FührungspersönlichkeitFührungskräfte sind so wie sie sind

Führungskräfte, die sich aufgrund der Unternehmensvorgaben verbiegen müssen, können ihre Talente nicht mehr richtig einsetzen und verlieren an Authentizität.

Von allen Mitarbeitern in Deutschland sollen 24 Prozent zu den hoch Engagierten zählen, fand Towers Watson in einer Untersuchung 2010 heraus. Als Grund für die gebremste Begeisterung der Beschäftigtenmasse nennt die Institution die mangelnde Führung. Schlechte Personalführung sei Motivationskiller Nr. 1. Konkret wird gefordert, Führungskräfte sollten Gespräche mit ihren Mitarbeitern suchen und mit ihnen konstruktiv an Problemlösungen arbeiten.

Notwendige Grundfähigkeiten

Die obige Forderung drückt alles aus, was eine Führungskraft braucht. Lassen wir und das nochmals auf der Zunge zergehen:

Eine Führungskraft sollte

  • das Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen,
  • mit ihnen konstruktiv an Problemlösungen arbeiten.

Eine Führungskraft sollte also bestimmte Grundfähigkeiten haben, sollte nämlich

  • ein Gespräch führen können,
  • auf Mitarbeiter zugehen können,
  • die Leute einbeziehen – also eine Beziehung herstellen können,
  • konstruktiv an Dinge herangehen können,
  • Methoden kennen, wie man Probleme lösen kann sowie
  • mit den Mitarbeitern gemeinsam – also mit Teams arbeiten können.

Die meisten Sollprofile für Führungskräfte sind Unsinn

Solche Fähigkeiten zu lernen und zu trainieren sollte eigentlich nicht schwer sein. Wir sprechen ja von Führungskräften und nicht von der Auswahl der Kandidaten dafür. Doch in Führungskonzepten von Unternehmen und Trainings dazu wird oft ein hoch komplexes Eigenschaftsprofil gezimmert, das Führungskräfte erfüllen sollen. Da gibt es dann ein Dokument zur Führungskultur der NN AG. „Eine Führungskraft bei uns hat … kann … ist …“ Dabei geht es um

  • Denk- oder Verhaltenseigenschaften wie vorausschauend, visionär, kommunikativ, analytisch, initiativ und so weiter.
  • Eigenschaften wie belastbar, intelligent, verantwortungsbereit etc.
  • Ein unternehmenskulturelles Wertesystem, das Chefs leben und weitergeben sollen.

Das sind theoretische Konstrukte, die völlig an dem vorbeigehen, was umsetzbar ist. Gründe:

  1. Jede Führungskraft hat genetisch bedingt eine bestimmte psychologische Struktur. Sagen wir, sie hat etwas Typisches. Die oben genannten Grundfähigkeiten kann sich jeder Typ aneignen. Er wird sie nur gemäß seines Typs, seines Selbst anwenden. So wird ein ordnungsliebender Mensch mit Vorliebe zum Detail ein Gespräch anders führen als ein großzügiger Visionär. Aber beide können das lernen, was wir oben festgehalten haben.
  2. Psychologische Eigenschaften für Führungskräfte allgemein zu fordern ist totaler Unsinn. Es können bestimmte Denk- oder Verhaltenseigenschaften wichtig sein für ganz bestimmte Arbeitsbereiche. So wird ein Prüfstandchef nicht der Visionär sein müssen. Der Entwicklungschef dagegen schon.
  3. Fähigkeiten, die zur guten Arbeit von Chefs einfach gehören, müssen wir nicht in einem Führungskräfteprofil festhalten. Zum Beispiel Unwörter wie „belastbar, Einsatzbereitschaft …“ Nicht belastbare Leute werden kaum Führungskraft werden. Vielleicht Fachkraft.

Ganz toll zu lesen ist: „Unsere Führungskräfte führen auf der Grundlage unserer Werte“. Die Story vom Wertesystem des Unternehmens ist absolut überholt. Der Managementwechsel geht heute so schnell wie der Produkt- und Marktwechsel. Was sollen da langfristig anhaltende Werte sein?

„Innovationsorientiert“ liest man oft. Der Laden wird von Investoren gekauft. Die trimmen auf Kostenreduktion und reine Profitorientierung. Innovationsorientierung auf Nimmerwiedersehen. So liest man dann nur noch Selbstverständlichkeiten wie „Qualität, Kundenorientierung, …“ Ohne das, geht jede Firma pleite.

Auch Führen muss Selbstverwirklichung sein

Führungskräfte sind Menschen, also Individuen. Sie haben individuelle Talente und auch ein individuelles Glaubenssystem. Gemäß der Erfolgsregel Stärken stärken müssen sie in der Mitarbeiterführung ihre Stärken einsetzen. Egal ob im Einzelgespräch oder im Team, sie müssen authentisch bei ihren Stärken bleiben. Wenn sie die Stärken anderer nachäffen, werden sie versagen. Ebenso, wenn sie sich an die Stärken ihres Vorgesetzten anlehnen. Die obigen Grundfähigkeiten können mit völlig unterschiedlichen Denk- und Glaubenssystemen praktiziert werden.

Es gibt beispielsweise geborene Teamplayer. Es sind Menschen, die fühlen sich in Menschengruppen am wohlsten und kommunizieren meist auch gut. Demgegenüber gibt es eher introvertierte Führungskräfte, die eigentlich am liebsten selbst denken und dann delegieren. Auch diese Typen können lernen, vernünftig mit dem Team umzugehen. Sie werden nur etwas weniger Zeit zum „warm werden“ investieren.

Sodann gibt es Chefs, denen ist die Kreativität und das Entdecken von Neuem fast wie eine Religion. Oberster Wert „Kreativität“. Sie gehen an Problemlösungen offener heran als der Antityp, dessen Welt die Ordnung und Praktikabilität ist. Beide können gleich gut Teams führen. Der Erste nutzt seine Mitarbeiter zum Check der Machbarkeit. Der Zweite nutzt sie zur Ideenfindung.

Introvertierte, analytisch begabte Typen tun sich etwas schwer, auf Mitarbeiter zuzugehen. Sie bitten dann eben ihre Mitarbeiter, zu kommen, wenn etwas zu klären ist. Der eher extrovertierte, kommunikative Typ geht sofort auf seine Mitarbeiter zu, wenn er spürt, dass es Klärungsbedarf gibt. Beides ist verträglich. Keiner muss sich verbiegen.

Authentizität als beste Führungskultur

Ich würde in der Führungskräfte-Entwicklung eines Unternehmens als Lernziel Nr. 1 die Fähigkeit setzen, sich selbst, seinem bevorzugten Denken und Verhalten sowie seinem Glauben treu zu bleiben (=Stärken): Authentizität.

Als Lernziel Nr. 2 würde ich setzen, Mitarbeiter zum Finden und Umsetzen ihrer Stärken zu bringen, ihnen dabei zu helfen.

Wenn solch ein Führungsprinzip umgesetzt wird, dürfte der Erfolg des Unternehmens nicht mehr aufzuhalten sein. Das ist übrigens keine exotische Meinung von mir, sondern eine weitverbreitete Meinung beziehungsweise Erkenntnis unter den HR-Experten. Nur das Problem, besonders im Mittelstand, ist, dass die Unternehmer die Führungskultur als Hobby entdecken. Sie schaffen – von teuren Beratern unterstützt – einen filigranen Idealtyp für ihre Führungskräfte. Dann werden die „Change Agents“ eingesetzt, um die Führungskräfte in zig Workshops unternehmenskulturell zu trimmen. Sobald der Inhaber wechseln sollte, wird eben wieder gechanged, nur diesmal anders herum.

[Bild: Klaus Eppele - Fotolia.com]

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