Female RecruitingWarum Frauen im Unternehmen der Schlüssel zum Erfolg sind

Frauen können die Beschäftigungslücke schließen. Wenn Unternehmen dies erkennen, werden sie auch in Zukunft erfolgreich sein.

In vielen Ländern stellen Frauen schon die Mehrheit der Hochschulabsolventen und sie gelten bei vielen – auch männlichen – Experten mittlerweile als die besseren Manager. Das Aufspüren von weiblichen Talenten, „Female Recruiting”, ist eine ökonomische Notwendigkeit.

Und die Voraussetzungen dafür, dass Frauen die Beschäftigungslücke schließen, waren vermutlich nie besser, denn sie haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Qualifikationen erheblich verbessert und in manchen Bereichen die Männer bereits überholt. Auf dem Arbeitsmarkt spiegelt sich das aber noch nicht wider. Im Gegenteil.

Eine aktuelle Studie von Regus (Januar 2011) stellt fest, dass sich die Chancen für berufstätige Mütter verschlechtern. Zwar beabsichtigen 49 Prozent der Unternehmen, ihre Belegschaft aufzustocken, doch nur 33 Prozent planen, mehr Mütter einzustellen. Im Vorjahr waren es noch 48 Prozent. 

Oben ohne

Und in den Führungsetagen sieht es nicht besser aus, bestätigt Hans W. Jablonski, Diversity-Experte und Mitbegründer der Initiative „Charta der Vielfalt”. Er sagt:

„In Deutschland beträgt der Anteil von Frauen in Vorstandspositionen der Dax30 Unternehmen nur drei Prozent, in den Top-Management-Positionen reden wir über zwölf Prozent. Das ist kein Vergleich mit Norwegen, das mithilfe der gesetzlich vorgeschriebenen Quote von 40 Prozent für Aufsichtsräte, den Frauenanteil bei Vorständen auf 29 Prozent und im Top Management auf 21 Prozent heben konnte. Auch Spanien und Frankreich haben eine solche Quoten eingeführt, in Italien wird zurzeit darüber diskutiert.”

Ganz anders in Deutschland, wo nach einer internen Analyse der Personalberatung Michael Page International aus dem Jahr 2010 die Anzahl der weiblichen Bewerber auf Positionen im mittleren Management mit einem Gehaltsgefüge von 50.000 bis 130.000 Euro weiter gesunken ist. Von 2009 bis heute bewarben sich 25,5 Prozent Frauen auf Positionen im mittleren Management in Deutschland. Das sind 9,6 Prozent weniger als in 2008.

Als Begründung für di eses alarmierende Ergebnis nennt Michael Page die Angst vieler Kandidatinnen vor der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2010 bestätigt diese Einschätzung. Sie legt offen, dass die Doppelbelastung von Familie und Beruf für Frauen nach wie vor die entscheidende Karrierebremse darstellt. Jede Zweite habe aus diesem Grund mindestens einmal ihre Karrierewünsche aufgeben oder ändern müssen.

Offensichtlich hat Corporate Germany hier also einige Hausaufgaben zu machen, um zukünftig auch die weiblichen Potenzialträger optimal einsetzen zu können. Entsprechende Diversity-Aktivitäten sind in Deutschland bislang aber kaum verbreitet. Diese Erfahrung macht auch Hans Jablonski:

„Nur etwa die Hälfte der DAX-30-Unternehmen hat sich in unterschiedlicher Intensität mit dem Thema Diversity Management auseinandergesetzt. Es gibt zwar immer wieder eine Reihe von Einzelmaßnahmen, aber ein strategisches Diversity Management haben bislang die wenigsten Unternehmen aufgebaut.”

Dabei ist es für das weitere wirtschaftliche Wachstum in Deutschland unabdingbar, dass gut ausgebildete Frauen gefördert und motiviert werden, einer erfolgreichen Karriere nachzugehen.

Edda Peters, geschäftsführende Gesellschafterin beim subreport Verlag Schawe in Köln, ein für erfolgreich umgesetzte Diversity-Strategien und Familienfreundlichkeit mehrfach ausgezeichneter Arbeitgeber, bringt die Notwendigkeit, Diversity im Unternehmen zu leben, auf den Punkt:

„Personelle Vielfalt ist ein ökonomischer Erfolgsfaktor. Wir schätzen und wollen die Vielfalt von Talenten, von Herkunft, Geschlecht, Alter und Religion in unserem Unternehmen, denn gerade aus den Unterschieden im Denken und Handeln entstehen Kreativität und Innovation. Und Innovation ist die Grundlage für höhere Effektivität und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.”

Female Recruiting

Die Mitarbeiter-Zusammensetzung in den Unternehmen vielfältiger zu gestalten ist allerdings ein langwieriger Prozess, der an der Grund-Substanz der Unternehmenskultur ansetzen muss. Bei der Entscheidung, mehr Frauen im Unternehmen einzustellen, reicht es nicht, die bisherigen Bilder in Image- oder Stellenanzeigen durch Frauen zu ersetzen, um die weibliche Zielgruppe anzusprechen.

Die Forderung lautet auch hier, dass Unternehmen authentisch darstellen, warum sie Frauen suchen, was sich das Unternehmen davon verspricht, wenn mehr Frauen eingestellt werden und wie die Karrierechancen für Frauen, dann in der Praxis aussehen.

Axel Keulertz, Research Director DACH beim Employer-Branding-Spezialisten Universum rät daher folgerichtig, dass die Angebote, die ein Arbeitgeber explizit der weiblichen Belegschaft offeriert, in die Unternehmenskultur eingebettet sind:

„Die Mitarbeiterin wird die Möglichkeit, von zu Zuhause aus zu arbeiten oder ihre Aufgaben in die Abendstunden zu verlegen nur nutzen, wenn dies in der Organisation nicht lediglich toleriert, sondern tatsächlich gelebt wird. Das erfordert ein Umdenken, da Gender Diversity sich durchaus auch auf Männer beziehen kann, die die flexiblen Arbeitszeiten ebenso nutzen wollen, um die Kinder vom Kindergarten abzuholen.“

Unternehmen müssen in ihren zukünftigen Recruiting-Strategien berücksichtigen, dass Frauen eine grundsätzlich andere Vorstellung von Karriere haben als Männer. Ihnen wird häufig nachgesagt, sie hätten verschwommenere und weniger zielgerichtete Karrierewünsche und seien deshalb weniger erfolgreich. Viele Frauen sehen jedoch – anders als die meisten Männer – Karriere nicht als das Erklimmen einer Position zur nächsthöheren, sondern als einen stetigen Weg zu persönlichem Wachstum, Selbstverwirklichung und Befriedigung. Zudem sind Frauen im Regelfall viel weniger hierarchisch geprägt. Der Faktor „Macht“, der in einer erfolgreichen Karriere latent immer mitschwingt, stößt viele Frauen intuitiv ab.

Hinzu kommt, dass Frauen mit Kinderwunsch – zumindest für eine gewisse Zeit – in ihrer Mutterrolle nicht ersetzt werden können. Die familienbedingte Unterbrechung müssen Unternehmen in ihren Überlegungen berücksichtigen, wollen sie talentierte Mitarbeiterinnen langfristig im Unternehmen halten.

Um in der Zielgruppe „Frau“ eine erfolgreiche Arbeitgeber-Marke aufbauen zu können, müssen also andere Werte und Wertvorstellungen kommuniziert werden. Dazu meint Axel Keulertz:

„Die Arbeitgeberpräferenzen der Frauen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von denen der Männer und darauf sollten die Unternehmen eingehen. Flexible Arbeitsbedingungen sind beispielsweise für 23,5 Prozent der berufstätigen Frauen aber nur für 18,9 Prozent der Männer wichtig.“

Frauen sind überall da erfolgreich, wo sie, ohne Vorurteile zu erfahren, Leistung erbringen können, die entsprechend gewürdigt wird. Wer also den Pool an weiblichen Führungskräften aufstocken möchte, muss nicht nur dafür sorgen, dass genügend Frauen eingestellt werden, um eine entsprechende Talent-Basis aufzubauen, sondern in den Unternehmen selbst müssen Anreizsysteme dafür geschaffen werden, dass Frauenkarrieren überhaupt möglich sind.

Female Recruiting ist folglich nicht nur der ganzheitliche Ansatz und ausdrückliche Wunsch eines Unternehmens, den weiblichen Talent-Pool konsequent aufzubauen, weibliche Potenzialträger an das Unternehmen zu binden und ihnen langfristige Karriere-Perspektiven zu bieten. Female Recruiting bedeutet im Umkehrschluss, dass Work-Life-Balance-Angebote und Familienprogramme auch von den männlichen Mitarbeitern gleichwertig genutzt werden können, denn vor allem bei den jungen Männern der Generation Y wächst das Bedürfnis, neben einem erfüllenden Job auch für die Familie da sein zu können. Ziel des „Female Recruitings“ muss daher sein, die Entweder-Oder-Entscheidung bei Frauen zu vermeiden.

Female Recruiting kann daher nur funktionieren, wenn die frauen- und familienfreundlichen Werte des Unternehmens überzeugend und authentisch in die Zielgruppe der Frauen getragen und innerhalb der Organisation durch alle Bereiche gelebt werden. Wenn das Management eine Feminisierung anstrebt, die Basis aber nicht von der Notwendigkeit überzeugt wird, ist der Misserfolg vorprogrammiert. 

„Auf Frauen verzichten heißt Geld vernichten.“

Dieser markante Ausspruch von Christine Marek, Österreichs Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, birgt ein großes Maß an Wahrheit. Zwar ist die Umstellung eines Unternehmens auf ein frauen- und familiengerechtes Arbeitsumfeld zunächst einmal eine monetäre Investition. Langfristig gesehen legen Unternehmen damit aber den Grundstein für die eigene Zukunftsfähigkeit, denn:

  • Divers aufgestellte Teams sind innovativer, erfolgreicher und krisensicherer, denn verschiedene Sichtweisen sorgen für kreativere Lösungen, fand eine Studie der London Business School heraus.
  • Eine amerikanische Studie von Johnson & Johnson zeigt, dass Mitarbeiter in einer direkten Reaktion auf familienfreundliche Maßnahmen nicht nur aktiver wurden, sondern auch loyaler gegenüber dem Arbeitgeber. Ein Faktor, der im Angesicht des bevorstehenden Fachkräftemangels nicht unterschätzt werden darf.
  • Flexible Arbeitszeitmodelle sorgen für Motivation und geben Mitarbeitern den nötigen Freiraum, Beruf und Familie zu kombinieren. Eine Studie der US-Beratung Kenexa bewies schon 2007, dass Beschäftigten, die auch von zu Hause aus arbeiten konnten, das Heimbüro als Vertrauensvorschuss empfanden.

Hausaufgaben, die Unternehmen in dieser Hinsicht zu leisten haben, lauten:

  • Initiativen zur Feminisierung des Unternehmens sind Aufgabe des Top-Managements. Kleine Strohfeuer in einzelnen Abteilungen verpuffen, wenn von oben keine klaren Statements kommen, dass Gender Diversity dem Unternehmen und dem einzelnen Arbeitsplatz dient.
  • Unternehmen müssen ihr Beurteilungssystem für alle Mitarbeiter nach klaren und verständlichen Leistungskriterien definieren und so organisieren, dass erfolgreich sein nicht heißt, bis abends um 10 Uhr im Büro zu sein.
  • Firmeninterne Anreizsysteme müssen dafür sorgen, dass Chancengleichheit auch wirklich durchgesetzt wird.
  • Arbeitsstrukturen müssen familienfreundlich werden. Telearbeitsplätze, Home-Office oder Video-Konferenzen sind keine Zukunftsvisionen mehr. Die Umsetzung ist erprobt – es wird Zeit, dass die Unternehmen diese flexiblen Arbeitsmöglichkeiten selbstverständlich in den Alltag der Mitarbeiter integrieren.
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei helfen Betriebskindergärten, Auszeiten für die Kinderbetreuung und Wiedereinstiegsprogramme nach Familienpausen.
  • Das Hinterfragen berufstätiger Mütter und Wiedereinsteigerinnen muss unterbunden werden. Unternehmen und Manager müssen lernen darauf zu vertrauen, dass Frauen, die Beruf und Familie kombinieren (müssen), ihr Privatleben und ihre Kinderbetreuung im Griff haben – im besten Fall mithilfe der Betreuungseinrichtungen im Unternehmen.
  • Installation von Mentorenprogrammen für Frauen mit dem Ziel, Frauen zu trainieren, die Sprache der Manager zu sprechen und ihren eigenen, authentischen Führungsstil zu entwickeln, der im Unternehmen akzeptiert wird.
  • Sichtbarmachen weiblicher Vorbilder, um gerade jungen Frauen zu zeigen, weibliche Karrieren sind möglich.

Hans Jablonski rät:

„Im Sinne der Zukunftsfähigkeit von Deutschland muss Diversity Management von den Unternehmen als Chance und Erfolgsfaktor erkannt werden. Die Herausforderung liegt darin, das Management der Vielfalt weiter voranzutreiben, Prozesse zu optimieren und ein wertschätzendes Verhalten im Unternehmen sicher zu stellen.”

Solange Frauen nicht in ausreichender Anzahl im mittleren Management vorhanden sind, ist es sinnlos, mehr Frauen im Top-Management zu fordern. Die Feminisierung der Unternehmen muss konsequent und nachhaltig von unten aufgebaut werden. Und nur die Unternehmen, die glaubhaft versichern, dass Frauen erwünscht sind, bekommen auch entsprechend gute Bewerberinnen.

Dazu im Management-Handbuch

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