Führungskräfte können Burnout und Boreout vorbeugen
Zurzeit werden Burnout, aber auch Boreout intensiv diskutiert. Burnout ist die völlige körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Anforderungen, Ressourcen und Anerkennung stehen dann nicht mehr im Gleichgewicht. Boreout, das Gegenstück zum Burnout, entsteht durch Unterforderung und führt zu Lustlosigkeit und Desinteresse. Während Führungskräfte seltener von Boreout betroffen sind, leiden Mitarbeiter häufiger an dieser Krankheit. Damit aus Überlastung beziehungsweise Unterforderung eine psychische Krankheit wird, müssen mehrere Faktoren sowie individuelle Persönlichkeitseigenschaften zusammenkommen. Zwischen diesen Extremen spielt sich heute das wirkliche Leben in Unternehmen ab.
In der Arbeitswelt steigen Druck und Anforderungen, die Burnout auslösen können: E-Mails haben nicht nur den Stenoblock ersetzt, die Konzernsprache ist plötzlich Englisch und was gestern gut war, muss heute besser, schneller, billiger und deshalb anders gemacht werden. Gleichzeitig behaupten in Mitarbeiterbefragungen fast die Hälfte der Befragten, ihre Fähigkeiten würden nur zu maximal 60 Prozent genutzt und die Arbeit sei nur zu maximal 60 Prozent effektiv - sie beschreiben die Boreout-Gefahr. Wir erleben eine paradoxe Situation: Die Anforderungen steigen und können Leistungsträger bis zur Krankheit überfordern während sich gleichzeitig potenziell Leistungswillige bis zur Krankheit langweilen.
Was hindert Sie, sich im „gesunden“ Mittelfeld zu bewegen?
Die Belastungshöhe wird durch verschiedene Faktoren bestimmt – auch durch unrealistische Erwartungen. Eine direkte Einflussgröße ist ein Problem, das vor allem Führungskräfte mit Mitarbeiterverantwortung betrifft. Wenn Sie zu dieser Gruppe von Führungskräften gehören, hilft die folgende Reflexion, Ihre eigenen Einschätzungen zu überprüfen. Wenn nicht, machen Sie ein Gedankenexperiment für eine Ihnen bekannte Führungskraft:
Bitte schätzen Sie: Wie viel Ihrer Zeit investieren Sie in welchen Arbeitsbereich? Die Summe muss 100 Prozent ergeben.
Für die Zeitzuordnung gibt es keine optimale Struktur. Je weniger Mitarbeiter eine Führungskraft hat, desto mehr Sachaufgaben muss sie selbst erledigen. Je mehr Mitarbeiter, desto mehr Zeit muss sie in die Felder fünf bis sieben investieren, damit „der Laden läuft“. Aber genau das passiert nicht!
In der Regel arbeiten Führungskräfte zu viel an Sachaufgaben.
Dafür gibt es zwei Ursachen.
Ursache 1: Das klassische Dilemma
Wir machen aus den besten Spezialisten beziehungsweise Fachkräften unsere Führungskräfte! Abgesehen von (Groß-)Unternehmen mit einer Parallel- oder Fachhierarchie ist eine Führungsposition die einzige Entwicklungschance für diese Leistungsträger. Wird ein externer Kandidat oder ein fachlich weniger guter Kollege mit einem höheren Führungspotenzial vorgezogen, dann wird der beste frustriert und mit hoher Wahrscheinlichkeit das Unternehmen verlassen. Also wird die beste Fachkraft zur Führungskraft gemacht.
Zwei Argumentationsstränge veranlassen nun diese ehemals beste Fachkraft selbst, an den Fachthemen zu arbeiten.
Strang A:
- Wenn ich das Problem löse, ist das meine Leistung, mein Ergebnis (wie früher).
- Es macht einfach Spaß, ein herausforderndes Problem selbst zu lösen. Die einfachen Themen oder Zuarbeiten delegiere ich an die Mitarbeiter.
- Honoriert wird sowieso nur der fachliche Output meines Bereichs, nicht meine Führung.
Strang B:
- Wenn ich es selber mache, weiß ich, dass es klappt.
- Wenn Mitarbeiter es nicht schaffen, werde ich trotzdem dafür verantwortlich gemacht.
- Bis ich das Thema einem Mitarbeiter erklärt habe, bin ich schon fertig.
- Das können meine Mitarbeiter nicht.
Das ist der direkte Weg in die 65-Stunden-Woche. Führungskräfte haben so gute Chancen, einen Burnout zu erleben und Mitarbeitern Boreout-Erfahrungen zu ermöglichen.
Ursache 2: Fehlende Managementwerkzeuge
Für die operative und „strategische“ Bereichs- und Personalsteuerung fehlten bisher funktionierende Werkzeuge. So ist die Aufgabenverteilungsmatrix das Schlüsselinstrument, um Arbeitsinhalte zu planen, zusammen mit den Mitarbeitern zu verteilen und Key Performance Indicators (KPIs) zu ermitteln. KPIs dienen auch der Kapazitätsermittlung, also der Planung der Anforderungshöhe. Genau an dieser Stelle kann Burnout und Boreout vorgebeugt werden.
Damit ist vom Tisch, was in vielen Studien kritisiert wird: dass sich Mitarbeiter beteiligen wollen, mehr Beachtung und mehr Anerkennung wünschen. Das alles sind relevante Faktoren für Burnout. Wenn Führungskräfte in Trainings mit der Matrix ermitteln, dass sie (außer in der Produktion) bis zu 40 Prozent der Personalkapazität unproduktiv einsetzen, dann ist das wichtigste Gegenargument entkräftet: „Dafür haben wir keine Zeit.“ Wenn sie für die folgenden Schritte Bildungsbedarfsanalyse, Kompetenzentwicklung, Delegation und Prozesssteuerung ebenfalls geeignete Werkzeuge bekommen, dann entwickelt sich Führungskompetenz aus der Praxis heraus und ein oft gehörter Satz könnte Vergangenheit werden: „Warum soll ich Mitarbeitergespräche führen, ich rede doch jeden Tag mit meinen Mitarbeitern“.
Hier zu investiert, das nutzt auch der Unternehmensleitung und oberen Führungskräften. Gute Strategien und Pläne scheitern oft im und am Tagesgeschäft. Werden sie umgesetzt, weil im Unternehmen strategischer gearbeitet wird, dann ist das für diese Führungskräfte Burnout-Prophylaxe, die in unserer turbulenten Zeit bestimmt nicht in den Boreout führt.