DiSG und Persönlichkeitsanalyse
Frau Voss, das DiSG-Profil dürfte mit 50 Millionen Anwendungen weltweit das im betrieblichen Kontext am häufigsten genutzte Persönlichkeitsanalyse-Instrument sein. Warum hat es der Lizenzgeber verändert?
Unter anderem, weil sich in den zurückliegenden Jahrzehnten neben der Art, wie Menschen Informationen aufnehmen und verarbeiten, auch deren Erwartungen an ein Persönlichkeitsanalyseinstrument verändert haben. Heute ist die visuelle Aufbereitung von Informationen viel wichtiger als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten.
Zum anderen erwarten die Leute aufgrund der Informationsflut, dass wichtige Informationen für eine schnelle Erfassung aufbereitet sind. Deshalb werden im neuen DiSG zum Beispiel die zentralen Ergebnisse nicht mehr durch ein Balken-, sondern ein Kreisdiagramm dargestellt.
Wie bei anderen Analysetools auch ...
Richtig, doch das ist für mich nicht die zentrale Änderung, selbst wenn die kreisförmige Darstellung des Profils die Anwender die Kernergebnisse noch schneller und intuitiver erfassen lässt. Weit bedeutsamer ist, dass der Lizenzgeber, basierend auf jahrzehntelanger Forschung, zum einen das Analyseverfahren und zum anderen sämtliche Handouts neu gestaltet hat. Außerdem wurden spezielle Analysetools und Trainingsunterlagen für bestimmte Funktionsgruppen wie Führungskräfte und Verkäufer geschaffen; des Weiteren für bestimmte Anwendungszwecke wie das Zusammenstellen von Teams und das Optimieren der Zusammenarbeit. Dadurch soll das DiSG noch zielgerichteter eingesetzt werden.
Inwiefern wurde das Analyseverfahren geändert?
Neu ist vor allem die künftige Verwendung der Methode des adaptiven Testings. Bei diesem interaktiven Messverfahren wird im Verlauf des Analyseprozesses der Fragenkatalog an den jeweiligen Befragten anpasst.
Können Sie dies an einem Beispiel erläutern?
Angenommen, eine Person zeigt beim Beantworten der Fragen zu bestimmten Merkmalen ein inkonsistentes Antwortverhalten, dann erhält sie ergänzende Fragen zu diesen Merkmalen. Damit lassen sich noch präzisere und zutreffendere Aussagen bezüglich der Persönlichkeit treffen. Oder anders formuliert: Es lässt sich noch genauer ermitteln, wie eine Person tickt und was sie motiviert.
Warum wurde das Analyseverfahren überhaupt verändert?
Das hat viele Gründe. Zum einen ist die Forschung heute beim Thema Persönlichkeit weiter als noch vor 10 oder 20 Jahren. Heute weiß man, dass jedes Individuum einzigartig und jede Persönlichkeit ein sehr komplexes Konstrukt ist. Zum anderen ist der Individualisierungsprozess in unserer Gesellschaft fortgeschritten. Die Menschen sind, oder genauer gesagt, verhalten sich heute nicht mehr so konform wie damals. Sie wollen stärker als Individuum wahrgenommen werden. Das muss sich in den Persönlichkeitsanalyse-Instrumenten und ihrem Einsatz widerspiegeln, zumal die Menschen heute auch über mehr Know-how in Sachen Persönlichkeitsentwicklung verfügen.
Wie meinen Sie das?
Wenn wir vor 10 oder 20 Jahren als DiSG-Lizenznehmer unseren Seminarteilnehmern erzählten, dass es verschiedene Persönlichkeitstypen mit unterschiedlichen Wertesystemen und Kommunikationsstilen gibt, dann war diese Erkenntnis für sie vielfach neu. Das damit verbundene Aha-Erlebnis etwa erleichterte Führungskräften das Führen ihrer Mitarbeiter.
Heute hingegen kann man dieses Wissen, zumindest bei akademisch vorgebildeten Personen, weitgehend als vorhanden voraussetzen. Diese Erfahrung sammeln auch DiSG-Trainer, schließlich steht dies in fast jedem Ratgeber zum Thema Persönlichkeitsbildung. Hinzu kommt: Auch die Unternehmen haben sich kulturell und strukturell weiterentwickelt.
Können Sie das konkretisieren?
Unternehmen sind heute weniger hierarchisch und funktional gegliedert als früher. Außerdem gestatten sie ihren Mitarbeitern nicht nur mehr Individualität, nein, sie fordern von ihnen geradezu, sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einzubringen. Das spiegelt sich auch in den Anforderungsprofilen wider. Sie sind heute vielschichtiger und komplexer als früher.
Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Team- und Projektarbeit sowie die bereichsübergreifende Zusammenarbeit, die heute bereits den Betriebsalltag dominiert. Sie führt dazu, dass zum Beispiel auch Controller, Techniker und Informatiker, die früher oft als kühle Technokraten karikiert wurden, eine ausgeprägte soziale Intelligenz brauchen. Ähnlich verhält es sich bei Verkäufern und Führungskräften. Sie müssen meist auch ausgeprägte analytische Fähigkeiten mitbringen, um ihre Aufgaben professionell wahrnehmen zu können. Daher müssen auch die Persönlichkeitsanalyse-Instrumente ausgefeilter sein, um die Personen ganzheitlicher zu erfassen.
Warum wurde das Analyseverfahren nicht bereits vor Jahren weiterentwickelt? Schließlich sind die beschriebenen Trends ja nicht neu.
In der Vergangenheit war es schwer möglich, sozusagen im laufenden Analyseverfahren den Fragenkatalog an das jeweilige Individuum anzupassen. Heute werden die Fragebögen online ausgefüllt. Deshalb ist es auch technisch kein Problem mehr, abhängig vom Antwortverhalten den Fragenkatalog zu modifizieren – sofern man über die erforderliche IT verfügt. Ebenso ist es heute kein Problem mehr, etwa von zwei Arbeitnehmern Vergleichsprofile zu erstellen, um ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede zu verdeutlichen und Strategien für die Zusammenarbeit zu entwickeln.
Das DiSG erhielt mit „Everything DiSG Arbeitsplatz Profil“ auch einen neuen Namen. Warum?
Weil es auch das klassische DiSG weiterhin geben wird, und um zum Ausdruck zu bringen, wozu das neue DiSG primär dient, nämlich die Wirksamkeit und somit auch den Erfolg von Menschen in ihrem Beruf zu erhöhen. Entsprechendes gilt für Teams.
Was sind Ihrer Ansicht nach die zentralen Vorteile des neuen „Everything DiSG-Profils“?
Aufgrund des praktizierten Analyseverfahrens sind die Ergebnisse noch individueller und anwendungsspezifischer. Folglich werden sie auch bei den Nutzern auf eine noch höhere Akzeptanz stoßen. Zudem können sie noch zielgenauer in Trainings sowie als Instrument in personalen und organisationalen Veränderungsprozessen eingesetzt werden.
Frau Voss, wir danken Ihnen für das Gespräch.