EngpassAuch für Toyota gibt es Grenzen des Wachstums
Geschickt hat Toyota die vergangenen Jahre genutzt: Die Japaner setzten auf organisches Wachstum, ständige Verbesserungsprozesse und zuletzt auf die Klimadebatte, um bis an die Weltspitze unter den Automobilbauern vorzurücken. General Motors, der bisherige Spitzenreiter, wurde im ersten Quartal 2007 erstmals verdrängt.
Toyota fährt ein geringes Investitionsrisiko und stürzte sich nicht wie BMW mit Rover oder Mercedes mit Chrysler in teure Übernahmen. Stattdessen entwickelten die Japaner ihre Marken anhand langfristiger Strategien. Ein Jahrzehnt ließ man sich beispielsweise, um die Tochter Lexus auf dem US-Markt zu etablieren. Heute verkauft die Luxusmarke die meisten Oberklasse-Limousinen in Nordamerika.
Doch das seit einigen Jahren beschleunigte Wachstum macht dem Konzern zunehmend Probleme, die den Gewinn im letzten Quartal 2006/07 überraschend zurückgehen ließen. Selbst Vorstands-Chef Katsuaki Watanabe warnt vor Arroganz und Selbstzufriedenheit und vor der
"Krankheit jedes Großunternehmens. - Bei anhaltendem Wachstum neigt man dazu, die Probleme nicht ernst zu nehmen."
Über die Toyota Motor Corporation (TMC)
Im August 2007 wird der japanische Autobauer 70 Jahre alt. Knapp 300.000 Menschen beschäftigt er weltweit in zwölf eigenen Fabriken sowie 52 Tochterfirmen und Zulieferern rund um den Globus. Dabei fuhr er im abgelaufenen Geschäftsjahr 2006/07 einen operativen Gewinn von 9,8 Milliarden Euro ein; ein Plus von 20 Prozent zum Vorjahr. Das gute Auslandsgeschäft beflügelte Toyotas Umsatz um 13,8 Prozent auf 147,1 Milliarden Euro - der fünfte Rekord in Folge. Gut neun Millionen Fahrzeuge jährlich laufen bei Toyota vom Band, bald will man die 10 Millionen-Marke knacken. Außer Toyota und Lexus gehören noch die Marken Daihatsu und Hino zum Portfolio.
Ein hohes Ansehen in der Industrie erlangte der Autobauer durch innovative Konzepte wie die synchrone Anlieferung von Zulieferteilen (Just-in-time-Produktion), die Prozesssteuerung Kanban zur Minimierung von Lagerbeständen und den Kaizen genannten kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
Hinweis
Ein Praxisbeitrag zu Toyotas schlanken Produktionsmethoden:
"Die Toyota Strategie - Alles wird immer besser"
Qualitätsprobleme rütteln am Image
Bei seiner andauernden Wachstumsstrategie stellt Toyota heute nach eigenen Angaben drei Schlüsselbereiche in den Vordergrund: Umwelt, Sicherheit und Energie während die meisten anderen Autobauer auf Design, Leistung und Emotionen setzten.
Auffällig ist, dass Toyotas Strategie-Dreiklang den Punkt Qualität nicht mehr aufgreift. Und das, obwohl das Unternehmen bisher in vielen Pannenstatistiken glänzte und sich einen glänzenden Namen in puncto Zuverlässigkeit gemacht hatte. Doch auf einer Ingenieurskonferenz in Detroit beteuert Vorstands-Chef Watanabe, dass die Qualitätsphilosphie nach wie vor entscheidend sei:
"Wichtiger ist mir, dass die Marke auch künftig hält, was sie verspricht: Qualität und Zuverlässigkeit.
Gleichwohl: Hier ging zuletzt einiges schief. Toyota muss seine Qualitätsführerschaft nun neu beweisen.
Pleiten, Pech und Pannen
Ein Warnschuss vor den Bug waren die vielen Rückrufaktionen in den letzten zwei Jahren. 2005 rief der Konzern 2,38 Millionen Fahrzeuge allein in den USA zurück mehr als dort jährlich verkauft werden. 2006 erreichte die Zahl der Rückrufe wieder etwa zwei Millionen. Viele Probleme waren nicht gravierend, andere schon. Bei einem Lexus konnte ein Stück Verkleidung das Gaspedal blockieren, beim Toyota Land Cruiser 120 leckte die Bremsleitung, bei einigen Modellen verschliss die Servolenkung zu schnell, was bei einem Ausfall zu unlenkbaren Fahrzeugen geführt hätte. Als dann auch noch Ermittlungen gegen drei Manager wegen grober Fahrlässigkeit einsetzten, wurden zusehends Zweifel an der Qualitätsstrategie des Unternehmens wach. Den Managern wird vorgeworfen, über acht Jahre lang Defekte, Schäden und Qualitätsmängel verschleiert zu haben. Manche Defekte hatten gar zu schweren Unfällen geführt, schreibt die Financial Times Deutschland.
Eine weitere Niederlage erlitt Toyota in der gerade veröffentlichten ADAC-Pannenstatistik. Dort bleiben die Japaner hinter BMW und Audi zurück. Um sein angekratztes Qualitätsimage zu reparieren, gönnt Toyota nun einigen Modellen eine um drei bis sechs Monate verlängerte Entwicklungszeit. Die Verzögerung trifft Modelle wie den kommenden Prius, den Sienna Minivan, das Solara Sport-Coupé oder den Avalon Sedan. Auch der Corolla-Nachfolger Auris kam schon später auf den Markt als ursprünglich geplant. Die übliche Entwicklung solcher Projekte dauerte bis dato laut dem Wall Street Journal 26 Monate und lag damit unter dem Branchendurchschnitt. Toyota sucht nun weltweit 8.000 Ingenieure, die den zusätzlichen Entwicklungsaufwand auffangen sollen.
Hybrid-Fahrzeuge: Toyotas neuer Fokus auf Umwelt und Energie
Toyotas neuer Schwerpunkt auf Umwelt und Energie rührt aus dem Erfolg seiner Hybrid-Fahrzeuge. Für diesen Fahrzeugtyp hat Toyota seit 1997 im Alleingang einen Markt geschaffen. Toyotas Hybridmotoren verfügen über einen Kombi-Antrieb aus Benzin- und Elektromotor, der im Stadtverkehr viel Sprit einspart, indem er Energie aus Bremsungen zurückgewinnt. Für Autobahn-Vielfahrer ist das Einsparpotenzial durch das zusätzliche Gewicht des Elektromotors nicht ganz so groß.
Aufgrund der steigenden Benzinpreise avanciert die Hybrid-Technik derzeit zum Boom-Markt. In den ersten drei Monaten des Jahres verkaufte Toyota 61.635 Hybridmodelle, eine Steigerung um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Doch auf diesen Lorbeeren kann sich Toyota genauso wenig ausruhen wie auf seinem Qualitätsimage. Die günstigere Konkurrenz aus Indien und China schickt sich an, in Asien Marktanteile zu erobern. Und VW-Chef Martin Winterkorn hat Toyota zum Maßstab für sein Unternehmen erklärt und will die Japaner in Europa wieder einholen. Mit einem neuen Stadtfahrzeug sowie Hybrid-Versionen von Golf und Polo will VW auf den Spritspar-Zug aufspringen. Erfahrungen mit den Hybriden sammelt VW bereits seit 2003 in Süd-Amerika. Im Werk von Sao Paulo wird die Produktion bereits dieses Jahr vollständig auf Hybrid-Technik umgestellt.
Dagegen will Toyota-Chef Watanabe auf ein extrem kostengünstiges Auto mit neuem Konzept setzen. Bei der Frankfurter Automesse IAA im September soll der Endo getaufte Mini vorgestellt werden. Die Verwandtschaft zum deutschen Vorbild Smart ist unübersehbar, es sollen jedoch nicht zwei sondern drei Erwachsene und ein Kind Platz im Endo finden. Watanabe sagte der Financial Times Deutschland (FTD), Ziel sei es nicht, ein billiges, minderwertiges Fahrzeug zu produzieren, sondern jedes Bauteil und jeden Produktionsschritt auf seine Kosten zu überprüfen. Die Erkenntnisse sollen in alle anderen Modelle einfließen.
Mit Spar- und Ökostrategie die USA erobert
Doch Toyotas ärgster Konkurrent heißt nicht VW. Als bisher größter Autobauer will GM zurück an die Spitze. Erst seit einem Quartal liegen die Amerikaner hinten: 2,26 Millionen verkaufte GMs, darunter viele leistungsstarke Großraumlimousinen und spritschluckende Geländewagen gegen 2,35 Millionen Toyotas, meist Klein- und Mittelklassewagen. Die Öko-Strategie der Asiaten ist der Leistungs-Strategie der Amerikaner überlegen. Der Marktanteil amerikanischer Autos in den USA sank in den letzten Jahren von 80 auf nun knapp 60 Prozent. 2007 prognostizieren Experten einen weiteren Abfall auf unter 50 Prozent. Mit dem "Camry" baut Toyota bereits jetzt das beliebteste Auto in den USA.
Im größten US-Marktsegment, den schweren Geländewagen und Pick-ups, hält GM noch einen wackeren Vorsprung. Das Geschäft mit den dicken Brummern will sich Toyota aber nicht nehmen lassen. Der generalüberholte Pick-up Tundra wurde bereits auf der Detroit Motor Show 2006 vorgestellt - größer, stärker und besser ausgestattet als sein Vorgängermodell. Die Ökostrategie fährt Toyota also nur dort, wo die Kunden es wünschen. Das ist ebenfalls Teil der Toyota-Philosophie: Kein Wettstreit mit den Konkurrenten, sondern allein die strikte Kundenorientierung soll zählen.
Die Grenzen des Wachstums: Fachkräftemangel und Zulieferer
Toyotas Weg zur Marktführerschaft hat viel Geld gekostet. Neue Modelle und Fabriken sind Investitionen, bei denen sich erst spät zeigt, ob sie die Ausgaben wieder einspielen. Da Toyota zum Großteil vom Auslandsgeschäft abhängig ist, hat das Unternehmen seine neuen Produktionslinien ebenfalls international aufgestellt. In diesem Jahr wird die Produktion im Ausland erstmals größer sein als die in Japan. Deswegen richtet Toyota seit dem Jahr 2003 so genannte Global Production Center (GPC) ein. Die inzwischen vier GPCs (Japan, USA, Großbritannien, Thailand) sollen die Produktion der jeweiligen Region überwachen. Sie sollen dafür sorgen, dass zuerst ein lokales Netzwerk aufgebaut wird, welches Fachkräfte anwirbt und ausbildet sowie zuverlässige Zulieferbetriebe findet oder aufbaut. Bei Toyotas Tempo kommt beides trotz der GPCs kaum hinterher.
In den USA beispielsweise verkauft Toyota rund ein Drittel seiner Autos und dort soll bis 2010 das achte Werk seinen Betrieb aufnehmen. Bis zu 80 Prozent der benötigten Bauteile der bereits stehenden sieben Werke stammen von lokalen Zulieferern. Sie müssen zuerst auf Toyotas Firmenphilosophie eingeschworen werden, bevor sie die geforderte Qualität liefern. Für viele eine große Herausforderung: Sie sind Ursache für eine Vielzahl der Qualitätsmängel. Yasushi Aoki, Qualitätsmanager im Tsutsumi-Werk sagte der FTD:
"Pro Schicht finden wir zehn Probleme, die Zulieferer verursacht haben, und zehn, die von uns ausgehen."
"Wir gehen zu den einzelnen Zulieferern und notfalls auch deren Lieferanten, um Fehlerquellen auszuschalten",
erzählt Toyota-Manager Masatake Enomoto, vom Geh zur Quelle" genannten Prinzip.
Für das Fachkräfte-Problem sucht Toyota genauso nach Lösungen. Weltweit wurden in den vergangenen sechs Jahren etwa 70.000 neue Mitarbeiter eingestellt, die geschult werden müssen. Für die Führungskräfte steht eine Art konzerninterne Universität zur Verfügung. Und neu angeworbene Fließbandarbeiter werden in anderen Toyota-Werken von erfahrenen Fachkräften angelernt, bevor sie in ihrem Heimatwerk loslegen. Besonders schwierig gestaltet sich die Ausbildung von Mitarbeitern, die schon Erfahrung aus der Autoproduktion mitbringen. Ihre Gewohnheiten lassen sich kaum austreiben. So bildet selbst Konzernchef Watanabe noch Mitarbeiter aus. Und das manchmal nur, um mit ansehen zu müssen, wie die Konkurrenz den fertig Ausgebildeten abwirbt.
Zukunftsaussichten heiter bis wolkig
Für das Geschäftsjahr 2008 prognostiziert das Unternehmen noch minimal steigenden Gewinn und Umsatz. Ein Alarmsignal kommt vom gesättigten Heimatmarkt. Er brach 2006 leicht ein, dazu kamen kräftige Absatzverluste (10,3 Prozent) in den aufstrebenden Märkten Asiens; Märkte, die das künftige Wachstum der Branche bestimmen. Analysten warnen Toyota, dass seine Käuferschaft bei gesättigtem Markt insgesamt zu alt sei und jüngere Kunden angelockt werden müssen. Dazu müssten aufregendere Modelle gebaut werden.
Größter Zukunftsmarkt für Toyota ist Europa, mit bisher sechs Prozent Marktanteil. Momentan wird in Deutschland die grundlegende Vertriebsorganisation ausgebaut, Werke in Osteuropa stehen bereits. Der Umsatz legte vergangenes Jahr schon um 13 Prozent zu. Auch die Kapazitäten in China, Russland und Indien werden aufgestockt. Das Ziel: Wieder in allen Pannenstatistiken auf Platz eins zu stehen.
Hinweis
Das lernen Sie
- Zu schnelles Wachstum kann auf Kosten der Qualität gehen, wenn die neuen Mitarbeiter und Partnerbetriebe nicht ausreichend an die Hand genommen werden oder erst gar nicht verfügbar sind.
- Auch in der Wachstumsphase und bei glänzenden Erfolgen müssen Probleme ernst genommen werden und ständige Verbesserungen erfolgen.
- Global expandieren, lokal produzieren: Glokalisierung lautet das Zauberwort, an dem sich auch Toyota ausrichtet.