EinkaufDatentransparenz im Bestellprozess schaffen
Nur mit transparenten Daten zu tatsächlich bestellten Mengen und den dazugehörigen Preisen sowie verlässlichen Informationen zu den bestehenden Lieferanten lässt sich der strategische Einkaufsprozess sauber durchführen und die bestmögliche Lieferantenauswahl unter Kosten- und Leistungsgesichtspunkten treffen. Doch Datentransparenz zu schaffen ist nicht einfach. So wird eine Datenkonsolidierung zum Beispiel erschwert durch M&A-Aktivitäten und der Einführung eines neuen ERP-Systems bei gleichzeitiger Weiterverwendung von etablierter Unternehmenssoftware (legacy system).
Wer kauft was von wem zu welchem Preis in welcher Menge über welchen Prozess wann ein? Um überprüfen zu können, ob eine Transparenz der Daten gegeben ist, sollten diese sieben W-Fragen des Einkaufs zu den Einkaufsvolumendaten in vollem Umfang für das gesamte Volumen beantwortet werden können. Falls nicht, sollten Firmen folgenden Weg einschlagen:
- Konsequentes Stammdatenmanagement
- Zuordnung eines eindeutigen Bestellweges je Warengruppe oder Artikel
- Eventuell Nutzung eines IT-Tools zur Konsolidierung aller Bestellungen je Warengruppe
Zentrales Stammdatenmanagement einführen
Stammdaten beinhalten die Grunddaten eines Unternehmens zu Lieferanten, Artikeln oder Warengruppen und zeichnen sich durch eine geringe Änderungshäufigkeit aus. Stammdaten gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen. Bezogen auf den Einkauf sind dies zum Beispiel Artikel-Nummer, Lieferanten-Nummer, Warengruppenschlüssel und Zahlungskonditionen.
Viele Unternehmen speichern diese Daten redundant in verschiedenen Systemen beziehungsweise Datenbanken, weil sie keine einheitliche Stammdatenbank implementiert haben. Dies führt häufig zu Inkonsistenzen, die wiederum zu Intransparenz und damit zu falschen strategischen Entscheidungen im Einkauf führen können. Ziel sollte also ein zentrales Stammdatenmanagement sein, um dieser Problematik vorzubeugen.
Die Einführung eines zentralen Stammdatenmanagements geschieht in zwei Phasen: Konzeptionierung und Implementierung. Bei der Konzeptionierung werden die Anforderungen an das Tool und die Kriterien für eine hochwertige Stammdatenqualität festgelegt. Folgende Kriterien sind dabei besonders relevant:
- Korrektheit und Fehlerfreiheit
- Konsistenz
- Aktualität und Gültigkeit
- Vollständigkeit
- Redundanzfreiheit
- Einheitlichkeit
Bezüglich der Aktualität und Gültigkeit müssen je Stammdatensatz Verantwortliche bestimmt werden. So wird sichergestellt, dass Änderungen der Stammdaten nur in wirklich notwendigen Fällen konsequent durchgeführt werden.
Jeder Warengruppe klar definierte Bestellwege zuordnen
Erfahrungsgemäß sind dem operativen Einkauf in vielen Fällen keine eindeutigen Bestellwege für Warengruppen beziehungsweise Artikel vorgegeben. Dadurch werden viele Ressourcen im Einkauf verbraucht, weil der operative Einkauf den optimalen Bestellweg nicht kennt. Die Aufgabe des strategischen Einkaufs ist es also, jeder Warengruppe klar definierte Bestellwege zuzuordnen, damit alle Bestellungen transparent und effizient – idealerweise automatisiert – im ERP-System gebucht werden können. Die Definition und Zuordnung von verschiedenen Bestellwegen zu Warengruppen lässt sich anhand fünf verschiedener Arten von Bedarfen kategorisieren:
Kontinuierlicher Bedarf
Ein kontinuierlicher Bedarf deckt ab, was regelmäßig wiederkehrt, also zum Beispiel der Strombedarf und die Reinigung der Büroräume.
Vorab spezifizierter Bedarf
Dabei handelt es sich um einen Bedarf, der einmal spezifiziert wird, jedoch unregelmäßig respezifiziert und bestellt wird. Beispiel: Büromaterial.
Bedarf mit vorhandenen Lieferanten
In Abgrenzung dazu bezeichnet der Bedarf mit vorhandenen Lieferanten und noch zu definierenden Spezifikationen zum Beispiel ein Kundenmagazin, das jeden Monat eine ähnliche Seitenanzahl hat, jedoch nicht identisch mit dem Vorgänger-Magazin ist.
Spezialbedarf
Der Bereich Spezialbedarf deckt den Sonderbedarf ab, welcher meist nur einmalig oder sehr selten vorkommt und somit keinen festen Bestellweg vorgegeben hat.
Notfallbedarf
Notfallbedarf ist auch eine Art Sonderbedarf, jedoch muss dieser Bedarf sehr schnell gedeckt werden. Beispiel: Handwerker-Dienstleistung bei einem Rohrbruch.
Jeder Bedarfsart eine Bestellart zuordnen
Um Transparenz bezüglich der Bestellwege zu schaffen und möglichst automatisierte Prozesse zu implementieren, wird jeder Bedarfsart eine Bestellart zugeordnet:
Elektronische Kataloge
In elektronischen Katalogen kann ein Einkäufer wie in einem echten Print-Katalog blättern und sich Details zu Produkten anlesen. Für diese Bestellart bieten sich besonders indirekte Warengruppen wie Büromaterial an, da der Bedarf zum Bestellzeitpunkt klar gegeben ist (zum Beispiel 100 Kugelschreiber).
Online-Portal
Im Unterschied zu elektronischen Katalogen muss bei Online-Portalen die Bestellmenge zum Bestellzeitpunkt noch nicht definiert sein. Nach erledigter Arbeit gibt der Dienstleister in einem Online-Portal an, wie viele Stunden er gearbeitet hat, und der zuständige Einkäufer kann die Stunden freigeben und die Bezahlung auslösen.
ERP-System
Aktuelle ERP-Systeme bieten die Option, automatisch Bestellungen auszulösen, wenn der Lagerbestand einen gewissen Schwellenwert erreicht. Der Lagerbestand wird also nicht mehr nach Bauchgefühl durch den Einkäufer aufgestockt, sondern auf der Grundlage exakter Berechnungen. Mit dieser Methode können Kosten und eine hohe Kapitalbindung vermieden werden, denn die automatisierte Bestellung ist die aus Prozesskostensicht günstigste Variante je Transaktion.
Die Bestellung via Freitext oder über ein Telefonat ist in wenigen Fällen unvermeidbar. Ziel des Einkaufs sollte es sein, diese Art von Bestellungen aufgrund der hohen Ressourcenauslastung und der Gefahr von Fehlbuchungen gering zu halten. Zu schaffen ist das mit der Warengruppen übergreifenden Implementierung elektronischer Kataloge, von Online-Portalen und automatisierten Bestellungen. Dies erfordert zwar hohe Einmalkosten und Change Management – insbesondere bei den Lieferanten aufgrund der Nutzung von Online-Portalen –, rechnet sich aber aufgrund hoher Transparenz der Bestelldaten und durch freie Ressourcen im Einkauf.
In ein zeitgemäßes ERP-System investieren
Mittelständische Unternehmen haben oft noch alte Plattformen wie etwa „AS/400“ implementiert. Viele neuere IT-Lösungen können nicht genutzt werden, da seitens der Anbieter kein Interesse besteht, aktuelle Systeme auf ältere zu portieren. Großunternehmen wiederum haben durch M&A-Aktivitäten viele verschiedene ERP-Systeme implementiert. Beide Situationen machen aussagekräftige Spend-Analysen nicht möglich.
Für mittelständische Unternehmen heißt das, in ein zeitgemäßes ERP-System zu investieren. Großunternehmen sollten über eine Konsolidierung ihrer ERP-Systeme nachdenken. Bessere Analysen und Kosteneinsparung im Support stehen hier hohen Einmalkosten gegenüber, wobei die dauerhafte, zukunftsorientierte Datentransparenz nur über die hohen Einmalkosten realisierbar ist.
Fazit
Die Herstellung von Transparenz im Bestellprozess ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Einmal erreicht, werden nur noch wenige Ressourcen benötigt, um die Transparenz dauerhaft beizubehalten. Der Einkauf hat wieder Zeit, sich auf die wichtigste Kernaufgabe zu konzentrieren: den strategischen Einkaufsprozess (Strategic Sourcing Process). Diesen kann er durch die gewonnene Transparenz deutlich professioneller durchführen.