigen Betrieben tatsächlich auf dem aktuellen Stand. Zudem fehlen häufig Erkenntnisse zu altersspezifischen Höchstgrenzen beziehungsweise maximalen Beschäftigungsjahren in Tätigkeiten mit besonders hohen physischen und psychischen Anforderungen.

Das größte Verbesserungspotenzial liegt allerdings in der Lücke zwischen ausgeführter Tätigkeit und vorhandener Qualifikation. Dann finden sich etwa der Bundespreisträger für Mechatronik auf einem Baukran wieder oder Industriemechaniker als Hilfskräfte am Band. So wird jedes Talentmanagement für Fachkräfte zu einem Lotteriespiel. Insgesamt erinnert die Güte des Datenmaterials in Unternehmen an überkommene Routinen einer Personalverwaltung. Als es noch einen Überfluss an Fachkräften gab, reichten verwaltende Tätigkeiten vollkommen aus, in Anbetracht eines dauerhaften Mangels jedoch führt kein Weg an einem Minimum an Managementfähigkeiten im Personalbereich vorbei.

Grundannahmen für die Simulation

Kaum ein Unternehmen wird sich an allen Standorten, über alle Bereiche, Kostenstellen oder Jobprofile gleichmäßig verändern. Nicht jede Stelle, aus der ein Mitarbeiter zum Beispiel rentenbedingt ausscheidet, wird wieder besetzt. Der Personalkörper ist ein sich stetig änderndes Konstrukt; dennoch formuliert die Unternehmensführung Ziele, die permanent durch die jeweiligen Bereichsleitungen hinterfragt, interpretiert und umgesetzt werden müssen.

Ohne Simulationen werden sich Personaler aber weiterhin als „Jäger des verlorenen Schatzes“ fühlen, denn Ziele sind nur dann realistisch, wenn Sie auf Tatsachen beruhen, also die Realität wiederspiegeln. Beim demografiestabilen Personalmanagement geht es demnach um Folgendes:

  • Alle bekannten Austrittsdaten sollten bei einer Simulation berücksichtigt werden. Dies gilt für den Eintritt in die passive Altersteilzeit wie die Befristung oder bereits erfolgte Kündigungen gleichermaßen.
  • Fluktuationskennziffern sollten zumindest in einer ersten differenzierten Schätzung vorliegen, und zwar analog der gewählten Struktur (Standort, Bereich, Kostenstelle oder Jobprofil).
  • Voraussehbare Personalveränderungen, etwa aufgrund von Investitionen oder Rationalisierung, sollten in Anzahl und Zeitpunkt und „Ort“ der Wirkung bekannt sein.
  • Falls Ersatzbedarf erforderlich ist, sollte ein bevorzugtes Einstellungsalter festgelegt werden.

Mit Hilfe dieser Punkte können Simulationen weitgehend realitätsnahe Ergebnisse erbringen. Die Ergebnisse aus der Simulation erzeugen wiederum Altersstrukturtypen, nur eben zu zukünftigen Zeitpunkten. Diese können analog der aktuellen Altersstrukturtypen für Fragen der gezielten „Prävention“ genutzt werden. Aus Reaktion wird damit Aktion, aus aktiv proaktiv.

Zudem können Unternehmen die unterschiedliche dynamische Entwicklung zwischen den betrachteten Einheiten genauer analysieren. Dabei werden sie erkennen, welche Einheiten dynamisch altern und ihren Anteil an über 60-Jährigen in wenigen Jahren verzehnfachen oder welche Einheiten sich in wenigen Jahren zu einer bipolaren Struktur verändern. So wird sich der demografische Wandel im jeweiligen Unternehmen nicht zu einer einheitlichen Struktur entwickeln, sondern bunter und vielfältiger werden.

Fazit

Demografische Analysen sollten als Grundlage für den Aufbau von Managementfertigkeiten im Personalbereich und somit als zentrale Fertigkeit und Fähigkeit des Personalwesens selbst angesehen und praktiziert werden. Hierfür sind die Bereinigung von Schwachstellen im bisherigen System und ein strategisches Vorgehen bei der Entwicklung der sogenannten „Key Performance Indicators“ notwendig. Hilfreich ist die Arbeit mit typologischen Altersstrukturmustern, denen spezifische Eigenschaften wie Motivation, Engagement, Arbeitsfähigkeit oder Veränderungsbereitschaft zugesprochen werden.

Dies sind erste Schritte zu einer differenzierenden Personalarbeit, die als Ausgangsbasis für den Dialog mit den jeweils operativ verantwortlichen Führungskräften dienen. Auf Basis der Ergebnisse können gezielte Maßnahmen für einzelne Bereiche abgeleitet werden. Mit der Zeit entsteht ein Set an Maßnahmen, das sich für den Einsatz in vergleichbaren, typischen Einheiten anbietet. Routine kann sich entwickeln, Maßnahmen können wiederholt, verbessert und stetig optimiert werden.

Mittels einer Simulation, die auf Basis valider Informationen und Daten erfolgt, sind vergleichbare „Alterstypologien“ im Zeitverlauf erkennbar. Präventives und proaktives Handeln werden ermöglicht und passfähige Maßnahmen können nicht erst mit dem Eintritt des Bedarfs eingeleitet, sondern durch proaktives Handeln eventuell sogar vermieden werden.

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