FührungAuf Augenhöhe mit den Mitarbeitern

Im Job trägt die Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zur Zufriedenheit der Beteiligten bei. Aber wie gelingt es, diese auf eine solide Basis zu stellen? Gedanken von Rainer Herlt.

Wie hört sich die linke Hand an, wenn Sie klatschen? Blöde Frage, werden Sie vielleicht denken. Auf jeden Fall werden Sie keine Antwort darauf haben. Die Wirkung beziehungsweise der Klang beim Klatschen lässt sich nur feststellen, wenn beide Hände benutzt werden. Ist doch klar. Diese buddhistische Anekdote, eine mit logischen Mitteln nicht lösbare Aufgabe, die nur mit Meditation zu Erkenntnissen führen soll, dient mir als Metapher für das Thema.

Wer zufrieden ist, erreicht öfter seine Ziele

In der Führungskultur der meisten Unternehmen wird auf eine ähnliche Binsenweisheit verzichtet, nämlich dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Führungskräfte in hohem Maße von der Beziehung zwischen den Beteiligten abhängt. Einerseits ist es für uns nachvollziehbar, dass die Qualität der Beziehung(en) in privaten Partnerschaften für die Zufriedenheit und das Glück der einzelnen Personen essenziell ist. Andererseits schlägt sich diese Grundlage menschlichen Miteinanders nicht beziehungsweise zu wenig in der Berufs-und Organisationswelt nieder.

Dabei bestimmt die Beziehung zwischen Führung und Basis in einer Organisation wesentlich die Zufriedenheit und die Identität mit der Arbeit. Motivation und Leistungsbereitschaft steigen, die Mitarbeiter erreichen öfter ihre Ziele. Damit steigt die Produktivität in den Teams und nachweislich die Wertschöpfung des ganzen Unternehmens.

Die Ansprüche der Mitarbeiter steigen

Wenn ein Großteil der Mitarbeiter zum Dienst nach Vorschrift neigt und in Umfragen dafür im Wesentlichen fehlende soziale Kompetenz der Vorgesetzten verantwortlich macht, so greift dies, von außen betrachtet, zu kurz. Solange Unternehmen – immer auch als Spiegel der Gesellschaft – mit einer hierarchischen Führungskultur nach dem Prinzip „Oben sticht unten“ weitestgehend erfolgreich waren, wurde dieses Prinzip von einem Großteil der Beteiligten akzeptiert. Das gilt zum großen Teil noch heute.

Doch gleichzeitig bildet sich in der Gesellschaft eine neue Individualisierung heraus (Generationen X bis Z). Mitarbeiter wollen mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten mehr gesehen werden und diese eigenständiger einsetzen. Führungskräfte erfahren viel häufiger als früher ihre eigenen Grenzen angesichts dieser gestiegenen Ansprüche und immer komplexer werdenden Arbeitsstrukturen. Was also tun? Das Beste ist: über genau das reden. Das bedeutet, die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bei Gesprächen in den Vordergrund stellen. Beide müssen über Führen und Geführtwerden sprechen. Das erfordert eine andere Haltung, die folgendermaßen charakterisiert ist:

  • Führung bezieht ihre Wirksamkeit nicht mehr aus Position und Status, sondern aus dem ernsthaften Bedürfnis, im Sinne der Unternehmensziele zusammenzuarbeiten. So einvernehmlich wie möglich.

  • Beiderseitiger Respekt und Akzeptanz entstehen aus der Fähigkeit, ehrlich über die gegenseitigen Erwartungen, Wünsche, Zweifel und Befindlichkeiten miteinander zu sprechen.

  • Autorität speist sich aus der Bereitschaft zuzuhören, andere Ideen als Optionen zu betrachten und der Abkehr vom Nimbus der Unfehlbarkeit. Und aus dem sicher schwierigen Spagat zwischen Konsensbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit.

Mitarbeiter müssen ihre Opferrolle aufgeben

Um im eingangs geschilderten Bild der klatschenden Hände zu bleiben: Es klatschen beide Seiten zusammen. Nur so kann ein zufriedenstellendes Ergebnis entstehen. Das erfordert Mut zur Veränderung, nicht nur seitens der Führungskräfte, von denen viele sich ein ganzes Stück weit sich aus ihrer von der Unternehmenskultur reservierten Exklusivrolle herauswagen müssen.

Mitarbeiter müssen ihre ebenfalls von der Leitkultur geschaffene Empfänger- und Opferrolle aufgeben und Stück für Stück Verantwortung für ihren Status, ihre Situation und Emotionen übernehmen. Beide müssen sich genau über all diese Dinge unterhalten.

Widerstand ist ein Zeichen für nicht erfüllte Bedürfnisse

Anzeichen nicht funktionierender Beziehungen stellen oft Dissonanzen in Form von mehr oder weniger offen geäußerten Widerständen dar sowie mehr oder weniger gezeigtem Abwehrverhalten. Nicht selten entstehen so latente oder sogar offene Konfliktsituationen, die effektives Handeln stark behindern.

Nahezu jeder Widerstand ist ein Symptom für ein nicht erfülltes persönliches Bedürfnis. Meistens wird versucht diese Widerstände dadurch zu entkräften, indem Führungskraft und Mitarbeiter ihre individuellen Sichtweisen lediglich auf Basis der Faktenlage wiederholen. Im weiteren Verlauf weist dann der Vorgesetzte meist auf zwingende Notwendigkeiten von Aufgaben und Strategien hin. Dadurch wird der Widerstand seitens des Mitarbeiters größer, und im nächsten Schritt drohen Konsequenzen.

Diese Vorgehensweise hat in manchen Situationen sicherlich Erfolg und ist auch berechtigt. Viel öfter allerdings trägt diese Reaktion auf Widerstände auf der – kommunikationspsychologisch gesprochen – Sachebene nicht zu einer wirklich nachhaltigen Zusammenarbeit bei. Hirn- und Motivationswissenschaftler haben festgestellt, dass die dauernde Vernachlässigung essenzieller menschlicher Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Anerkennung nicht nur einen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsqualität hat. Eine höhere Beteiligung der Mitarbeiter an der Aufgabengestaltung und an Entscheidungen kann auch die Rate an Depressionen und Herz-Kreislauferkrankungen signifikant senken.

Eine neue Führungskultur formulieren

Um den skizzierten neuen Gegebenheiten und Ansprüchen gerecht zu werden, ist es zunächst notwendig, top-down eine neue Führungskultur gemäß der oben erwähnten Haltungscharakteristika zu formulieren. Das geht nicht von heute auf morgen. Gleichzeitig können, sozusagen bottom-up, Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Mitarbeiter- beziehungsweise Jahresgespräche eigenständig so gestalten, dass diese Prinzipien einfließen. Letztlich geht es doch darum, durch eine neue Beziehungsgestaltung Kooperation sowie Aufgaben- und Zielmanagement im Sinne des Unternehmens zu optimieren. Für das Gelingen tragen beide Seiten die Verantwortung.

Für die Vorbereitung der Gesprächsinhalte können folgende Fragen dienen, die die Beteiligten zunächst einmal für sich beantworten. Für Führungskräfte heißt das:

  • Was brauche ich vom Mitarbeiter, um ihn optimal zu führen.
  • Was kann ich dazu beitragen, und was kann der Mitarbeiter von mir erwarten?
  • Was sind meine wichtigsten Ressourcen dazu?
  • Aus welchen positionsunabhängigen Gründen sollte sich der Mitarbeiter von mir führen lassen?

Für Mitarbeiter heißt das:

  • Was benötige ich von der Führungskraft, um optimal geführt zu werden?
  • Was kann ich dazu beitragen, und was kann die Führungskraft von mir erwarten?
  • Welche meiner Ressourcen möchte ich (stärker) einsetzen und das auch mitteilen?
  • Was an meiner Person könnte eine gute Führung behindern?

Gute Beziehungen brauchen Vertrauen als Brennstoff

Mitarbeiter und Vorgesetzte sprechen dann so offen und authentisch wie möglich über diese Fragen. So entwickeln sie eine Beziehung auf Augenhöhe und vereinbaren deren Eckpunkte. Gleichzeitig besprechen sie Notfallpläne: Wie gehen wir damit um, wenn Erwartungen der einen oder anderen Seite nicht erfüllt werden (können)?

Gute Beziehungen benötigen Vertrauen als Brennstoff. Wenn Führungskraft und Mitarbeiter offen über ihre Werte und Bedürfnisse sprechen, erhöht dies die Chance, dass sie für ihre Aufgaben und Ziele wirklich brennen – weil sie an deren Gestaltung und Kontrolle beteiligt werden und sie sich bei der Umsetzung gegenseitig besser vertrauen. Diese neue Führungs- und Gesprächskultur macht Veränderungen aller Beteiligten in Haltung und Verhalten erforderlich. Zukünftig müssen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter zu diesem Prozess befähigt werden, damit sie gemeinsam wirksam sein können – wie die klatschenden Hände.

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