FührungskompetenzWie „Sandwich-Manager“ erfolgreich agieren
Die meisten mittelständischen Unternehmen können ihren Bedarf an Abteilungs- und Bereichsleitern nicht durch das Rekrutieren erfolgreicher Konzernmanager decken. Dabei sind nicht das Gehalt oder die fehlende Wechselbereitschaft potenzieller Kandidaten das Problem: Der entscheidende Engpass ist die (Führungs-)Kultur mittelständischer Unternehmen. An ihr scheitern konzerngeprägte Manager regelmäßig, selbst wenn sie gut geschult und führungserfahren sind.
Maßgeblich für die Kultur eines Unternehmens ist die Unternehmensspitze. Das gilt für börsennotierte AGs und auch für mittelständische Betriebe. Trotzdem gibt es einen entscheidenden Unterschied: Im familiengeführten Mittelstand bilden Leitung und Eigentum meist eine Einheit. Inhabergeführte Unternehmen bilden in zahlreichen Staaten weltweit das Rückgrat der Wirtschaft. Dessen ungeachtet hat sich ihr Profil gerade im deutschsprachigen Raum in den zurückliegenden 20 Jahren sehr gewandelt. Von handwerklich geprägten Produktionsunternehmen haben sie sich zu weltweit tätigen Hightech-Unternehmen entwickelt. Doch ihre (Führungs-)Kultur hielt mit dieser Entwicklung vielfach nicht Schritt.
Der Unternehmer: Vorbild und Maßstab
Für die Inhaber solcher Unternehmen ist Unabhängigkeit meist ein zentrales Unternehmerziel. Diese bezieht sich sowohl auf die Beziehung zu Banken, Kunden und Lieferanten als auch auf das Zusammenspiel mit den Führungskräften auf den Ebenen zwei und drei. Die Kultur bei Mittelständlern wird stark von der Persönlichkeit und Haltung des Unternehmers geprägt. Die Mitarbeiter fühlen sich insbesondere dem Vorbild des Gründers oft über Generationen verpflichtet – selbst wenn sich Mythos und Realität, Wahrheit und Anekdoten schon lange vermischen. Erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten haben einen eigenen Kopf, einen unbändigen Gestaltungswillen und einen fast grenzenlosen Anspruch bezüglich Einsatz, Sparsamkeit und Disziplin.
Was für sie selbst gilt, ist auch ihr Maßstab für ihr Umfeld. Das spüren die Führungskräfte auf der zweiten und dritten Ebene häufig hautnah. Dazu zwei Beispiele: Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens erwartet von seinem Einkaufsleiter ganz selbstverständlich, dass er noch am fortgeschrittenen Abend mit ihm ein Angebot diskutiert. Oder: Der Personalleiter erhält am Sonntagnachmittag unverhofft einen Anruf des Firmeninhabers, weil dieser gerade entschieden hat, einen Werksleiter zu entlassen.
Mit solchen „Überfällen“ müssen Führungskräfte der zweiten und dritten Ebene in mittelständischen Unternehmen stets rechnen. Und sie müssen auch damit leben, dass der Inhaber immer mal wieder ohne Absprache mit ihnen Entscheidungen trifft, die eigentlich in ihren Verantwortungsbereich fallen. Hinzu kommt, dass der Chef eine Bagatelle unverhofft zur Chefsache oder Prinzipienfrage erklärt, die keinen Aufschub duldet.
Gestaltungsspielräume für Führung bei Mittelständlern
Führungskräften, die nicht damit umgehen können, dass der Firmeninhaber mehr oder minder regelmäßig in ihren Tätigkeitsbereich hineinregiert, bleibt meist keine andere Möglichkeit als den Arbeitgeber zu wechseln. Denn jeder Versuch, die Unternehmerpersönlichkeit zu verändern, ist in der Regel von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Trotzdem gibt es sehr viele Führungskräfte, die sich ein Arbeiten in Konzernstrukturen nicht vorstellen können. Sie wissen: Wenn sie die gewünschten Ergebnisse liefern, läuft der Arbeitsalltag weitgehend entspannt ab. Sie haben dann deutlich mehr unternehmerische Gestaltungsfreiräume als in den meisten börsennotierten Unternehmen, gerade weil die Entscheidungswege im Mittelstand nicht so formalisiert sind. Sie wissen aber auch: Wenn sie zwei Mal die Ziellatte reißen, werden diese Freiräume schnell wieder beschnitten.
Bei den meisten Mittelständlern geht es hemdsärmelig und robust zu. Kommuniziert wird in der Regel unverblümt und ohne Rücksicht auf Hierarchien. Wer sich auf Berichtswege und seine Statusmacht beruft, kommt in mittelständischen Unternehmen nicht weit. Doch wer Einsatz zeigt und Erfolg hat, dem wird von der Unternehmensführung schnell sehr viel Verantwortung und ein entsprechend großer Gestaltungsspielraum übertragen.
Exakt diese Tugenden machen zahlreiche Mittelständler zu Hidden Champions. In ihnen läuft Führung noch häufig nach dem handwerklichen Meisterprinzip ab:
- Kommandieren und bei Bedarf zeitnah korrigieren
- Regelmäßig kontrollieren, wenn es schlecht läuft
- Maximaler Freiraum, wenn die Deckungsbeiträge stimmen
Kompetenz und Stabilität entwickeln
Diese spezielle Mischung einer Führung nach Gutsherrenart und maximaler Selbstverantwortung setzt bei den Führungskräften der zweiten und dritten Ebene ganz spezielle Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften voraus. Vor allem dürfen sie nicht zart besaitet sein. Stattdessen physisch und psychisch robuste Persönlichkeiten, die die „Sandwich-Position“ zwischen dem Unternehmer und ihrer Mannschaft mit starkem Selbstbewusstsein, einer klaren Sprache und großem Einfühlungsvermögen – auch in die Unternehmerpersönlichkeit – meistern. Sie müssen sich uneitel und loyal in den Dienst stellen und zugleich souverän unternehmerisch agieren. Das setzt eine ausgeprägte Selbststeuerungskompetenz voraus. Ansonsten werden die Führungskräfte zum Spielball des Geschehens und verlieren Wirkung und Gefolgschaft.
Führung im Mittelstand ist eine ständige Gratwanderung zwischen Kontinuität und Sprunghaftigkeit, Kontrolle und Grenzenlosigkeit, Rücksichtslosigkeit und persönlicher Nähe. Führungskräfte, die in diesem Milieu die gewünschte Wirkung entfalten können, fallen nicht vom Himmel, sondern entwickeln sich allmählich. Das haben in den zurückliegenden Jahren die Inhaber vieler mittelständischer Unternehmen erkannt. Daher investieren sie mehr Zeit und Geld in die Entwicklung ihrer (künftigen) Leistungsträger. Zumal herausragende Fachexperten mit Führungskompetenz, einem gesunden Menschenverstand und einem feinen Gespür für Menschen und Situationen eher selten vorkommen.
Außerdem brennen Führungskräfte, denen das erforderliche Rüstzeug fehlt, um in der spezifischen Kultur eines Mittelständlers ihre Handlungsfähigkeit zu bewahren, entweder schnell aus oder werfen frustriert das Handtuch. Die Folgen: häufige Führungswechsel und eine geringe Kontinuität auf der Führungsebene. Dies ist für die Unternehmen letztlich teurer als Investitionen in die Führungskräfteentwicklung.