EinkaufsoptimierungEinsparpotenziale identifizieren
Gibt es noch Einsparpotential in unserem Einkauf? Wie hoch ist das Potential und wie können wir es realisieren? Das wollen Vorstände und Geschäftsführer regelmäßig von ihren Einkaufsleitern wissen. Mit einer Potentialanalyse können diese die Fakten erarbeiten und präsentieren belastbare Antworten.
Eine Potentialanalyse umfasst entweder das gesamte Einkaufsvolumen oder ausgewählte Warengruppen. Die Analyse kann in unterschiedlicher Intensität durchgeführt werden und hat entsprechend unterschiedliche Präzision und Aussagekraft:
1. Stufe: Grobe Potentialanalyse
Die Grobe Potentialanalyse beruht auf der Erfassung des Einkaufsvolumens mit Indikatoren, wie „Höhe der Ausgaben“, „Anzahl der Artikel“, „Anzahl der Lieferanten“, und auf Interviews mit den Einkäufern über Einsparhebel. Unter Hinzuziehung von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit werden die möglichen Einsparungen geschätzt. Liegen keine Erfahrungswerte vor, so wird die Höhe der Einsparungen durch ein „qualifiziertes Bauchgefühl“ quantifiziert, indem die Teammitglieder aus Einkauf und Fachbereichen die Höhe der Einsparungen pro Hebel schätzen.
2. Stufe: Potentialanalyse mit Teilfundierung
Die Potentialanalyse mit Teilfundierung erweitert die grobe Potentialanalyse um einen internen Benchmark: Den Vergleich von Artikeln innerhalb einer Warengruppe und gegebenenfalls den Vergleich der Einkaufspreise der Artikel an verschiedenen Standorten.
3. Stufe: 100% fundierte Potentialanalyse
Die 100% fundierte Potentialanalyse ist die Kür unter den Analysen des Einsparpotentials. Es handelt sich um die verlässlichste und präziseste Form der Potentialanalyse. Sie umfasst die vorher beschriebenen Ansätze, komplettiert sie aber mit externem Benchmarking, einer Priorisierung und Quantifizierung des Einsparpotentials und einem Umsetzungsplan. Das genaue Hinsehen auf die Vorgehensweise lohnt sich:
Faktenbasis schaffen
Um gleich zu Beginn eine solide Faktenbasis zu schaffen, sollte das Unternehmen zunächst das gesamte Einkaufsvolumen erheben und die Warengruppen mithilfe einer ABC-Analyse priorisieren.
Dann sind die priorisierten Warengruppen genauer zu betrachten. Die Beantwortung der sieben W-Fragen hilft dabei: Wer kauft was von wem in welcher Menge zu welchem Preis wann und über welchen Prozess ein? So einfach sie erscheinen, sind diese Fragen dennoch ein effizienter Leitfaden zur Erfassung aller relevanten Informationen - wenn die Prozessbeteiligten sie mit der gebührenden Ernsthaftigkeit beantworten.
Für die anschließende Priorisierung der Artikel für die Quantifizierung des Einsparpotentials eignen sich prinzipiell zwei Kriterien:
Repräsentativität:
Bei der Priorisierung repräsentativer Artikel pro Warengruppe geht es darum, anhand weniger Artikel die Warengruppe in ihrer Komplexität und Fragmentierung „repräsentativ“ abzubilden. Das hat seine Tücken. Denn ein hohes Einsparpotential von Artikeln mit geringen Einkaufsvolumen bewirkt wenig bei der Preisbildung der gesamten Warengruppe.
Einkaufsvolumen:
Die Priorisierung nach Einkaufsvolumen ist in der Regel vorzuziehen. Sie fokussiert sogenannte „einsparpotentialentscheidende Artikel“ mit einem hohen Einkaufsvolumen. Damit wird das Einsparpotential identifiziert, das für die Preisbildung der gesamten Warengruppe entscheidend ist.
Sind die Warengruppen erhoben, strukturiert und die Artikel nach Volumen priorisiert, ist ein noch umfassenderes Verständnis aufzubauen. Die mit der Warengruppe arbeitenden Mitarbeiter aus dem Fachbereich, Forschung und Entwicklung, Produktion und Einkauf sollten in einem bereichsübergreifenden Team ihr weiteres Wissen über die Warengruppe zusammentragen. Zu den dann relevanten Fakten zählen die bisherigen Einkaufspraktiken und Einsparmaßnahmen genauso wie die Spezifikationen von Artikeln in technischen Datenblättern, Zeichnungen und bereitgestellten Mustern und die zukünftig erwartete Entwicklung der Warengruppe. Mit dieser Teamarbeit ist eine solide Wissensbasis für den zweiten Schritt geschaffen.
Einsparpotential quantifizieren und Umsetzungsplan erstellen
Zur Quantifizierung des Einsparpotentials werden zwei externe Benchmarks bei alternativen Lieferanten eingeholt: Die Konditionen für die aktuellen Spezifikationen und die Konditionen für optimierte Spezifikationen. Mit diesen Benchmarks sind zwei entscheidende Hebel für Einsparungen abgeklopft. Die Konditionen werden in einem vereinfachten Anfrageverfahren eingeholt. Die bestehenden Lieferanten bleiben ausgespart, da das Ziel der Potentialanalyse darin besteht festzustellen, ob es im Vergleich zur Ist-Situation Einsparpotential gibt.
Wurden im Rahmen der Anfrage signifikante Einsparpotentiale für die priorisierten Artikel identifiziert, so sind sie auf das Einkaufsvolumen der gesamten Warengruppe hochzurechnen. Je nach Komplexität der Warengruppe sind dabei Sicherheitsabschläge für die übrigen Artikel vorzusehen. Welche Variante der verschiedenen Potentialanalysen nun die geeignete ist, um Einsparpotentiale zu identifizieren, ist fallweise zu entscheiden. Die verlässlichste Variante ist sicherlich die 100% fundierte Analyse.
Folgende Übersicht fasst die Unterschiede zwischen den Potentialanalyse-Varianten zusammen:
Einschätzungen verlässlich durchführen
Fazit: Um die knappen Ressourcen der Einkaufsabteilung auf einsparträchtige Warengruppen zu konzentrieren, sollten Unternehmen verlässliche Einschätzungen des Einsparpotentials vornehmen. Überstürzte Ausschreibungen, um den Einkauf zu optimieren, binden mehr Zeit und Ressourcen als notwendig.
Ziel der Potentialanalyse ist es zu prüfen, ob eine Ausschreibung für die betrachteten Warengruppen sinnvoll ist und welche Erfolgsaussichten bestehen. Je faktenbasierter die Potentialanalyse durchgeführt wird, umso sicherer sind ihre Ergebnisse und umso wahrscheinlicher ist es, dass dem Einkauf die Realisierung der identifizierten Einsparpotentiale gelingt.