Elektronischer EntgeltnachweisELENA und die Tücken der Gesetzgebung

Ist ELENA nun gut oder schlecht? Der Fachanwalt Dr. Thomas Koeppen klärt auf und zeigt, warum Datenschützer das Gesetz für verfassungswidrig halten.

Hinweis

Eine gemeinsame Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18.7.2011 besagt: Das ELENA-Verfahren wird eingestellt.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben sich nach eingehender Überprüfung des ELENA-Verfahrens darauf verständigt, das Verfahren schnellstmöglich einzustellen.

Grund ist die fehlende Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur. Umfassende Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass sich dieser Sicherheitsstandard, der für das ELENA-Verfahren datenschutzrechtlich zwingend geboten ist, trotz aller Bemühungen in absehbarer Zeit nicht flächendeckend verbreiten wird. Hiervon hängt aber der Erfolg des ELENA-Verfahrens ab.

Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass die bisher gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht und die Arbeitgeber von den bestehenden elektronischen Meldepflichten entlastet werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wird in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

[Redaktion business-wissen.de]

Statt Erleichterung doppelter Aufwand

Schon jetzt übermitteln Arbeitgeber regelmäßig Sozialdaten ihrer Beschäftigten an die zentralen Stellen oder stellen Entgeldbescheinigungen aus. Ziel des Gesetzes war es, kurz gesagt, Arbeitgebern den bürokratischen Aufwand bei der Erstellung von Papierbescheinigungen etwa für Elterngeld, Arbeitslosengeld oder Bundeselterngeld oder Wohngeld zu erleichtern. In Zukunft sollen Arbeitgeber also nicht mehr anlassbezogen schriftliche Bescheinigungen ausstellen müssen. Diese können automatisiert durch die vorgehaltenen Daten erstellt werden. Stattdessen müssen sie aber monatlich alle Einkommensdaten an eine zentrale Speicherstelle melden.

Da aber das gewöhnliche Meldeverfahren zunächst einmal bis 2012 weiterläuft, entsteht bis dahin doppelter Aufwand. Ein rotes Tuch für gestresste Personalleiter – denn die große Entlastung lässt vorerst auf sich warten. Vor allem kleinere Unternehmen wie Dienstleister oder klassische Handwerksbetriebe müssen sich auf zusätzliche administrative Belastungen einstellen. Denn sie werden ihre elektronische Infrastruktur so ausstatten müssen, dass die ELENA Datensätze den Vorschriften gemäß erzeugt, verschlüsselt und die Übermittlung gesetzeskonform protokolliert wird.

Und bevor ein Arbeitnehmer in Zukunft etwa Leistungen wie Eltern- oder Wohngeld beziehen kann, benötigt er zuerst eine qualifizierte digitale Signatur. Diese muss er bei der bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen und erteilt damit der staatlichen Stelle sein Einverständnis zum Datenabruf. Die Signatur wird auf einem speziellen Chip wie bei Bank- oder Kreditkarten gespeichert und hat rechtlich die Wirkung wie eine Unterschrift. Der Datenabruf erfolgt dann – so die Planung – direkt von der Behörde selbst.

Schnellschuss mit ungewissem Ausgang

Mittlerweile scheint aber auch gar nicht mehr gesichert, dass sich das Gesetz überhaupt bis zum Jahr 2012 hält. ELENA ist - ähnlich wie die Gesundheitskarte ein übers Knie gebrochenes Massendatenprojekt, dessen Ausgang ungewiss ist. Erstaunlich ist, dass das Gesetz im Frühjahr 2009 den Bundestag passierte, praktisch ohne dass die Öffentlichkeit hiervon Notiz genommen hätte. Erst mit Inkrafttreten begannen hörbare Diskussionen über die datenschutzrechtliche Problematik. Am 31. März 2010 wurde inzwischen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Vorratsdatenspeicherung ist ein Sicherheitsrisiko

Doch worin liegt eigentlich die Problematik: Durch das Entgeltnachweisgesetz werden unterschiedlichste Daten aller Arbeitnehmer des Landes zentral an einer Stelle gespeichert. Benötigt werden diese Daten jedoch nur dann, wenn tatsächlich Sozialleistungen von den betreffenden Arbeitnehmern beantragt werden. Dies bedeutet, dass in vielen Fällen massenhaft Daten gespeichert werden, ohne dass es hierfür eine Verwendung gibt. Dass eine Vorratsdatenspeicherung nur unter äußerst engen Voraussetzungen zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht gerade erst bestätigt. Führende deutsche Datenschützer wie Professor Simitis und der Berliner Datenschutzbeauftragte Dr. Alexander Dix halten ELENA für verfassungswidrig.

Rechtsunsicherheit statt Bürokratieabbau

Eine zentrale Vorratsdatenspeicherung birgt stets ein großes Sicherheitsrisiko. Denn bei jeder Datensammlung, auch wenn sie noch so gesichert ist, besteht die Gefahr, dass sie geknackt wird. Zentrale Massenspeicherungen sind daher extrem anfällig, zumal derzeit nicht einmal vollständig absehbar ist, wer Zugriff auf die Daten erhalten wird.

Die Problematik verschärft sich vor dem Hintergrund der Speicherung sensibler Daten, welche auch zum Teil übermittelt werden sollen. Denn aus den übermittelten Daten lassen sich auch Rückschlüsse auf die Betriebsratstätigkeit eines Mitarbeiters ziehen. Kritiker bemängeln die fehlende Transparenz. Beschäftigte wissen nämlich in der Regel nicht, was der Arbeitgeber über sie in der ELENA-Datenbank hinterlegt. Dies betrifft besonders die sogenannten Freitextfelder, wie sie etwa in Zusammenhang mit einer Kündigung vorgesehen sind. Es können hier ungeprüft Angaben des Arbeitgebers über den Kündigungsanlass übermittelt werden, ohne dass der Arbeitnehmer hiervon weiß, und ohne dass er diese korrigieren könnte. Ursprünglich war sogar geplant, dass der Arbeitgeber Informationen über die Teilnahme von Mitarbeitern an Streiks übermittelt. Dies wurde mittlerweile korrigiert. Aber nicht nur aus Datenschutzgründen, sondern auch, weil die Bundesagentur für Arbeit kein Interesse an diesen Daten hatte.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht jüngst in seinem Urteil zur Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat zum Ergebnis der Verfassungswidrigkeit gekommen ist, wird auch innerhalb der Bundesregierung erneut überprüft, ob ELENA verfassungswidrig sein könnte. Im Ergebnis steht also ein Gesetz, mit welchem niemand so recht zufrieden ist, und welches wieder einmal durch das Bundesverfassungsgericht gekippt werden könnte. Bürokratieabbau sieht anders aus.

[Bild: www.das-elena-verfahren.de]

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