Führung muss Mitarbeiter bei Übernahme und Fusion informieren

Umstrukturierung, Übernahme, Fusion. Wenn Change-Prozesse anstehen, müssen Mitarbeiter frühzeitig informiert werden. Sonst droht Ablehnung.

Für Unternehmensführer ist es oft ein Highlight ihrer Karriere, wenn sie stolz verkünden können, dass das eigene Unternehmen einen ehemaligen Wettbewerber übernimmt. Entsprechend zuversichtlich sind zu diesem Zeitpunkt ihre Zukunftsprognosen, die beispielsweise lauten. „Durch die Übernahme steigen unser Marktanteil um 20 und unser Umsatz um 30 Prozent. Außerdem können wir hohe Synergieeffekte erzielen. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven.“

Um so ernüchternder stellt sich dann der graue Alltag nach dem Verkünden der Übernahme oder Fusion dar. Denn häufig unterschätzen Unternehmensführer die Tücken des mit diesem Vorgang verbundenen Integrationsprozesses – speziell auf der kulturellen Ebene. Die Kultur eines Unternehmens lässt sich, anders als dessen Strukturen und Prozesse nämlich, nur begrenzt mit Instrumenten wie Organigrammen und Ablaufdiagrammen erfassen. Und ihre Entwicklung lässt sich auch nur bedingt am Reißbrett planen.

Veränderungen ausreichend kommunizieren

Große Veränderungen in Unternehmen lösen bei den Mitarbeitern stets Unsicherheiten und Ängste aus, denn es gibt neben Gewinnern stets auch Verlierer. Oder zumindest Personen, die sich als solche empfinden. Diese meist diffusen Ängste und Befürchtungen müssen aufgefangen werden, damit sie sich nicht zu Widerständen verdichten. Bei Fusionen können unter anderem folgende Ängste zu Widerständen führen:

  • Angst vor Einkommenseinbußen
  • Angst vor einem Arbeitsplatzverlust
  • Angst vor neuen Aufgaben
  • Angst vor dem Verlust wichtiger persönlicher Beziehungen (zum Bespiel aufgrund einer Versetzung)
  • Angst vor einem Verlust an Sozialprestige
  • Angst vor dem Verlust von Handlungsspielräumen und Entscheidungsbefugnissen
  • Angst vor geringeren Entwicklungs- oder Karriere-Chancen

Diese Ängste werden in der Regel umso größer, je länger die Mitarbeiter nicht wissen, was auf sie zukommt. Deshalb sollte das Management diese Fragen so schnell wie möglich beantworten, sonst erscheint der Veränderungsprozess für die Mitarbeiter in einem stets negativeren Licht. Dies kann so weit gehen, dass sich sogar Personen gegen ihn stellen, die faktisch zu den Gewinnern zählen. Eine Emnid-Umfrage kommt zum Ergebnis, dass der Erfolg von Fusionen oft aus folgenden Gründen bedroht ist:

  • Die Mitarbeiter werden zu spät integriert (87 Prozent)
  • Die Mitarbeiter werden fehlerhaft und ungenügend informiert (81 Prozent)

Viele Manager sind überzeugt, die Mitarbeiter erst dann zu informieren, wenn die Übernahme oder die Fusion in trockenen Tüchern ist und ein für allemal feststeht. Damit wollen sie Unsicherheit vermeiden. Fusionsprozesse lassen sich aber nicht im Voraus im Detail planen. Viele Entscheidungen haben vorläufigen Charakter, auch weil nicht alle Einflussfaktoren und Wechselwirkungen präzise erfasst werden können. Zudem betritt das Unternehmen oft Neuland. Es hat also noch keine oder wenig praktische Erfahrung mit Fusionen. Deshalb führt die Angst davor, falsch oder unvollständig zu informieren, oft dazu, den Betroffenen fast keine offizielle Information zu geben.

Dieses Informationsvakuum nährt Gerüchte und Halbwahrheiten, die wiederum Ängste schüren. Deshalb sollte im Vorfeld jeder Fusion ein Kommunikationskonzept mit folgenden Zielen erstellt werden:

  • Verständnis für die Notwendigkeit der Fusion schaffen
  • Vertrauen für die damit verbundenen Entscheidungen aufbauen
  • Akzeptanz bei den Mitarbeitern erzeugen
  • Motivation für die einzelnen Schritte erzeugen
  • Die Basis für die Identifikation mit dem neuen Unternehmen schaffen

Kulturelle Unterschiede analysieren

Jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte und Kultur. Fusionieren zwei Unternehmen, entbrennt meist ein Kampf um das neue Leitbild. Diesen gewinnt – sofern dieser Prozess nicht gesteuert wird – in der Regel das übernehmende Unternehmen, selbst wenn offiziell eine „Hochzeit unter Gleichen“ verkündet wird. Der Übernehmer dominiert also das übernommene Unternehmen. Dies verstärkt die Ressentiments der übernommenen Mitarbeiter, was zu unnötigen Widerständen führt. Daher sollte bei Fusionen eine Analyse durchgeführt werden, die Elemente in den Kulturen der beiden Unternehmen berücksichtigt und die Zielerreichung fördert.

Beim Versuch, eine Unternehmenskultur zu verändern, spielt das obere Management eine Schlüsselrolle. Es muss die neue Kultur vorleben. Jeder Versuch, Kulturveränderungen ausschließlich über das mittlere Management herbeizuführen, scheitert. Zudem darf die Langwierigkeit von kulturellen Veränderungsprozessen nicht unterschätzt werden. Sie dauern in der Regel mindestens drei Jahre.

Jedes größere Unternehmen investiert Zeit und Geld in den Aufbau einer Corporate Identity, also einer Firmenkultur. Die Mitarbeiter sollen stolz auf ihr Unternehmen sein und sich mit ihm identifizieren. Bei einer Fusion bricht – speziell beim übernommenen Unternehmen – diese Identität weg. Vielen Mitarbeitern, insbesondere denen, die sich stark mit ihrem Unternehmen identifizieren, fällt es schwer, sich vom bisherigen Unternehmen mit all seinen Gepflogenheiten und Ritualen zu verabschieden. Sie trauern. Im Privatleben gehen wir selbstverständlich davon aus, dass ein Abschiednehmen Zeit erfordert. Im Unternehmenskontext jedoch besteht hierfür meist kein Verständnis. Ein vorübergehend lethargisches, manchmal sogar aggressives Verhalten, wird oft nicht als Ausdruck von Trauer interpretiert und respektiert. Doch Menschen können zumeist erst dann wieder eine neue Bindung eingehen, wenn die alte „verdaut“ ist. Dies gilt auch beim Planen von Integrationsprozessen.

Bei Fusionen befinden sich die Mitarbeiter bis zum Übergang in die neue Struktur oft in einem Schwebezustand: Wie geht es weiter? Was wird aus mir? Gibt es meinen Job nachher noch? In dieser Situation zeigen sie meist folgende Verhaltensmuster:

Winterschlaf: Sie identifizieren sich nicht mehr mit dem Unternehmen, machen nur noch Dienst nach Vorschrift oder folgen nur noch bedingt den Anweisungen ihrer Vorgesetzten
Operative Hektik: Sie verfallen in Aktionismus und es werden zahllose Projekte generiert. Die Mitarbeiter wollen überall mitmischen, um in einem guten Licht zu erscheinen. Nicht die Qualität der Arbeit, sondern die „Show“ zählt.

Daher ist es wichtig, dass Unternehmensführer in der Übergangszeit den Führungskräften in ihrer Organisation und deren Mitarbeitern eine Orientierung bieten, damit diese wissen, wie sie sich verhalten sollen. Sonst besteht die Gefahr, dass viel Energie wirkungslos verpufft.

Überparteilichkeit der Unternehmenslenker

Bei Fusionen werden folgenschwere Entscheidungen oft in sehr kurzer Zeit  getroffen – unter anderem über IT-Systeme, Stellenbesetzungen oder auch Markt- und Produktstrategien. Häufig setzt sich dabei nicht das bessere, sondern das Konzept des Übernehmers durch. Felder werden besetzt und Territorien neu verteilt, wobei auch Eigeninteressen eine große Rolle spielen. Deshalb sollten Unternehmenslenker auf eine gewisse Überparteilichkeit achten, damit es insbesondere im übernommenen Unternehmen keine überflüssigen Verlierer gibt, die den Prozess blockieren.

Fusionen sind ein schwieriges Geschäft, auch, weil die eigentliche Arbeit erst nach Vertragsabschluss und dem Verkünden der Fusion beginnt. Unternehmensführer sollten sich daher bewusst sein: Eine gelungene Integration gibt es nicht zum Nulltarif! In den Monaten und Jahren nach der Fusion muss das Unternehmen viel Energie in die Gestaltung dieses Prozesses investieren. Zudem sollte der Prozess professionell gesteuert werden, damit auch sichergestellt werden kann, dass bei den (Folge-)Entscheidungen stets die Aspekte „Strategie“, „Struktur“ und „Kultur“ beachtet werden, die sich wechselseitig beeinflussen.

Dazu im Management-Handbuch

Ähnliche Artikel

Excel-Tipps