Führungskräfte in Sandwich-PositionStress und Überforderung

Manager befinden sich aufgrund ihrer „Sandwich-Position“ in Rollenkonflikten oder ihre Wertvorstellungen kollidieren mit denen des Unternehmens. Den meisten fehlt eine Managementausbildung. Eine Studie zeigt Wege aus dem Dilemma.

Mittlere Manager erfüllen unterschiedliche Funktionen. Sie nehmen Fachaufgaben im Marketing oder in der Produktion wahr, übernehmen klassische Managementaufgaben wie planen, organisieren und kontrollieren und vereinbaren mit ihren Mitarbeitern Ziele oder delegieren Aufgaben. Das macht Abteilungsleiter, Gruppensprecher, Teamleiter oder Projektleiter zu unsichtbaren Leistungsträgern in Unternehmen. Der Grund: Das mittlere Management ist in einer „Sandwich-Position“ und verbindet auf der mittleren Organisationsebene strategische Spitze mit operativem Geschäft.

Obwohl rund zehn Prozent der Mitarbeiter in mittelständischen oder großen Unternehmen dieser Führungsebene angehören, beschäftigen sich Experten und Wissenschaftler wenig mit Theorie und Praxis zur Rolle dieser Mittelmanager. Die Dr. Jürgen Meyer Stiftung macht daher die Bedeutung des Mittelmanagements in Deutschland zum Mittelpunkt der Studie „Das mittlere Management: Die unsichtbaren Leistungsträger“. Ziel der Studie war, die Anforderungen und spezifischen Probleme des mittleren Managements zu analysieren und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Die Ergebnisse der Studie werden im Folgenden vorgestellt.

Hinweis

Für die Studie Das mittlere Management: Die unsichtbaren Leistungsträger wurden mehr als zwanzig Experten aus Wissenschaft und Praxis in einem zweistufigen Expertendelphi um ihre Einschätzung gebeten. Die vollständige Studie zum Herunterladen finden Sie hier:

Das mittlere Management: Die unsichtbaren Leistungsträger

Manager sollten Allrounder sein

Das mittlere Management hat eine besondere Stellung im Unternehmen. Diese Organisationsebene steht im Zentrum zwischen Top-Management und Mitarbeiter einerseits sowie anderen Mittelmanagern und Kunden beziehungsweise externen Stakeholdern andererseits. Daraus ergeben sich besonders hohe Anforderungen an Manager:

  • Sie geben Ideen, Strategien und Pläne des Top-Managements nach unten weiter und übermitteln Ideen, Vorschläge und Probleme von Mitarbeitern und Kunden nach oben. Demnach müssen Mittelmanager ständig neues Wissen erwerben und weitergeben.
  • Es wird erwartet, dass sie Strategien in funktionale Teilstrategien für jeden Unternehmensbereich übersetzen, Ziele ableiten und diese in operative Pläne transformieren.
  • Sie pflegen Beziehungen zu Mitarbeitern, Führungskräften und Kollegen aus mittleren Führungsebenen.
  • Mittelmanager repräsentieren das Unternehmen nach außen: beim Kontakt zu Kunden, Zulieferern, Partnern und weiteren externen Stakeholdern.

Das Aufgaben- und Funktionsportfolio verdeutlicht die komplexen Aufgaben und Funktionen des mittleren Managements:

In der Praxis sind Aufgaben und Funktionen eines Managers je nach Größe des Unternehmens unterschiedlich gewichtet. Die Darstellung macht aber deutlich: das mittlere Management nimmt eine Schlüsselrolle für den Erfolg eines Unternehmens ein, wobei die verschiedenen Anforderungen spezifische Probleme mit sich bringen. Insgesamt lassen sich fünf Problemfelder identifizieren:

  • Rolle: Mittelmanager nehmen in Unternehmen ständig unterschiedliche Rollen ein, die zu widersprüchlichen Anforderungen und Konflikten führen können.
  • Leistungsdruck: Die besondere Positionierung im Unternehmen und eine komplexe und dynamische Unternehmensumwelt üben einen hohen Erfolgs- und Leistungsdruck auf Mittelmanager aus.

  • Qualifikation: Obwohl mittlere Manager ein breites Aufgaben- und Funktionsportfolio haben, fehlen ihnen häufig die dafür notwendigen Kompetenzen.

  • Ethik: Führungskräfte aus dem mittleren Management müssen Entscheidungen vertreten und durchsetzen, die mit eigenen Wertvorstellungen kollidieren können.

  • Strategie: Obwohl das Mittelmanagement Informationen bereitstellt, auf deren Grundlage strategische Entscheidungen getroffen werden, und Mittelmanager Strategien für ihre Mitarbeiter übersetzen, werden sie zu wenig in die Strategieentwicklung einbezogen. Dies kann zu sinkender Motivation und Identitätsverlust führen.

Vorgesetzter und Mitarbeiter in einem

Manager übernehmen einerseits typische Führungsaufgaben wie Delegieren, Motivieren oder Kommunizieren und sind für das operative Geschäft verantwortlich. Andererseits befolgen sie die Anweisungen des Top-Managements. Dadurch können Identitätsprobleme entstehen. Der Rollenkonflikt zwischen „leader“ und „follower“ liegt laut Claus Steinle vom Institut für Unternehmensführung und Organisation der Leibniz Universität in Hannover, ein Teilnehmer an der Studie, an folgendem Problem:

„Mittelmanager führen ihre Bereiche und je mehr sie sich in der Führungsrolle entwickeln, desto schwieriger kann es werden, weiterhin Anordnungen vom Top-Management zu befolgen.“

Mittelmanager sollten Mehrfachspezialisten sein, weil sie gleichzeitig der Mitarbeiterschaft und der Führungsriege angehören. Sie müssen ihre Position nach oben verteidigen, um Freiräume zu erkämpfen – nach unten jedoch behaupten. Zudem müssen mittlere Manager unterschiedlichen Anspruchsgruppen gerecht werden: Am besten sollten sie die Vorgaben der Vorgesetzten umsetzen und die Organisation in deren Sinne weiterentwickeln, Kunden und Lieferanten gut betreuen, Verständnis für ihre Mitarbeiter zeigen und deren Interessen vertreten sowie offen gegenüber anderen Kollegen sein. Während Manager aufgrund ihrer rollen-immanenten „Sandwich-Position“ unter Leistungsdruck stehen, wird die Leistung oft nicht wertgeschätzt oder ist nicht sichtbar. Hinzu kommt, dass Unternehmen expandieren oder Abteilungen ins Ausland verlagern und damit die Unternehmensumwelt noch dynamischer und komplexer wird. Das setzt Manager unter starken Leistungsdruck. Weitere spürbare Folgen sind Konkurrenzdenken und Erfolgsdruck.

Ethische Maßstäbe bleiben auf der Strecke

In der Vergangenheit berichten die Medien immer häufiger über unternehmerische Regelverstöße oder Skandale wie Kinderarbeit bei Lieferanten, Umweltschäden oder Bestechungsaffären. Manager sind in diesem Punkt besonders betroffen, weil sie eine Schnittstelle zwischen Wertvorstellungen des Top-Managements und externen Stakeholdern bilden, jedoch meist keinen Einfluss auf getroffene Entscheidungen haben. Sie befinden sich in einem ethischen Konflikt, wenn sie Entscheidungen mittragen müssen, die mit ihren eigenen Werten nicht übereinstimmen.

Bei der Umsetzung von Strategien laufen Führungskräfte dann Gefahr, ihre Mitarbeiter zu überlasten oder sie gehen Umweltrisiken bei der Produktion ein. Aufgrund des Erfolgsdrucks bleiben die eigenen ethischen Maßstäbe auf der Strecke und mittlere Manager sind frustriert, verlieren ihr Selbstbewusstsein oder ihre Autorität bei ihren Mitarbeitern.

Dabei nimmt die Bedeutung von Werten in Unternehmen zu – das zeigt eine Befragung junger Fach- und Führungskräfte der Wertekommission aus dem Jahr 2009. Drei Viertel sagen, dass Werte für die Mitarbeitermotivation wichtiger werden. Leben Unternehmen ein eigenes Wertesysteme, wird dies von 40 Prozent der Befragten als Marketingstrategie empfunden. Kein Wunder also, dass viele Führungskräfte ihren Arbeitgeber wechseln oder zumindest darüber nachgedacht haben.

Wenn ethische Konflikte bekannt werden, sind Manager nicht selten die Sündenböcke und werden für Fehlentscheidungen verantwortlich gemacht. Beispielsweise müssen sie die Folgen von Missmanagement ausbaden und Stellen abbauen. Wird die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, kann das ihren Ruf oder ihre Selbstachtung beschädigen oder sogar ihren Job kosten.

Für den Umgang mit ethischen Problemstellungen empfehlen die Experten folgende Lösungsansätze:

  • Das Top-Management sollte die Unternehmenswerte vorleben.
  • Kommunikationskanäle zwischen den Führungsebenen sollten institutionalisiert werden. Zum Beispiel durch Vertrauenspersonen oder Foren.
  • Ethische Unternehmenswerte sollten in einem Kodex festgehalten und alle Mitarbeiter darin geschult werden.
  • Ein Kontrollsystem kann ethische Konflikte im Unternehmen begrenzen. Dazu notwendig: Erst Richtlinie, dann Kontrolle und gegebenenfalls folgen Sanktionen.
  • Mitarbeiter sollten anonym zu ethischen Konflikten befragt werden, ihr eigenes Handeln in eigens dafür geschaffenen Zeitfenstern reflektieren und am Prozess der Strategiebildung beteiligt werden.

Mehrfachspezialisten ohne Ausbildung

Manager sind fachkundig und Experten auf ihrem Gebiet – das reicht oft schon, um vom Top-Management für Führungsaufgaben eingesetzt zu werden. Dabei wäre die Aneignung verschiedenster Kompetenzen gerade in einer solchen Position wichtig, denn: Manager sind Fachexperte, Kommunikator, Personalführender und Motivator in einer Person. Sie müssen nicht nur unterschiedliche Rollen, sondern auch eine Reihe von Kompetenzen erfüllen. Das Problem ist: den meisten fehlt eine entsprechende Ausbildung. Den größten Handlungsbedarf in der Weiterbildung mittlerer Manager sehen die befragten Experten in folgenden Bereichen:

  • Personalführungskompetenz,
  • Veränderungsfähigkeit und Veränderungskompetenz,
  • Kommunikations- und Konfliktfähigkeit,
  • Selbststeuerung,
  • Projektmanagementkompetenz,
  • Strategische Managementkompetenz,
  • Interkulturelle Kompetenz.

 "Das mittlere Management muss den 'Spagat' zwischen strategischem Mitdenken, Planen und Entscheiden und operativem Mikromanagement leisten."

Dass viele Manager auf diesen "Spagat", wie es der Teilnehmer an der Studie, Gerold Frick, von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung mit Sitz in Düsseldorf beschreibt, nicht vorbereitet sind, zeigen mehrere empirische Studien. Gerade in der Einstiegsphase müssen junge Führungskräfte Hindernisse überwinden. Das Beratungsunternehmen Neuland & Partner befragte Nachwuchsmanager zu ihren größten Problemen in der neuen Position und kommen zu folgenden Ergebnissen: Mehr als 90 Prozent haben Probleme, einen eigenen Führungsstil zu entwickeln. Den Rollenwechsel vom Kollegen zum Vorgesetzten sehen fast 70 Prozent problematisch. Als eine Belastung empfinden junge Manager die unklaren Vorgaben von oben. Sie sind überfordert, übergreifende Ziele in ihren Geschäftsbereich zu übersetzen und auf ihre Mitarbeiter aufzuteilen. Dadurch übernehmen sie zu viele operative Aufgaben selbst, was schnell zur Überlastung führt.

Die Managementposition als Karriereziel

Führungskräfteseminare, Coachings oder gezielte Auslandseinsätze bieten Managern die Möglichkeit, hilfreiche Zusatzqualifikationen zu erwerben. Weiterbildungsangebote sollten vor allem praxisbezogen und zielgruppenspezifisch sein: sie sollten reale Beispiele aus dem Unternehmensalltag thematisieren und auf das mittlere Management zugeschnitten sein. Zeit- und ortsunabhängige Angebote wie E-Learning-Seminare eignen sich besonders, wenn Manager mobil und flexibel sein müssen. Ein wichtiges Kriterium für die Qualifizierung von Managern sehen die Experten in der Wertschätzung für solche Maßnahmen. Sowohl die Führungskräfte selbst als auch das Top-Management sollten dem Erwerb von Kompetenzen durch spezielle Schulungen eine höhere Bedeutung beimessen.

Wenn es um Karriereplanung und Personalentwicklungsmodelle geht, steht in vielen Unternehmen die Rekrutierung von Top-Managern im Vordergrund. Hier muss ein Umdenken stattfinden, damit auch die Position des mittleren Managers ein attraktives Karriereziel für Mitarbeiter wird. Personalentwickler und Unternehmensleitung sollten nicht nur angehende Top-Manager im Blickfeld haben, sondern auch professionelle Mittelmanager mit einem klaren Rollenverständnis entwickeln.

Managern ist schon viel geholfen, wenn ihre Rolle im Unternehmen reflektiert und ihre Funktion für alle sichtbar gemacht wird. Dazu ist die Formulierung eines Leitbilds notwendig. Mit dem Top-Management sollten gemeinsame Vorstellungen und Ziele diskutiert werden. Es muss klar werden, wo die Verantwortungsbereiche liegen und was Manager erwarten dürfen. Für den Konfliktfall sind sie mit einer klar definierten Rolle als Mittelmanager sowie Handlungsleitlinien gut gerüstet.

Der Erfolg eines Unternehmens liegt in der Umsetzung der Strategie auf der operativen Ebene. Weil die mittlere Führungsebene die Schnittstelle von Informationen und Wissen bildet, sollte sie in die Strategieentwicklung eingebunden werden. Diese Schlüsselposition wird vonseiten der Unternehmensleitung oft unterschätzt. Wird die mittlere Organisationsebene in die strategische Planung einbezogen und ihre Rolle gewürdigt, können Motivation gesteigert, Identität aufgebaut und ethische Konflikte bei Führungskräften verhindert werden.

Professionalisierung der Managementrolle

Nach Ansichten der Experten werden Bedeutung sowie Herausforderungen des mittleren Managements in den kommenden Jahren steigen. Gesellschaftliche Trendentwicklungen wie Internationalisierung von Unternehmen, demografischer Wandel oder die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Ethik machen eine Professionalisierung des mittleren Managements nötig.

Es braucht qualifizierte Führungskräfte, die neue Kommunikationsinstrumente einsetzen können, neue Formen der Arbeitsorganisation und der Führung etablieren und die Anforderungen an Management- und Kommunikationskompetenzen erfüllen können. Hierzu müssen notwendige Rahmenbedingungen erfüllt sein: Vor allem muss die Rolle der mittleren Managementebene gestärkt und der Erwerb von Führungskompetenz durch Schulungen und Trainings gefördert werden. Wichtig ist auch: Die Leistung des mittleren Managements wertzuschätzen und so die Leistung sichtbar zu machen.

Quellen und weiterführende Informationen

Dr. Jürgen Meyer Stiftung (2011): Das mittlere Management: Die unsichtbaren Leistungsträger

Neuland, M (2004): Aller Anfang ist schwer, in: Harvard Business Manager, Juni 2004.

Wertekommission (2009): Führungskräftebefragung 2009, Berlin.

Dazu im Management-Handbuch

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