Führungskräfteentwicklung statt Employer Branding gegen Fachkräftemangel

Nicht Employer Branding, sondern das Verhalten von Führungskräften wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Top-Managementberater Olaf Hinz sagt, warum.

Herr Hinz, Sie ziehen eine Verbindung zwischen dem Verhalten von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern und dem derzeit herrschenden Fachkräftemangel. Das müssen Sie erklären.
Mitarbeiter verlassen Ihre Führungskraft und nicht das Unternehmen, dies belegen zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre. Die Erfahrung zeigt, dass auch der Umkehrschluss gilt, das heißt dass gute Führung Mitarbeiter anzieht und bindet. Und dabei ist gute Führung weit mehr als nur die professionelle Anwendung von Techniken oder Tools. Das ist die Grundlage. Wichtig ist vielmehr, wie Führungskräfte sich persönlich gegenüber ihren Mitarbeitern verhalten, was sie tun und was nicht. Ganz entscheidend ist zum Beispiel für mich, wie Führungskräfte generell mit Menschen, also ihren Mitarbeitern umgehen. Das hat viel mehr Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit als das Führen nach bestimmten Techniken oder das Image des Unternehmens.

Aber mit der Menschlichkeit beziehungsweise dem Menschsein ist es doch so eine Sache. Nicht jeder taugt vom Charakter her als Führungskraft.
Das stimmt wohl. Führen ist nur zum Teil erlernbar. Aber es gilt auch, dass Menschen nicht als Leader geboren werden. An der inneren Einstellung von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern können sie aber schon etwas verändern. Es macht eben einen Unterschied, ob sich Führungskräfte bewusst Zeit nehmen, um zum Beispiel einmal pro Woche ein Einzelgespräch mit ihren Mitarbeitern zu führen oder ob sie deren Problemen relativ gleichgültig gegenüberstehen. Die Aussage „Meine Tür steht immer offen“ ist noch kein wirksamer Führungsstil.

Eine konzerninterne Umfrage unter Mitarbeitern der Deutschen Bahn AG hat kürzlich ergeben, dass rund 70 Prozent der Beschäftigten wegen ihrer Arbeit dort frustriert sind. Gründe sind etwa lange Entscheidungswege, überzogene Ziele oder undurchschaubare Strukturen. Ist das alles auf mangelnde Führungsqualitäten zurückzuführen?
Es ist sicher so, dass in einer komplexen Organisation bestimmte Strukturen auch das Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitern prägen. Trotzdem ist mangelnde Motivation von Mitarbeitern in den meisten Fällen darauf zurückzuführen, wie sie im Arbeitsalltag tatsächlich geführt werden. Dieses direkte Erleben ist ganz entscheidend in einem Unternehmen, auch der Deutschen Bahn. Anscheinend ist das, was in Unternehmensdarstellungen nach außen kommuniziert wird, nämlich gute Führung, noch längst nicht überall eingelöst.

Würden Sie also unterschreiben, dass in Deutschland generell ein Mangel an guter Führung herrscht?
Nicht pauschal, ich kenne auch positive Beispiele. Aber gerade in Zeiten knapper HR-Budgets sollten Unternehmen besser in Maßnahmen zur Führungskräfteentwicklung investieren als in teure Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitgebermarke, sprich Employer Branding.

Ist Employer Branding für Sie also nichts weiter als ein schillernder Begriff?
Vor allem in Zeiten knapper Kassen würde ich das so sagen. In einer solchen Situation ist es wichtiger, in direkt spürbare Personalentwicklung zu investieren als in die mittelbar wirkende Markenentwicklung. Es gibt natürlich Marken wie zum Beispiel Porsche, die brauchen kein Employer Branding aufgrund ihres Rufs. Aber auch andere, weniger bekannte und mittelständische Unternehmen, schaffen es allein durch ihre Unternehmenskultur – und eben auch das passende Verhalten und die Haltung von Führungskräften – dass die Mitarbeiter dort engagiert sind. Und nur mit dauerhaft engagierten Mitarbeitern und Führungskräften wird man ein attraktiver Arbeitgeber.

Sie fordern ein wirksames Management jenseits von Tools und Checklisten. Sind diese Dinge denn gänzlich obsolet?
Die Betonung liegt auf dem Wort „jenseits“. Das bedeutet nicht, dass Tools und Checklisten komplett unnötig wären. Aber in Tagen wie diesen, wo die Börsen abstürzen und Unternehmen im Grunde nichts mehr planen können, reichen sie nicht aus. Doch es gibt immer noch Unternehmen, die messen die Arbeit ihrer Führungskräfte allein am Erfüllen zuvor aufgestellter Planziele. Das halte ich für falsch und gefährlich! Pläne und Ziele sind zwar wichtig, doch es kann nicht darum gehen, diese stur abzuarbeiten. Eine gute Führungskraft sollte vielmehr in der Lage sein zu lernen, das heißt einmal aufgestellte Ziele zu revidieren und auf neue Situationen anzupassen.

Welchen Rat können Sie Unternehmen folglich geben, wenn es um das Verhalten von Führungskräften geht?
Nur gute Führung bindet die Potenzialträger, die es in Unternehmen braucht. Nicht die Marke eines Unternehmens an sich. Es geht letztlich immer um die Frage, wie Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern umgehen und ob diese dadurch motiviert oder demotiviert werden.

Herr Hinz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Dazu im Management-Handbuch

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