EinsparenDer Einkauf sorgt mit Value Sourcing für Wertschöpfung
In vielen Unternehmen wird der Einkauf noch immer als reines Kosteninstrument verstanden. Durch diese verkürzte Sicht bleibt das Potenzial des Einkaufs als Wachstumsmotor und Wertgenerator innovativer Unternehmen unausgeschöpft. Gerade produzierende Unternehmen haben ihre Wertschöpfungstiefe in den letzten Jahrzehnten um durchschnittlich die Hälfte reduziert. Daher sind sie mehr denn je von der Leistungsfähigkeit ihres Lieferantennetzwerks abhängig.
Lieferanten liefern Mehrwert
Nur wer die Leistung und das Know-how seiner Lieferanten optimal mit den eigenen Stärken verknüpfen kann, erzielt dauerhafte Wettbewerbsvorteile. Mit dem Value-Sourcing-Ansatz erweitert Mercer Management Consulting die bisher praktizierten Konzepte des strategischen Einkaufs. Neben den traditionellen Kriterien Preis, Qualität und Liefersicherheit geht es in der Beschaffung zunehmend darum, Lieferanten langfristig als Systempartner zu binden und ihr Know-how optimal zu nutzen. So entstehen Alternativen zur heutigen Wertschöpfungsstruktur und Netzwerke für die gemeinsame Entwicklung von Produkten. Der Einkauf drückt somit nicht nur die Preise, sondern schafft neue Werte.
Im härter werdenden globalen Wettbewerb können Unternehmen nur mithalten, wenn sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Dies erhöht den Anteil externer Wertschöpfung und damit die Abhängigkeit vom Lieferantennetzwerk. Bei Automobilherstellern oder Maschinenbauunternehmen machen zugekaufte Produkte und Leistungen heute im Schnitt bereits zwischen 60 und 75 Prozent des Gesamtwerts der Endprodukte aus. Trotz der zunehmenden Fokussierung auf Niedriglohnländer kommen in deutschen Unternehmen im Durchschnitt noch immer weniger als zehn Prozent der eingekauften Wertschöpfung aus China, Indien, Vietnam oder Rumänien. In produzierenden Unternehmen lassen sich über die Optimierung der Materialkosten in der Regel kurzfristig Gewinnpotenziale von zirka zehn bis 15 Prozent erschließen. Die Kostenvorteile sind jedoch nur einmalig realisierbar und aufgrund des zunehmenden Kosten- und Wettbewerbsdrucks ebenso schnell wieder verpufft, wie sie erreicht wurden.
Mittelfristig können die Auswirkungen eines lediglich auf niedrige Einstandskosten ausgerichteten Einkaufs zu Qualitätseinbußen, Imageschäden und langfristig sogar zu Verlusten führen, wie das Extrembeispiel Opel Ende der 90er Jahre zeigte. Denn die Bedeutung des Einkaufs geht weit über Preisverhandlungen hinaus: Zugekaufte Teile, Module, Systeme und Leistungen bilden nicht nur die Basis einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur, ihre Qualität und Lieferzuverlässigkeit beeinflussen auch maßgeblich die Leistungsfähigkeit des Endprodukts eines Unternehmens.
Lieferanten werden zunehmend in Innovationsprozesse einbezogen
Innovationen sind im verstärkten globalen Wettbewerb unerlässlich für den langfristigen Erfolg. Mit der zunehmenden Verlagerung der Wertschöpfung auf die Lieferanten nimmt auch deren Bedeutung für die Innovationsfähigkeit zu.
"Bereits heute wird kaum ein bahnbrechendes neues Produkt ohne Mitwirkung von Lieferanten auf den Markt gebracht", betont Dr. Christian Heiss, Sourcing-Experte von Mercer. "Künftig werden nur die Unternehmen im Wettbewerb bestehen können, die eng mit ihrem Lieferantennetzwerk kooperieren und dessen Kompetenzen optimal nutzen."
Dazu müssen die Innovationsprozesse der Lieferanten stärker als bisher mit den eigenen Prozessen vernetzt werden. Diese Aufgabe wird von der Mehrzahl der Unternehmen noch unterschätzt. Heutige Sourcing-Strategien beschränken sich zumeist auf die Senkung der Einkaufs- und Prozesskosten, statt den Einkauf aktiv als integratives Element entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu nutzen. Durch Value Sourcing könnte der oft als Preisdrücker betrachtete Einkauf eine deutliche Aufwertung im Unternehmen erfahren, meinen die Macher der Studie.
In der Praxis nehmen Dell, Nokia und Toyota eine Vorreiterrolle ein. Sie nutzen ihr Lieferantennetzwerk systematisch, um in Verbindung mit ihrem spezifischen Geschäftsmodell neue Werte zu schaffen:
- Das Wertschöpfungsmodell von Dell integriert Liefer- und Bestellkette. Dabei zielt das Unternehmen auf maximale Effizienz im Einkauf, in Produktion und Distribution. Das Ergebnis sind eine extrem hohe Produkt- und Servicequalität, eine sehr schnelle Integration von Produktinnovationen, hohe Versorgungssicherheit und eine exzellente Total Cost Of Ownership für den Kunden.
- Nokia hingegen verfolgt ein auf Kooperation beruhendes Geschäftsmodell, bei dem der Einkauf als Kernelement der Wachstumsstrategie fungiert. Ein Resultat ist, dass Nokia bei seinen Mobiltelefonen mit weitaus weniger Komponentenlieferanten auskommt als seine Hauptwettbewerber. Auf die Top-Ten-Lieferanten entfallen nahezu 60 Prozent des gesamten Einkaufsvolumens, auf die Top 100 sogar über 95 Prozent. Langlebige und werthaltige Geschäftsbeziehungen zu Schlüssellieferanten schaffen die Basis für strategische Innovationspartnerschaften.
- Toyota überträgt seine einmalige Produktionsphilosophie konsequent auf alle Zulieferer. Das gemeinsame Ziel lautet, ständig besser zu werden und die Innovationsstärke des Netzwerks zu nutzen. Die langfristige strategische Zusammenarbeit zwischen Denso oder Aisin Seiki und Toyota ist hierfür ein herausragendes Beispiel. Toyota ist es zudem gelungen, nicht nur in Japan, sondern auch in den USA ein leistungsfähiges und innovatives Wertschöpfungsnetzwerk aufzubauen.
"Wer bestehende Lieferantenbeziehungen geschickt nutzt, kann Wachstumschancen für sich und seine Lieferanten erzielen", so Heiss. "Das Spektrum reicht von der Weiterempfehlung über gemeinsame Kundenangebote bis hin zu gemeinsamen Innovationen oder Exklusivrechten an Neuentwicklungen der Zulieferer."
Aufbau und Management dauerhafter Lieferantennetzwerke
Ziel einer wertorientierten Neuausrichtung des Einkaufs ist der Aufbau langfristiger Lieferantennetzwerke, aus denen alle Partner klare Vorteile ziehen. Um den Einkauf zum zentralen Gestalter und Manager des Beschaffungsnetzwerks zu machen, muss jedoch ein völlig neues Kompetenzprofil im Einkauf geschaffen werden. Gefragt sind partnerschaftliche Zusammenarbeit und offene Kommunikation nach innen und außen.
"Diese Fähigkeiten sind wesentlicher Bestandteil für die erfolgreiche Umsetzung von Value-Sourcing-Programmen", erklärt Sourcing-Experte Heiss. "Best-Practice-Unternehmen integrieren ihr Lieferantennetzwerk in ihre Planungsprozesse, etwa bei der Produktentwicklung oder im Marketing. Hierfür müssen geeignete Kompetenzen, Prozesse und Strukturen aufgebaut werden."
Um dauerhafte Kostenvorteile erzielen zu können, ist es notwendig, die gesamte Wertschöpfungsstrategie zu überprüfen und wertorientiert auszurichten. Ein Ergebnis der Optimierungsansätze ist zum Beispiel die Reduzierung der Variantenvielfalt - etwa mit Hilfe modularer Produktprogramme, Gleichteilestrategien oder Änderungen der Spezifikationen zur Reduktion der Stückkosten. Ziel sind dauerhafte Einsparungen durch die ganzheitliche Optimierung der Wertschöpfungskette. Diese Maßnahmen können die Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette um mehr als 20 Prozent senken.
Um die so erreichten Effekte nachhaltig zu sichern, muss die interne und externe Wertschöpfung kontinuierlich gemessen und an Best Practices ausgerichtet werden. Ein dauerhaftes Controlling und Benchmarking stellt sicher, dass die Ergebnisse erreicht und die Prozesse stets hinterfragt werden.
"Value-Sourcing-Programme lösen sich vom kurzfristigen Preisdenken und schaffen langfristige Werte. Vollständig implementiert und gelebt hilft Value Sourcing, nachhaltige Kostenführerschaft zu sichern, gemeinsame Wachstumspotenziale zu realisieren und die Innovationsfähigkeit des Lieferantennetzwerks zu steigern", so das Fazit von Mercer-Berater Heiss.
Sechs Erfolgsfaktoren von Value Sourcing
Langfristiger Fokus: Value Sourcing geht weit über kurzfristige Kostensenkungsmaßnahmen hinaus. Obwohl Ergebnisdruck und Zwang zu wettbewerbsgerechten Kosten in allen Branchen zunehmen, darf die Nachhaltigkeit nicht vernachlässigt werden. Erfolgreiche Unternehmen verbinden kurzfristige Effizienzsteigerungen mit vorausschauenden Strategien.
Konzentration statt Breite: Die zunehmende Verlagerung der Wertschöpfung auf Lieferanten bedeutet eine ständige Zunahme der Komplexität im Einkauf. Deshalb führt nicht die Arbeit an vielen parallelen Einkaufskategorien zum Erfolg, sondern die fokussierte und tief greifende Optimierung jeder einzelnen.
Auf Innovation setzen: Innovationen werden im globalen Wettbewerb zu einem überlebenswichtigen Element. Value Sourcing stößt deshalb kontinuierliche Verbesserungsprozesse und gemeinsame Entwicklungsprojekte mit Lieferanten an, die zum beiderseitigen Erfolg beitragen.
Partnerschaft und Vertrauen: Der Aufbau eines Lieferantennetzwerks, das hinsichtlich Kosten, Qualität und Geschwindigkeit zu den Besten zählt, ist ein langfristiger Prozess. Value Sourcing setzt auf Partnerschaft und Vertrauen statt auf einseitige Ausnutzung von Marktmacht und kurzfristige Optimierungen entlang der Wertschöpfungskette.
Globale Ausrichtung: Erfolgreicher Einkauf kennt keine Grenzen. In Zeiten der Globalisierung stellen räumliche Distanzen keine Barrieren mehr dar. Keine Unternehmensfunktion erlebt diesen Wandel intensiver als der Einkauf. Wer die Möglichkeiten der globalen Märkte nicht nutzt, verschenkt entscheidende Zukunftschancen bei Produktivität, Innovation und Wachstum.
Kontinuität: Der stetige Wandel und die zunehmende Dynamik der Märkte wirken sich unmittelbar auf den Einkauf aus. Value Sourcing ist daher nicht als Einzelprojekt zu verstehen, sondern als ein kontinuierlicher Wertsteigerungsprozess. Nur so lassen sich erreichte Wettbewerbsvorteile erhalten und dauerhaft sichern.
Hinweis
Hintergründe zur Studie und weiterführende Ergebnisse finden Sie unter:
[Quelle: Mercer Management Consulting; Bild: Photocase.com]