Facilitating ChangeBereitschaft zur Veränderung wecken

Facilitating will die Wahrnehmung und Haltung aller am Change-Prozess Beteiligten schulen und die Ideenfindung jenseits linearer Denkmuster fördern.
Von Renate Franke und Barbara Zuber

Der Begriff „Facilitate“ kommt aus dem Englischen und bedeutet erleichtern oder fördern. Im Sinne der wörtlichen Übersetzung ist ein Facilitator also ein Erleichterer oder Förderer. Er ermöglicht es Beteiligten, an einem Prozess teilzunehmen, indem er sie darin unterstützt, sich einzubringen. Er erleichtert ihnen das Erkennen der eigenen Fähigkeiten und fördert diese. Facilitating Change ist eine Methodik zur Begleitung von Veränderungsprozessen. Die Grundannahme: Das notwendige Wissen für das Gelingen eines notwendigen Wandels ist in jedem System vorhanden. Allerdings braucht es Hilfestellung, um dieses Wissen ans Tageslicht zu befördern.

Facilitating Change ist eine Form der Prozessbegleitung

Facilitating bringt ein System und alle an einem Veränderungsprozess Beteiligten in Kontakt mit seinen Ressourcen. Verantwortliche in Change-Prozessen werden befähigt, sowohl die eigene Wahrnehmung zu schärfen und ihre Haltung zum Change-Prozess zu definieren, als auch Blockaden, Ängste und Verhinderungsmechanismen mit dem Team aufzuspüren und sinnvoll zu verarbeiten. Facilitating ist ein „Add-on“ in der Praxis der Organisationsentwicklung, eine ergänzende Methode im Werkzeugkoffer von Beratern oder Coachs und eine ergänzende soziale Technik für Führungskräfte im Umgang mit dem Team und in der Steuerung von Change-Prozessen.

Facilitating ist eine Form der Prozessbegleitung oder Prozessmoderation. Ähnlich wie bei anderen Ansätzen geht es darum, Menschen in Veränderungsprozessen zu beteiligen. Im angloamerikanischen Raum steht der Begriff bisher für eine besondere Art der Moderation. Andere sehen darin eine spezifische Haltung. Facilitating ist ein interagierendes und dynamisches Geflecht von Haltung, Change-Design und Prozesswissen, das in Verbindung mit bestimmten Werkzeugen und Methoden eine verbesserte Beteiligung von Führungskraft, Team und Mitarbeitern im Change-Prozess herstellt.

Gelassenheit in Change-Prozessen

Leitfaden des Facilitating-Ansatzes ist die „Theorie U“ von Claus Otto Scharmer, dem Gründer des Presencing Instituts in Cambridge, Massachusetts. Scharmer sagte einmal: „Um die tieferen Schichten des Lernens und der kollektiven Intelligenz zugänglich zu machen, benötigen Führungskräfte eine neue soziale Technologie, durch die drei Instrumente bewegt und gestimmt werden können: der offene Verstand, das offene Herz und der offene Wille.“ Der Soziologe erforschte über mehrere Jahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Gestaltung nachhaltig erfolgreicher Veränderungsprozesse. Der Kerngedanke: Authentizität, Emotionalität und eine wachsame Offenheit für die Potenziale der Zukunft.

Gelassenheit und Humor gegenüber dem Unbekannten spielen in Veränderungsprozessen eine Schlüsselrolle. Der Facilitating-Ansatz gründet auf der These einer unbeherrschbaren Welt, in der notwendige Veränderungsprozesse nicht länger allein auf der Basis erprobten Wissens eingeleitet werden können: Die Welt ist volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Das daraus abgeleitete VUKA-Akronym – „v“ steht dabei für volatil, „u“ für unsicher und so fort –, ursprünglich vom amerikanischen Militär geprägt, fand bereits vor zehn Jahren als neues Mindset Eingang in die zivile Leadership-Debatte im deutschsprachigen Raum und wird vermehrt integriert in die Praxis der Organisationsentwicklung.

Wann Facilitating Sinn macht und wann nicht

Facilitating will die Bereitschaft zur Veränderung wecken und eine stärkende, innere Haltung zu komplexen Veränderungsprozessen entwickeln. Das kann der Fall sein, wenn im Unternehmen eine tiefgreifende Veränderung ansteht – oder nicht greift. Beispiele: In der Organisation gibt es eine Blockade, das Neue bekommt keinen Schwung; in der Verwaltung soll ein befreiender Neuanfang alle erreichen; Führungskraft und Mitarbeiter kommen schon seit einiger Zeit nicht über einen bestimmten Punkt hinaus.

Allen Szenarien ist gemeinsam: Jeder Mensch, der an einer notwendigen Veränderung beteiligt ist, braucht Orientierung. Er muss wissen, wo er steht, wo die anderen stehen und wo es hingehen kann oder soll. Facilitating fördert die Bereitschaft, das Neue (oder die Zukunft) zuzulassen, das Unvorhersehbare und Unplanbare offen anzunehmen, sich authentisch zu zeigen, um Vertrauen und emotionale Beteiligung herzustellen. Facilitating kommt Menschen entgegen, die lebenslanges Lernen als selbstverständlich betrachten, mit Auf und Abs vertraut sind, Ängsten und Emotionen in Stresssituationen mit Empathie begegnen können oder den Wechsel und die Lebendigkeit lieben.

Grundvoraussetzung ist das Wollen und die Unterstützung des Auftraggebers. Facilitating macht dort Sinn, wo Menschen zusammenarbeiten und sich zeigen wollen. Es macht keinen Sinn in einer Anordnungskultur. Eine Kultur, die das Potenzial im Einzelnen nicht unterstellt oder wertschätzt, braucht kein Facilitating und wird sich auch nicht darauf einlassen.

Nutzen für Führungskräfte und Mitarbeiter

Facilitating schult die Wahrnehmung und Haltung aller am Prozess Beteiligten, eröffnet einen geschützten Raum für echten Austausch und fördert die Ideenfindung jenseits linearer Denkmuster. Als Facilitatoren geschulte Führungskräfte arbeiten mit ihren Teams heraus, um was es in der Tiefe geht. Facilitatoren nehmen wahr, spiegeln, fragen, geben Impulse, wecken innere Kräfte, öffnen Räume für Vertrauen, machen Handlungsangebote, gestalten Inszenierungen und verhelfen mitunter unerwarteten Lösungen ans Licht.

Ein erster Schritt ist dabei zunächst die Schärfung der eigenen Wahrnehmung. Denn je differenzierter die Wahrnehmung, umso umfangreicher das Verständnis für eine Situation. Das stärkt die Qualität der Handlungen, die daraus entstehen. Emotionalität und Intuition besitzen als Inspirationsquelle einen besonderen Stellenwert im Facilitating. Die Fähigkeit, sich authentisch zu zeigen, wird ausdrücklich gefördert. In der Arbeit mit dem Team schafft ein Facilitator einen geschützten und positiven Raum, der die spezifischen Fähigkeiten, Talente, Wünsche oder Ängste aller Beteiligten zutage befördert – gefragt ist echte Beteiligung.

Zugleich wissen geschulte Führungskräfte um die Hebelwirkung von Entschleunigung, Widersprüchlichkeit und die Abgabe von Kontrolle an den neuralgischen Punkten im Veränderungsprozess. Sie fördern daher auch ungewöhnliche Szenarien, kalkulieren Leistungseinbrüche ein oder akzeptieren Fehler als Teil des Lernens.

Checkliste

Fragen zur Selbstreflexion im Change-Prozess

  • Welchen Wert hat Ihr Change-Prozess für die Organisation? Was wollen Sie bewirken und was wird der Preis für die Wirkung sein?
  • Wie stehen Sie zum Konzept des Veränderungsprozesses? Wo sind Sie absolut überzeugt, wo unsicher?
  • Wie offen sind Sie, Ihr Thema zu verwerfen oder zu verändern, wenn Kritik kommt?
  • Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Mechanismen und Instrumenten für das Herstellen von Klarheit für die am Change Beteiligten?
  • Welche Angebote machen Sie, um Ihren Zuhörern die erste Verarbeitung von Informationen zu ermöglichen?
  • Welche Angebote machen Sie Ihren Zuhörern, das Thema rational und emotional zu verstehen?
  • Wie gehen Sie mit Widerständen, Anregungen und Sorgen um?
  • Kennen Sie die Ängste Ihrer Mitarbeiter?
  • Teilen Sie Ihr Prozesswissen?
  • Kommunizieren Sie Ihr Wissen über die Notwendigkeit des Wandels, über Missstände, den Stand des Wandels und die damit einhergehende Mehrbelastung für alle?
  • Wie geben Sie kritisches Feedback?
  • Beobachten Sie eher echtes Lernen oder eher Frust?
  • Wie steht es um das Vertrauen und die Offenheit im Team?
  • Kennen Sie die Tabus im Umgang mit dem einzelnen Mitarbeiter?
  • Erwarten Sie immer 100 Prozent Einsatz oder können es auch einmal weniger sein?
  • Welche Ideen und Gewohnheiten haben Sie, um mit Ihrem Team Erfolge zu feiern?

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