GesprächsführungWie wir Missverständnisse vermeiden können
Wenn Menschen aneinander vorbeireden, dann oft gar nicht deshalb, weil sie über irgendeinen wichtigen Punkt unterschiedlicher Meinung wären, sondern weil sie auf unterschiedliche Weise kommunizieren. Irritationen und Missverständnisse rühren oft von Ritualen her, die den Gesprächsstil eines Menschen prägen. Wenn wir sie kennen und identifizieren können, sind wir in der Lage, viele Irritationen von vornherein zu vermeiden.
Gesprächsrituale sind so individuell wie die Menschen, mit denen wir uns täglich austauschen. Deshalb gilt es in Gesprächen immer auf die Nuancen zu hören. Dann können wir in den Äußerungen unserer Gesprächspartner und auch bei uns selbst bestimmte Rituale heraushören, die sich von den eigenen unterscheiden und oft dazu führen, dass wir einander nicht verstehen.
Sich für nichtige Anlässe entschuldigen
Das Entschuldigungsritual blockiert in vielen Dialogen die Verständigung, was für Irritationen sorgen und zu Verzögerungen im Gesprächsablauf führen kann. Das Gesprächsritual des Entschuldigens unterscheidet sich in seinem Gebrauch von tatsächlichen Entschuldigungen, mit denen wir Reue für einen Fehler einräumen. Das Tückische: Wir verwenden für dieses Ritual meist die gleiche Formulierung („Tut mir leid!“) und den gleichen „selbstabfälligen“ Tonfall. Die rituelle Verwendung im Gespräch bedeutet jedoch nicht, dass der Sprecher die Verantwortung für etwas übernimmt. Vielmehr ist sie ein Ausdruck von Verständnis oder Anteilnahme – selbst bei nichtigen Anlässen.
Personen, die das Entschuldigungsritual verwenden, geht es also unbewusst darum, mit entsprechenden Floskeln für Ausgleich zu sorgen und die Augenhöhe wieder herzustellen. Doch wenn ein Gesprächspartner permanent seinen eigenen Standpunkt schwächt, dann kommt die Diskussion nicht vorwärts, und die Lösungsfindung wird verschleppt. Die Rollenverteilung im Dialog ist plötzlich asymmetrisch, Missverständnisse vorprogrammiert. In Verhandlungen ist das besonders fatal. Das Entschuldigungsritual soll das Gleichgewicht in einem Gespräch wiederherstellen – und bewirkt oft genau das Gegenteil.
Automatisch in Opposition gehen
Es gibt ein Ritual, das wir sehr häufig vollziehen, ohne dass wir es bemerken: das Oppositionsritual. Dabei gehen wir als Reaktion auf Gesagtes innerlich in Opposition, reagieren sensibler als Andere darauf.
Bei der rituellen Opposition geht es oft gar nicht um die Sache, sondern um die Herausforderung an sich. Wer sich im Recht sieht, argumentiert schnell mit überzogenen Mitteln – im festen Glauben, das Richtige zu tun und der Gerechtigkeit zu dienen.
Wenn wir unwillkürlich geneigt sind dagegenzuhalten, tun wir gut daran, erst einmal zuzuhören und den Anderen ausreden zu lassen.
Sich mit Klagen emotional entlasten
Unter Kollegen hört man in der Kaffeeküche häufig Gespräche wie dieses: „Wenn wir nicht bald neue Bürostühle bekommen, muss sich die Geschäftsführung nicht wundern, wenn wir alle mit Rückenproblemen krankgeschrieben sind.“ „Hör bloß auf! Ich konnte gestern auch schon kaum noch aufstehen. Und die Monitore in unserer Abteilung: Mir tun jeden Abend die Augen weh.“
Wer hat sich an einem schlechten Tag noch nie mit Kollegen beim Jammern gegenseitig übertroffen? Im Büro besteht die Gefahr, dass rituelle Klagesänger sich einen Ruf als chronische Nörgler mit negativer Arbeitseinstellung einhandeln. Im schlimmsten Fall werden sie sogar als unfähig eingeschätzt, ihre Probleme selbst zu lösen. Doch dieses Klageritual ist in aller Regel nur ein Ausdruck von Solidarität zwischen den Gesprächspartnern. Die meisten Klagen, die dabei vorgebracht werden, sind nicht wirklich ernst gemeint. Es handelt sich eher um reflexhafte Zustimmung nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Genau deshalb kann ein Kollege allerdings auch als wenig empathisch oder unsozial wahrgenommen werden, weil er sich am allgemeinen Klagen über die Arbeitsverhältnisse, das Wetter oder den grantigen Hausmeister nicht beteiligt.
Das Klageritual dient der emotionalen Entlastung. In den seltensten Fällen handelt es sich dabei um einen Aufruf zur Problemlösung. Wer nicht daran teilnimmt, ist deshalb nicht gefühlskalt. Klagen liegt einfach nicht jedem.
Klarheit braucht ein offenes Ohr
Der Schlüssel zur Klarheit im persönlichen Gespräch liegt darin, sich der Verschiedenheit menschlicher Gesprächsstile bewusst zu sein. Menschen wählen aufgrund ihrer Prägung unterschiedliche Methoden, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Gemütsverfassung auszudrücken.
Wer die eigenen Rituale kennt, kann mit den Reaktionen seiner Gesprächspartner besser umgehen. Wer außerdem deren Rituale erkennt, kann sich mit seinen Äußerungen besser auf sie einstellen. Ein persönliches Gespräch ist immer ein Geben und Nehmen.
Wer zu seinen Ritualen steht, wird auch von seinen Gesprächspartnern Offenheit erfahren und viele Missverständnisse von vornherein vermeiden können. Klarheit im Dialog braucht den Willen zu verstehen und verstanden zu werden.
Sechs Regeln für eine klare Kommunikation
1. Achten Sie auf eine präzise Wortwahl!
Jedes Wort, das Sie verwenden, sollte zum jeweiligen Sachverhalt passen, den sie thematisieren.
2. Benennen Sie Konkretes konkret!
Reden Sie nicht um den heißen Brei, sondern wählen Sie Ihre Worte beim Argumentieren so konkret wie möglich.
3. Verwenden Sie Wörter beim Argumentieren nur in ihrer geläufigen Bedeutung.
Die Gefahr ist sonst zu groß, dass andere Sie nicht oder nicht richtig verstehen und die logische Argumentationskette aufgrund einer sprachlichen Lücke reißt.
4. Wählen Sie beim Reden immer das gebräuchlichste Wort, auch wenn Ihnen eindrucksvolle Synonyme zur Verfügung stehen.
Argumentationen sollten immer den allgemeinverständlichen Begriff verwenden, keine unnötigen Fremdwörter oder Wortneuschöpfungen. Wer die Wahl zwischen mehreren Vokabeln hat, sollte immer die einfachere und gebräuchlichere wählen.
5. Erklären Sie ungebräuchliche Wörter wie Fremdwörter oder Fachbegriffe.
Komplexe Ideen, also abstrakte Begriffe, müssen definiert werden. Wenn Sie keine andere Wahl haben, als ein Fremdwort oder einen Fachbegriff zu verwenden, liefern Sie die Übersetzung gleich mit. Damit demonstrieren Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie verstanden werden wollen. Eine überflüssige Erklärung ist besser als ein irritiertes Publikum, das nicht mehr folgen kann.
6. Unterziehen Sie Ihre Argumentation einem logischen Klarheitscheck, indem Sie sie auf formale Vollständigkeit überprüfen.
Je mehr wir sagen, desto weniger kommt beim anderen an. Beschränken Sie sich auf das oder die wenigen stärksten Argumente. Wenn Sie mehrere Gründe vorbringen wollen, beginnen Sie mit dem stärksten. Struktur und Kürze helfen, die Membran der Widerstände zu durchdringen.