Führungspersonal bei Übernahmen prüfen

Übernahmen sind nur dann erfolgreich, wenn das alte Führungspersonal mitzieht und die Fähigkeiten besitzt, die das neue Management braucht. Eine Due-Diligence-Prüfung kann helfen, dies herauszufinden.

Ein Konzern möchte einen Mitbewerber übernehmen. Eine Private-Equity-Gesellschaft plant, Anteile an einem Unternehmen zu erwerben oder ein Management-Buy-Out zu finanzieren. Wenn Unternehmen einen solchen „Big Deal“ erwägen, bilden sie meist ein Projektteam zur Vorbereitung des möglichen Investments. Sie engagieren zudem Heerscharen von Beratern, die im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung ermitteln sollen, was für und was gegen den Kauf spricht. Untersucht wird dabei unter anderem: 

  • Wie ist die Marktposition des Übernahmekandidaten?
  • Welche Marktchancen hat er aufgrund seines Produktportfolios und Know-hows?
  • Wie stellt sich seine Finanzsituation dar?
  • Welche rechtlichen Aspekte wären bei einer Akquisition zu bedenken?
  • Welche strategischen Vorteile und Synergieeffekte ergäben sich hieraus?

Ermittelt wird sozusagen alles, was für oder gegen eine Übernahme spricht, um letztlich entscheiden zu können, ob der Deal durchgeführt wird und wie viel für das Übernahmeobjekt bezahlt werden soll. Eine lediglich geringe Rolle spielt bei der Due-Diligence-Prüfung meist die Qualität des Managements des Übernahmekandidaten und dessen (Führungs-) Kultur. Dabei sind diese Faktoren für den Erfolg von Firmenübernahmen von großer Bedeutung. Denn vom künftigen Management hängt es weitgehend ab, inwieweit der Investor seine Übernahmeziele erreicht. Investoren sollten vor einer Akquisitionsentscheidung also prüfen, ob sie mit dem vorhandenen Managementteam ihre Ziele erreichen können oder ob dafür strukturelle und personelle Veränderungen nötig sind.

Übernahme schafft neue Rahmenbedingungen

Viele Investoren tun dies nicht ausreichend, was sich unter anderem darin zeigt, dass bei vielen Firmenkäufen die gravierendsten personellen Veränderungen nicht unmittelbar nach der Übernahme erfolgen. Oft fängt das Personalkarussell sich erst nach ein oder zwei Jahren richtig zu drehen an. Das heißt: Die neuen Eigner vertrauen zunächst weitgehend auf das alte Management. Erst nach einiger Zeit stellen sie fest, dass es die eigenen Erwartungen nicht erfüllt. Auch denken die Top-Manager des übernommenen Unternehmens oft, dass sich durch die Übernahme nicht viel ändern wird. Nach einiger Zeit jedoch stellen sie fest, dass sie unter den neuen Rahmenbedingungen nicht arbeiten können und wollen. Also ergreifen sie die Flucht. 

Letzteres passiert oft, denn bei den meisten Übernahmen ändern sich die Rahmenbedingungen des Handelns für das Management stark. Mit Übernahmen sind in der Regel neue strategische Zielsetzungen verbunden, woraus neue Anforderungen an das Management resultieren. Dies sei an zwei Beispielen illustriert.

Beispiel 1:
Ein Elektronikkonzern erwirbt die Mehrheitsanteile an einem jungen Startup. Dieses hat eine Problemlösung im Bereich Social Media entwickelt, von der sich der Konzern einen Innovationsschub für seine Produkte verspricht.

Mit diesem Schritt verändert sich für den bisherigen Vorstand des Startup-Unternehmens die Arbeitssituation radikal. Plötzlich hat er nicht mehr das alleinige Sagen, sondern ist in die Entscheidungs- und Reportingstrukturen eines Konzerns eingebunden. Zudem wächst aufgrund des frischen Kapitals die ehemalige „Garagen-Firma“ sehr schnell, so dass das Unternehmen neu strukturiert und anders geführt werden muss, weshalb auch dessen Führungscrew andere Fähigkeiten braucht. Passiert genau das, haben die ehemaligen Firmengründer oft das Gefühl: Das ist nicht mehr meine Firma. Hier fühle ich mich nicht mehr wohl. Auch, weil sie von ihren neuen Managementaufgaben überfordert sind.

Beispiel 2:
Ein Unternehmen erwirbt einen Mitbewerber mit langer Firmentradition vor allem deshalb, weil es sich von der Übernahme den Zugang zu neuen Märkten verspricht.

Auch hier verändert sich die Arbeitssituation des Top-Managements radikal, denn plötzlich ist das ehemals stolze eigenständige Unternehmen nur noch eine Art Vertriebsorganisation, die ihr Handeln an den Zielvorgaben der neuen Eigner orientieren muss. Eine Situation, die von den Top-Entscheidern des akquirierten Unternehmens ein neues Selbstverständnis und verändertes Managementhandeln erfordert, weshalb bei solchen Übernahmen personelle Veränderungen meist unumgänglich sind.

Ausbluten der Organisation verhindern

Bei Firmenübernahmen machen sich die neuen Eigner im Vorfeld oft wenig Gedanken darüber, was daraus für das Management des akquirierten Unternehmens folgt. Anders ist dies bei dessen Top-Entscheidern. Sobald die mögliche Übernahme publik wird, setzt bei ihnen das Gedankenkarussell ein: 

  • Was bedeutet die mögliche Übernahme für mein Unternehmen?
  • Was heißt das für meine berufliche Zukunft?
  • Verliere ich meinen Job?
  • Wenn nein: Wie sieht dann mein künftiges Stellenprofil aus?
  • Welche Entscheidungs- und Gestaltungsmacht habe ich noch?
  • Welche Karrierechancen habe ich unter den neuen Eignern?

Entsprechend schnell sind in solchen Phasen der Ungewissheit die Leistungs- und Know-how-Träger zu einem Arbeitgeberwechsel bereit. Das wissen auch die Mitbewerber. Also buhlen sie verstärkt um die Personen, die bei dem Übernahme-Kandidaten Schlüsselpositionen besetzen. Auch deshalb sollten Organisationen, die ein anderes Unternehmen erwerben möchten, im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung analysieren:

Welche Fähigkeiten brauchen wir zum Erreichen der Ziele unseres Investments?

Nur dann können sie rasch die für den Erfolg der Übernahme wichtigen Führungskräfte, aber auch Spezialisten und Teams identifizieren und an diese das Signal senden: Wir brauchen euch!

Stichwort

Leadership-Due-Diligence-Prüfung

Eine Leadership-Due-Diligence-Prüfung lässt sich mit einem Management-Audit vergleichen, bei dem mit unterschiedlichen Instrumenten versucht wird einzuschätzen, inwieweit die oberen Führungskräfte einer Organisation über die nötigen Kompetenzen verfügen, um ihren Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele zu leisten.

Doch wie sollte ein Unternehmen bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung vorgehen? Zunächst muss es klar definieren, was mit der Übernahme erreicht werden soll. Die Antwort kann zum Beispiel lauten: 

  • Zugang zu Know-how verschaffen, das der eigenen Organisation fehlt
  • Neue Kundengruppen und Marktsegmente erschließen
  • Skaleneffekte erzielen und die eigenen Lohn-Stück-Kosten senken

Das Akquiseziel exakt zu definieren ist unter anderem wichtig, weil sich hieraus zum Teil die Antworten auf folgende Fragen ergeben:

  • Welche Bereiche im Unternehmen und welche der dort vorhandenen Kompetenzen sind für den Erfolg der Akquisition unabdingbar?
  • Welche Struktur und Kultur muss die übernommene Organisation künftig haben, damit wir unsere Ziele erreichen?

Die Antworten auf diese Fragen wirken sich wiederum auf die Personalentscheidungen aus. Erneut zwei Beispiele:

Beispiel 1:
Ein Unternehmen erwirbt ein anderes vor allem deshalb, weil dieses in der Produktentwicklung innovativer ist als die eigene Organisation.

Hier stellt häufig der Forschungs- und Entwicklungsbereich des übernommenen Unternehmens das Filetstück dar, das bei der Übernahme auf keinen Fall Schaden nehmen darf. Also sollte bei der Übernahme darauf geachtet werden, dass in diesem Bereich weitgehend Kontinuität gewahrt bleibt – und zwar nicht nur auf der kulturellen und strukturellen Ebene, sondern auch auf Seiten der Führung. Sonst ist die Gefahr groß, dass das zerstört wird, was das Unternehmen attraktiv macht.

Beispiel 2:
Ein Unternehmen erwirbt einen Mitbewerber primär, um den eigenen Marktanteil auszubauen und sich Zugang zu neuen Kundengruppen zu verschaffen.

Diese Situation ist eine andere, denn das Übernahmeunternehmen ist vor allem an Kunden und Absatzwegen interessiert. Bei solchen Deals ist es meist sinnvoll, das gekaufte Unternehmen strukturell und kulturell soweit möglich in die eigene Organisation zu integrieren. Oder anders formuliert: es faktisch zu „schlucken“, selbst wenn nach draußen ein „Merger of Equals“ verkündet wird. Bei solchen Mergers wird das Top-Management meist weitgehend ausgetauscht, auch, weil es den Alphatieren auf der Top-Ebene in der Regel schwer fällt, ins Glied zurückzutreten.

Welches Management wird benötigt?

Angenommen, der Investor hat seine Übernahmeziele definiert. Er weiß zudem, welche Struktur und Kultur das akquirierte Unternehmen hierfür nach der Übernahme braucht. Dann kann er im nächsten Schritt definieren: 

  • Wie sollte das Management des übernommenen Unternehmens künftig strukturiert sein?
  • Welches Profil müssen die Personen haben, die dort die Top-Positionen besetzen?

Dies ist wiederum die Voraussetzung, um zu prüfen, welche der bisherigen Top-Entscheider weiterhin auf der Gehaltsliste des Unternehmens stehen sollen und welche nicht. Dies zu ermitteln, ist im Vorfeld von Übernahmen meist nur bedingt möglich, speziell bei der feindlichen Variante. Denn dann haben die Investoren zwar oft schon Zugriff auf die Organigramme, doch aus diesen Datenblättern geht nicht hervor, wie die Entscheidungen real getroffen werden. Aus ihnen ist zudem nicht ersichtlich:

  • Wie effektiv arbeiten die Leiter der Bereiche zusammen?
  • Wie „ticken“ diese als Person?
  • Wie stark sind diese zum Beispiel im Umsetzen von Entscheidungen?

Hierüber können die Investoren im Vorfeld von Übernahmen oft nur über Umwege erste Informationen gewinnen, zum Beispiel durch ein Analysieren und Interpretieren der ihnen zur Verfügung stehenden betriebswirtschaftlichen Daten oder durch das Befragen von externen Partnern wie Kunden und Lieferanten. Diese Informationen reichen aber gerade in Bezug auf die zweite und dritte Führungsebene meist nicht aus. Hier lässt sich nicht so einfach ermitteln, inwieweit die Stelleninhaber die Anforderungen für die Übernahme einer Top-Position erfüllen.

Prüfung so früh wie möglich durchführen

Deshalb kann die eigentliche Leadership-Due-Diligence-Prüfung in der Regel erst nach der vollzogenen Übernahme erfolgen. Dann jedoch sollte sie möglich schnell angegangen werden, damit die Führungskräfte Gewissheit über ihr eigenes Schicksal erhalten und ihren Mitarbeiter den Halt geben können, den diese in Umbruchsituationen brauchen. Also muss die Leadership-Due-Diligence-Prüfung zum Übernahme-Zeitpunkt bereits vorbereitet sein. Der einzige Unterschied sind die zentralen Fragen der Leadership-Due-Diligence-Prüfung. Sie lauten: 

  • Welche Top-Entscheider des übernommenen Unternehmens verfügen über die Fähigkeiten und Eigenschaften, die künftig auf der Managementebene des Unternehmens benötigt werden?
  • Kann das bisherige Führungsteam auch unter den geänderten Rahmenbedingungen die gewünschte Wirkung entfalten oder sind personelle und strukturelle Veränderungen nötig?

Das heißt: Bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung ist das Audit auf die angestrebten Veränderungen und die Ziele des neuen Eigners fokussiert. Dies ist wichtig, denn oft sind gerade die Top-Entscheider des akquirierten Unternehmens die Bremser, wenn es um das Erreichen der neuen Ziele geht. Obwohl sie in der Vergangenheit die Garanten für Erfolge waren. Dies sei an drei Beispielen nochmals illustriert:

Beispiel 1:
Ein Anlagenbauer möchte einen Mitbewerber übernehmen. Gegen diese „feindliche Übernahme“ wehren sich insbesondere dessen Vorstandsvorsitzender und der Finanzvorstand. Am Ende wird das Unternehmen doch übernommen.

Der Finanzvorstand empfindet dies auch als persönliche Niederlage. Es fällt ihm vermutlich schwer, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren und sich mit den neuen Zielen zu identifizieren. Also stellt sich für die neuen Eigner die Frage, ob er der richtige Mann ist, ungeachtet seiner Kompetenz als Finanzvorstand.

Beispiel 2:
Ein Büromaschinenhersteller wird von seinem bisher härtesten Konkurrenten übernommen, über dessen Produkte sich der Vertriebsleiter des übernommenen Unternehmens bisher in Mitarbeiter- und Kundengesprächen stets abfällig äußerte.

Für die neuen Eigner stellt sich hier die Frage, ob der bisherige Vertriebsleiter auch künftig diese Funktion bekleiden kann oder ob er nicht die Glaubwürdigkeit bei seinen Mitarbeitern und Kunden verliert, wenn er plötzlich die Produkte des ehemaligen Mitbewerbers vertreibt.

Beispiel 3:
Ein Versicherungskonzern erwirbt eine andere Versicherungsgesellschaft. Um die gewünschten Synergieeffekte zu erzielen, soll unter anderem die IT des übernommenen Unternehmens der IT-Landschaft des neuen Eigners angepasst werden.

Dadurch wird auch der bisherige IT-Leiter teilweise entmachtet. Er muss sich nun dem Diktat der neuen Eigner unterordnen. Daraus erwächst die Frage, ob er sich auch künftig noch mit seiner Position identifizieren kann und ob er sein neues Stellenprofil nicht als Degradierung erfährt. 

Auch solche Fragen gilt es bei einer Leadership-Due- Diligence-Prüfung zu beantworten, um letztlich zur Entscheidung zu gelangen: Wer nimmt welche Funktion in der Organisation wahr? Also müssen auch die Fragestellungen im Audit hierauf fokussiert sein. Zuweilen wird das Ergebnis der Prüfung lauten, eine bestimmte Führungskraft als erfahrenen Manager und wichtigen Know-how-Träger in der Übergangsphase noch zu behalten. Was danach passiert, bleibt häufig offen. In einer solchen Situation sollten die neuen Eigner in der Regel mit offenen Karten spielen und mit dem Manager ein Agreement aushandeln, das den Interessen aller Beteiligten entspricht.

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