E-BusinessEinkaufen per Online-Auktion
Auktionen wurden im Internet erstmals 1993 über textbasierte Newsgroups durchgeführt. Seitdem erfreuen sie sich wachsender Beliebtheit. Studien zeigen: Bereits zirka 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem Beschaffungsvolumen von über 100 Millionen Euro pro Jahr nutzen E-Auktionen als Beschaffungsinstrument. Sie wickeln im Schnitt fast 20 Prozent ihres Volumens darüber ab, Tendenz steigend. Einige Unternehmen schreiben bereits über 30 Prozent ihres kompletten Beschaffungsvolumens über Auktionen aus, und die Zahl der Auktionen steigt jährlich um 10 bis 15 Prozent. Doch der Beschaffungsprozess als reine Auktion ohne Interaktion mit den Lieferanten kommt heute noch selten vor. Realitätskonformer ist es deshalb, von auktionsintegrierten Beschaffungsprozessen zu sprechen, denn meistens wird in den Auktionen ausschließlich der Preis bestimmt.
Verschiedene Auktionsformen
Bei der englischen Auktion, auch mündliche, offene oder „Descending-bid-Auktion“ genannt, werden die Gebote der Lieferanten von einem relativ hohen Startpreis ausgehend sukzessiv gesenkt, bis nur noch das Gebot eines Lieferanten übrig bleibt. Dieser erhält den Zuschlag mit einem Preis in der Höhe seines letzten Gebots. Die englische Auktion ist sehr transparent, denn jeder Lieferant kennt jederzeit die Gebote der Wettbewerber, ohne zu wissen, welche Lieferanten mitbieten. Entsprechend kann er sein Gebot anpassen.
Die holländische Auktion („Ascending-bid-Auktion“) beginnt mit einem sehr niedrigen Startpreis. Der Auktionator erhöht diesen Preis sukzessive, bis ein Lieferant das Angebot akzeptiert. Er erhält den Zuschlag mit einem Preis in der Höhe seines Gebots. Eine Abwandlung der englischen und holländischen Auktion sind sogenannte „Descending-Clock-“ oder „Ascending-Clock-Auktionen“. Obwohl sie ähnlich funktionieren wie die englische und holländische Auktion, wird der Preis in definierten Zeitabständen um eine bestimmte Summe geändert. Der Auktionator gibt den Startpreis bekannt, und die Lieferanten können ihn entweder akzeptieren oder ablehnen und somit aus der Auktion ausscheiden. Bei der „Descending-Clock-Auktion“ wird der Preis in kleinen Schritten verringert, bei der „Ascending-Clock-Auktion“ erhöht. Sobald kein Gebot mehr eingeht, wird der Zuschlag vergeben.
Verdeckte Erstpreis- und Zweitpreisauktion
Bei der verdeckten Erstpreisauktion („First-Price-Sealed-Bid-Auktion“) werden einmalig verdeckte Angebote abgegeben und der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält den Zuschlag. Die Angebote der Wettbewerber sind dabei nicht bekannt. Eine Spielart dieser Auktion ist die verdeckte Zweitpreisauktion („Second-Price-Sealed-Bid-Aauktion“), die nach dem gleichen Schema verfährt. Der Lieferant, der den Zuschlag bekommt, erhält jedoch einen Preis in Höhe des zweitniedrigsten Gebots. Dieser Mechanismus ist im Vorfeld bekannt. Entwickelt wurde diese Auktionsform von William Vickrey, dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften 1996. Deshalb wird sie auch „Vickrey-Auktion“ genannt.
Seit einigen Jahren gewinnen gewichtete oder multiattributive Auktionen an Bedeutung. Dabei werden nichtpreisliche Faktoren wie Versorgungssicherheit und Qualität mit einer Punktzahl bewertet. Diese Punktzahl wird vom Gebotspreis des Lieferanten abgezogen, um einen Vergleichswert zu erzeugen. So errechnet der Auktionator den relativen Wert der einzelnen Gebote unter Berücksichtigung des Preises und nichtpreislicher Faktoren. Während einer gewichteten Auktion dürfen Bieter die nichtpreislichen Elemente ihres Angebots nicht ändern. Bei einer multiattributiven Auktion hingegen können sie diese Elemente bei Bedarf anpassen – beispielsweise durch eine Verkürzung der Lieferzeit – um ihre Gesamtbewertung zu verbessern.
Mit E-Auktionen Kosten sparen
E-Auktionen haben eine Reihe von Vorteilen. Aufgrund des starken Konkurrenz- und Preisdrucks können über E-Auktionen Kosten beim Einkauf von Materialien und Dienstleistungen erzielt werden. Zudem kann die Produktivität des Einkaufs gesteigert werden, da mehr Aufträge intensiv verhandelt werden können. Ausgereifte Spezifikationen sind für die erfolgreiche Teilnahme an E-Auktionen ausschlaggebend. Sie erfordern eine entsprechend gute Strukturierung der Beschaffungsprozesse. Die qualitativ und zeitlich optimierten Prozesse senken wiederum die indirekten Beschaffungskosten (Prozesskosten).
Ein weiterer Vorteil von Online-Auktionen im Vergleich zu klassischen Verhandlungen ist ihre Transparenz. Die Wettbewerbssituation ist glaubhaft und realitätsnah abgebildet und zahlreiche Lieferanten nehmen am Onlineverfahren teil. Die traditionellen Vertrauensbeziehungen werden in Online-Auktionen durch faktenbasierte Beziehungen ersetzt. In traditionellen Beschaffungsprozessen mussten beide Seiten bis zu einem gewissen Grad schlicht auf die Richtigkeit der Aussagen des Geschäftspartners vertrauen. Online-Auktionen hingegen erlauben beiden Seiten Einblicke in die Marktsituation und tragen zur Dynamisierung von Verhandlungen sowie einem intensiven Preiswettbewerb bei.
Über Online-Auktionen werden außerdem Preisverhandlungen entpersonalisiert. Das erleichtert internationale Verhandlungen, da kulturelle Unterschiede nicht mehr signifikant zum Tragen kommen. Zudem sind Online-Auktionen effektiv: Aufgrund der automatisierten Prozesse werden bei der Mehrzahl der Vertragsabschlüsse Konditionen erreicht, die auf traditionellem Weg einen weit höheren Aufwand seitens der Einkäufer erfordert hätten.
Nachteile von Online-Auktionen
Den zahlreichen Vorteilen von E-Auktionen stehen Nachteile gegenüber, die Nutzer zumindest in Erwägung ziehen sollten. Den bereits erwähnten Kosteneinsparungen stehen beispielsweise zusätzliche Kosten gegenüber, etwa für Lizenz- oder Providerentgelte für den Dienstleister von E-Auktionssoftware. Die Entwicklung der Spezifikationen, vor allem der nichtpreislichen, bedarf erhöhter Konzentration und Aufmerksamkeit, denn nur detailgenaue und vergleichbare Angaben gewährleisten eine gemeinsame Bezugsbasis für die Lieferanten.
E-Auktionen lassen zudem keine Zeit für technische oder kaufmännische Berechnungen, und Anpassungen nach der Angebotsabgabe sind in der Regel nicht möglich (außer in der multiattributiven Auktion). Deshalb müssen im Vorfeld die Bedingungen und Konditionen festgelegt und kommuniziert werden. Die Befürchtung hingegen, die Teilnahme an E-Auktionen könne strategische Lieferantenbeziehungen schädigen, trifft nicht zu, denn sie werden selten über E-Auktionen abgewickelt. Materialien und Dienstleistungen, die Gegenstand strategischer Partnerschaften sind, bedürfen nach wie vor der persönlichen und kreativen Zusammenarbeit der Geschäftspartner, um eine Win-Win-Situation zu erreichen.
Gewünschte Bietdynamik sicherstellen
Eine Online-Auktion wird üblicherweise als ein Prozess mit drei charakteristischen Phasen betrachtet: Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Dabei steht der Auktionator vor unterschiedlichen Aufgaben. Die entscheidende Phase ist die Vorbereitung der Auktion. Hier stellt der Auktionator die Weichen für den Erfolg oder Misserfolg seiner Auktion, denn einmal gestartet, sind seine Handlungsspielräume extrem eingeschränkt.
Zunächst sollte der Anbieter die Wettbewerbsintensität unter den Lieferanten analysieren. Starker Wettbewerb fördert die Bietdynamik der Auktion. Die Wettbewerbssituation kann entweder ein natürliches Marktcharakteristikum sein oder durch die Auktion gefördert werden, zum Beispiel durch den Grad an Transparenz.
Produkte in Warenbörsen eignen sich nicht für Auktionen
In Rangauktionen etwa sind die absoluten Gebote nicht sichtbar, was erfahrungsgemäß die Bietdynamik fördert. Auch das Volumen des Vergabepakets spornt Bieter an. Erfolgreiche Auktionen im B2B-Bereich weisen häufig Volumina von einer Million Euro und mehr auf. Gut motiviert sind in der Regel die Lieferanten, die den Käufer für sich gewinnen oder als Kunden binden möchten. Sie strengen sich besonders an, um den Zuschlag zu bekommen.
Ungeachtet der Wettbewerbssituation sind einige Produkte und Dienstleistungen allerdings nicht für den Auktionshandel geeignet. Zum einen solche, die auf anderen Plattformen wie Warenbörsen in großem Umfang gehandelt werden. Eine E-Auktion würde in diesem Fall keine zusätzliche Dynamik erzeugen. Zum anderen solche, die strategische Bedeutung für den Käufer haben, denn hierbei müssen Qualität und Konditionen mehrmals überprüft werden. Auf das Handeln solcher Produkte und Dienstleistungen sollten Online-Auktionatoren deshalb verzichten.
Erforderliche Rahmenbedingungen schaffen
Der Auktionator hat in der Vorbereitungsphase noch weitere Aufgaben. Unter anderem sind eindeutige und umfassende Spezifikationen nötig. Die Lieferanten müssen wissen, worauf sie bieten, und die Käufer, was sie bekommen. Ausgangspunkt sind Mindestniveaus, auch Satisfizierungskriterien oder Mussziele genannt. Sie sind die Eintrittshürde zur Online-Auktion. Nur wer sie erfüllt, kann daran teilnehmen. Hat ein Lieferant diese Hürde genommen, entscheiden nur noch der Preis, das sogenannte Optimierungskriterium oder das Maximalziel, wie zum Beispiel eine Kombination aus Preis- und Qualitätsansprüchen, über den Zuschlag. Kompensationen zwischen diesen Kriterien, beispielsweise bessere Qualität für einen höheren Preis, werden in „traditionellen“ Online-Auktionen nicht zugelassen.
Online-Auktionen neueren Typs, wie multiattributive Auktionen, verfahren in dieser Hinsicht anders. Sie beruhen auf der relativen Bewertung unterschiedlicher Merkmale. Der Auktionator sollte die Anzahl Auftragspositionen überschaubar halten, um die Bieter mit der Dynamik des Auktionsprozesses nicht zu überfordern. Mehrere Dutzend individuelle Artikel oder Positionen verunsichern die Teilnehmer. Wer dennoch mehr Positionen einstellen will, sollte sie zu überschaubaren Warenkörben bündeln, auf die der Lieferant dann bietet.
Vorbereitende Test-Auktionen durchführen
Der Auktionator klärt darüber hinaus in der Vorbereitungsphase kommunikationsbezogene Details. Auktionsdetails, Datenverwaltung sowie die Hard- und Softwareausstattung der Lieferanten müssen festgelegt und Auktionstrainings durchgeführt werden. Um allen Teilnehmern die gleichen Chancen zu bieten, empfiehlt es sich, im Fall der Neueinführung vorbereitende Test-Auktionen durchzuführen.
Der Platzierung von Phantomgeboten, sowohl von Käufer- als auch von Lieferantenseite, beugen technische Maßnahmen und dokumentierte Verhaltenskodizes vor. Die Auktionsregeln müssen bei jeder Auktion aufs Neue bestätigt werden, nur so lässt sich eine stabile Auktionsreputation bilden und es wird unter Umständen sogar ein höheres Maß an Objektivität erzielt als bei traditionellen Verhandlungen. Wichtig ist, dass das entsprechend dem gewählten Auktionstyp erforderliche Verfahren und die Transparenz in der Auktionsdurchführungsphase konsequent eingehalten werden. Unabhängig vom Auktionstyp muss bei der Durchführung gewährleistet sein, dass alle Teilnehmer in Echtzeit Zugang zu den Auktionsinformationen haben und selbst im Fall von technischen Problemen rechtzeitig ihre Gebote abgeben können.
Auktionen nachbereiten
Kritisch ist das Ende einer Auktion. Als Strategie wird zunehmend das „weiche Ende“ gewählt. Hier verlängert sich die Auktion automatisch um einen gewissen Zeitraum, wenn kurz vor Ende noch ein Gebot eingeht. Einige Anbieter limitieren inzwischen die Zahl der Verlängerungen, um unnötigen Verzögerungen vorzubauen. Die Auktionsnachbereitung optimiert Qualität und Reputation der Auktion. Feedbacks von und an die Lieferanten sowie unternehmensinterne „Lessons-Learned-Runden“ helfen, Fallstricke und Verbesserungsoptionen zu identifizieren. Auktionsergebnisse können auf Nachfrage der Lieferanten im Detail erklärt werden, um diese zur Teilnahme an weiteren Auktionen zu motivieren. Die gemachten Erfahrungen sollten dokumentiert werden und allen Beteiligten, eventuell in unterschiedlich detaillierten Fassungen, zugänglich sein.
Der Service-Provider, also der Anbieter der E-Auktionssoftware, steht gewissermaßen über dem Prozess. Er kann darin unterschiedliche Rollen einnehmen. Weit verbreitet ist die Administratorrolle, die lediglich eine administrative Unterstützung der Auktion vorsieht und das Bereitstellen von Software für das Abwickeln der gesamten Auktion beinhaltet. Darüber hinaus kann der Service-Provider beratend tätig sein, wodurch er stärker in den Prozess, vor allem die Auktionsvorbereitung, eingebunden wird.
Der Service-Provider kann zum Beispiel bei der Auswahl der potenziellen Lieferanten unterstützen. Diesen Service nehmen bislang nur wenig Unternehmen in Anspruch, da er stark in den Aufgabenbereich des Einkaufs eingreift. An Bedeutung gewinnt die Treuhänderrolle. Das heißt, der Provider fungiert als Abwicklungsinstitution und ist auch für die Sicherung der Auktionsreputation zuständig. Das entlastet den Auktionator und er kann sich ganz der wichtigen Phase der Auktionsvorbereitung widmen.