FührungKönnen alte Führungskonzepte Unternehmen ruinieren?

Wer sich an alten Führungskonzepten orientiert, schadet dem Unternehmen. Führungskräfte können damit die heute notwendigen Führungsaufgaben nicht erfüllen.
Von Dr. Wolfgang Schröder

Wenn sich Führungskräfte an alten Konzepten orientieren, senken sie die Motivation und die Leistung in ihrem Team. Das verschlechtert schleichend Unternehmensergebnisse. Heute sind sie als Architekten ihres Verantwortungsbereichs gefordert und müssen Ziele, Aufgaben und Kapazitäten kombinieren und planen. Und sie sind Bauleiter, die dafür sorgen, dass ihre Pläne im Team auch umgesetzt werden.

Warum können alte Führungskonzepte Unternehmen ruinieren?

Führungskonzepte oder Führungstheorien helfen uns, Führungsherausforderungen erst zu beschreiben und dann zu erklären. Letztendlich sollen sie Handlungsvorschläge für bessere Führung liefern. Alte Führungskonzepte stammen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Sie sind eine Antwort auf die damalige Arbeitswelt, die sich grundlegend von der heutigen unterscheidet. Vielleicht konnte man sich zu der Zeit einen direktiven, also autoritären Führungsstil leisten: Einsame Entscheidungen treffen, Arbeit verteilen, dem Teamklima keine hohe Bedeutung beimessen und den Mitarbeitern zeigen, wo oben und unten ist. Eine damals oft gehörte Aussage: „Sie sind zum Arbeiten hier, nicht zum Denken.“

Dieser Stil schädigt das Unternehmensvermögen, das auch aus qualifizierten und motivierten Mitarbeitern besteht – die in der Bilanz aber leider nicht aktivierbar sind. Mitarbeiter, die autoritär behandelt werden, verlassen das Unternehmen oder ziehen sich in eine freizeitorientierte Schonhaltung zurück. Oder sie werden taktisch krank. Das führt immer zu Kosten, die aber in keiner Kostenrechnung erfasst werden und dennoch den Gewinn senken. Wenn allein durch bessere Führung und Zusammenarbeit in einem Unternehmen der Umsatz nachweisbar um 20 Prozent gesteigert wurde, zeigt das die Ertragspotenziale, die Unternehmen nutzen können oder eben nicht nutzen und so im Wettbewerb verlieren, jedes Jahr ein bisschen. In Mitarbeiterbefragungen, die in Unternehmen über einen längeren Zeitraum regelmäßig durchgeführt wurden, hat sich ein eindeutiger Zusammenhang gezeigt zwischen guter Führung und wirtschaftlichem Erfolg.

Wer nun der Meinung ist, statt direktiver Führung einen mitarbeiterorientierten Kuschelkurs fahren zu müssen, der kommt aus diesem alten Führungsmodell nicht heraus und hat keine bessere Lösung für aktuelle Herausforderungen.

Wie sehen neue Führungskonzepte aus?

Neue Führungskonzepte bieten umsetzbare Handlungsvorschläge auf drei Feldern. Führungserfolg entsteht, wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen mit fünf Führungssystemen Führungskräfte unterstützen:

  • Zielmanagement
  • Personal- und Bereichsmanagement
  • Talentmanagement
  • Entgelt und Leistungen
  • Zeitmanagement

Führungskräfte steigern ihren Führungserfolg, wenn sie einerseits ihr direktes Führungsverhalten gegenüber Mitarbeitern verbessern und andererseits ihre indirekte Gestaltungsfunktion als Architekt und Bauleiter ihres Verantwortungsbereichs ausfüllen. Die Führungssysteme, das direkte Verhalten und die indirekte Gestaltungsfunktion von Führungskräften sind eng vernetzt.

Was verbessert das Führungsverhalten?

Heute benötigen Führungskräfte Vertrauen, und das sollte ihr Führungsverhalten bestimmen. Sie müssen authentisch, berechenbar und werteorientiert erlebt werden. Respektvolles Verhalten, mit dem das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters und der Führungskraft aufrechterhalten wird, ist die Verhaltensgrundlage und eben keine wählbare Verhaltensalternative. Dabei sollten sie menschlich bleiben.

Wer hat nicht einmal einen schlechten Tag oder verliert mal die Fassung, wenn ein letzter Tropfen den Krug zum Überlaufen bringt? Lässt sich einem älteren Geschäftsführer, der sehr, sehr laut wird, wenn er sich aufregt, ein Verhalten abtrainieren, das vielleicht tief in seiner Persönlichkeit verwurzelt ist? Wohl kaum. Erreichbar ist aber, dass er nach jeder Explosion ein schlechtes Gewissen hat, die Kaffeekasse auffüllt und so die Zahl der Gefühlsausbrüche sinkt.

Warum funktionieren klassische Führungstrainings nicht und was ist die Alternative?

Wie eigenes Verhalten wirkt, wie Kommunikations- und Teamverhalten verbessert werden können, das ist Kern aller klassischen Führungstrainings. Fraglich ist aber, ob Theorievorträge und Rollenspiele bei Erwachsenen zu mehr führen als Lernerfolg, nämlich zum erwünschten Umsetzungserfolg. Erwachsene verändern sich nur durch Feedback, und das erfordert andere Trainingsformen als die klassischen Ansätze.

So hat sich der heute immer noch sehr „direktive“ Umgangston von Führungskräften in der Produktion eines Unternehmens erst dann verändert, als die Führungskräfte ein anonymes, sehr klares Feedback von ihren Mitarbeitern bekamen, sie dann ihre Handlungsstrategie erarbeiteten, diese Strategie im Team vorstellten und die Mitarbeiter einfache aber wirksame Möglichkeiten bekamen, auf einen Rückfall hinzuweisen. Wenn es auf der Beziehungsebene nicht klappt, dann klappt es auch auf der Sachebene nicht.

Was sind die Kernaufgaben einer Führungskraft?

Führungskräfte im mittleren Management sollte ihren Verantwortungsbereich mit Führungsaufgaben gestalten, die ein logischer Prozess ordnet; heute sind sie Architekten ihres Bereichs. Zuerst definieren sie die Ziele, also die Ergebnisse, die der Verantwortungsbereich erreichen will. Aus diesen Zielen werden erfahrungsgemäß rund zwölf Hauptaufgaben mit diversen Unteraufgaben abgeleitet.

Wenn das Team zum Beispiel aus neun Mitarbeitern besteht mit zwei Teilzeitkräften, kann eine Personalkapazität von acht Mitarbeitern FTE (fulltime employee) und die Kapazität der Führungskraft eingesetzt werden, um die Aufgaben zu erledigen. Nun muss diese Kapazität so aufgeteilt werden, dass einerseits genügend Kapazität pro Aufgabe bereitsteht, andererseits die Kapazität jedes Mitarbeiters nicht unter- oder überlastet wird.

Das war im letzten Jahrhundert keine große Herausforderung, und erfahrene Führungskräfte machten das im Kopf oder aus dem Bauch. Die Organisationsstruktur war stabil, die Arbeitsinhalte  und Arbeitsmethoden veränderten sich nur langsam, und die Führungskräfte kannten beides genau. Mitarbeiter standen Vollzeit zur Verfügung und wurden an Arbeitsprozesse angepasst. Arbeitsinhalte und Arbeitsverteilung konnten einfach fortgeschrieben und durch Erfahrungen kontinuierlich verbessert werden.

Warum sind die Führungsaufgaben nicht so einfach zu bewältigen?

Wenn Führungskräfte heute versuchen, den Kombinationsprozess Ziele – Aufgaben – Mitarbeiter/Team im Kopf aufeinander abzustimmen, werden sie mit Sicherheit weder gute Ergebnisse produzieren, noch Mitarbeiterleistung und Motivation verbessern, aber vermutlich ihren Stresslevel steigern. Das hat zwei wesentliche Gründe:

  • Ziele, Prioritäten, Aufgaben und Rahmenbedingungen ändern sich sehr schnell
  • Mitarbeiter müssen in Veränderungsprozesse eingebunden werden

Heute werden Ziele immer herausfordernder und verändern oft sehr schnell die Prioritäten. Aufgaben und Arbeitsmethoden verändern sich zum Teil rasant und erfordern neue Arbeitsprozesse und Fähigkeiten. Manche Arbeitsinhalte können nur noch qualifizierte Mitarbeiter umsetzen, nicht die Führungskraft. Eine vielleicht erfolgreiche Ist-Situation in eine funktionierende Soll-Situation zu verändern, wird deshalb zu einem komplexen Planungsprozess. Wie ein Architekt muss die Führungskraft einen Lageplan erstellen und zuerst die Ist-Situation beschreiben. Dann muss sie einen Vorschlag auf der Basis neuer Ziele, anderer Aufgaben oder Arbeitsmethoden und einer neuen Aufgaben- und Kapazitätsverteilung planen und die Konsequenzen der Veränderungsprozesse mitdenken. Dazu zählt beispielsweise, den Kapazitätsbedarf neu zuordnen, aber auch den Zeitbedarf berücksichtigen, um Mitarbeiter zu befähigen, neue Methoden anzuwenden und den Bereich neu zu organisieren. Diesen Prozess kann keine Führungskraft kompetent im Kopf durchdenken.

Außerdem müssen Mitarbeiter heute in Veränderungsprozesse einbezogen werden. Das reduziert Veränderungswiderstände, weil Betroffene zu Beteiligten werden. Mitarbeiter haben gute Ideen, wenn es um Aufgabenbearbeitung geht, denn sie beschäftigen sich damit täglich. Es ist sehr sinnvoll, die Interessen der Mitarbeiter bei der Aufgabenverteilung zu berücksichtigen, denn das steigert die Motivation. Dafür muss die Führungskraft Ist-Situation und Plan visualisieren, also in Schrift- oder Bildform vorlegen.

Um Pläne kompetent zu erarbeiten und kommunizierbar zu machen, gibt es genug geeignetes, methodisches Know-how, das in klassischen Führungstrainings nicht trainiert wird, weil es früher nicht im Fokus stand. Es konnte aber auch nicht trainiert werden, denn dafür sind neue IT-gestützte Trainingsmethoden notwendig. Wenn also die Führungskraft ihren Verantwortungsbereich nicht gut gestaltet, dann ist es wie beim Hausbau: Es wird teurer als man denkt, wichtige Funktionen werden vergessen oder nicht erfüllt, und da zu leben macht auch keine Freude.

Was macht die Bauleiterfunktion einer Führungskraft aus?

Eine Führungskraft ist nicht nur Architekt ihres Verantwortungsbereichs, sondern auch Bauleiter. Denn einen guten Plan zu erarbeiten, der nicht umgesetzt wird, ist nicht nur Zeitverschwendung, sondern nachhaltig demotivierend. Die Führungskraft ist dafür verantwortlich, dass aus Plänen Realität wird. Dabei treten zwei Probleme auf:

  • Führungskräfte im mittleren Management waren vorher meistens sehr gute Fachspezialisten. Das Know-how des Personal- und Bereichsmanagements bekommen sie weder mit ihrem Fachwissen in den Griff noch mit gutem Führungsverhalten. Dieses Know-how müssen sie auf geeignete Weise lernen.
  • Als ehemalige Fachspezialisten haben sie großes Interesse an den Fachinhalten, denn da fühlen sie sich zuhause. Deshalb widmen sie viel Zeit und Aufmerksamkeit den Fachthemen und unterschätzen Führungsaufgaben. Diese Führungskräfte wollen bei Veränderungsprozessen neue Herausforderungen immer selber lösen. Da sie nicht die Voraussetzungen geschaffen haben, um sicher zu delegieren, erleben sie dann permanent Überforderung, während Mitarbeiter unterfordert sind, und Troubleshooting bestimmt den Führungsalltag.

Ob Führungskräfte die Architekten- und Bauleiterfunktion ausfüllen, kann an der Zielerreichung und der Mitarbeiterzufriedenheit überprüft werden. Wenn Führungskräfte berichten, dass sie durch Personal- und Bereichsmanagement die Zielerreichung um bis zu 30 Prozent, die Produktivität um bis zu 40 Prozent und die Mitarbeitermotivation um bis zu 30 Prozent gesteigert haben, dann erübrigt sich die Frage, ob diese Führungsfunktion heute von Bedeutung ist. In alten Führungskonzepten spielt diese Führungsfunktion jedenfalls keine Rolle, und das ruiniert heute manches Unternehmen – schleichend.

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