Herausforderung DemografieHandeln statt Reden ist angesagt
Beim demografischen Wandel ist es wie bei vielen anderen Themen: Zunächst wurde es völlig ignoriert, dann erkannten wenige Meinungsführer die Brisanz, auch die Medien fingen an zu berichten. Es folgten Konferenzen und Tagungen. Es wurde analysiert und diskutiert. Es entstanden erste Netzwerke. Aber in den meisten Betrieben kam das Thema nicht an.
Nun, im Krisenjahr 2010, das weiterhin die Agenda der Unternehmen bestimmt, zeichnet sich ab: Trotz der Wirtschaftsflaute spüren immer mehr Unternehmen die ersten Folgen des demografischen Wandels.
Gute Mitarbeiter zu finden, so lautet eine zentrale Herausforderung für die Personaler. Eine weitere ist es, diese auch an das eigene Unternehmen zu binden. Schließlich belegen Studien wie die Gallup-Befragungen, dass vier Fünftel der Belegschaft frustriert und demotiviert sind. Die Gefahr, dass gerade die guten Mitarbeiter kündigen und zu anderen Unternehmen wechseln, ist real und sollte nicht unterschätzt werden.
Employability und Arbeitsmarktfitness erhalten
Was ist zu tun? Unternehmen sind gefordert, ihre „Arbeitsmarktfitness“ zu erhalten beziehungsweise zu erhöhen. Das gilt intern, in Bezug auf ihre Attraktivität für die eigenen Mitarbeiter im Sinne von Mitarbeiterbindung, genauso wie extern, bezogen auf die Recruitingschancen. Mithilfe eines sogenannten „Employability Checks“, der mit der Hochschule St. Gallen validiert wurde, lassen sich über die Analyse hinaus konkrete Ansatzpunkte für nachhaltige Maßnahmen zur Arbeitsmarktfitness und Mitarbeiterbindung entwickeln.
Aktionismus hilft allerdings wenig. Erst im Zusammenspiel der Hauptakteure – Mitarbeiter, Vorgesetzter und Personalwesen – ist ein wichtiges Ziel der Arbeitsmarktfitness zu erreichen: „die Mitarbeiter sind willens zu bleiben, aber fähig zu gehen“. Dazu ist das Personalwesen gefordert, die vorhandenen Personalinstrumente und Personalsysteme, etwa Vergütung, Arbeitszeitkonten sowie lebensphasengerechte Personalentwicklung usw., zu überdenken. Auch ist es erforderlich, die Organisation, Abläufe und Einsatzmöglichkeiten den Anforderungen des demografischen Wandels anzupassen.
Die Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern Leistungen und eine hohe Arbeits- sowie funktionsbezogene Einsatzbreite abfordern, ihnen aber auch Feedback zu ihrer jeweiligen „Employability“ geben. Dies kann zum Beispiel im Rahmen von Employability-Gesprächen erfolgen. Aufgabe der Mitarbeiter hingegen ist es, sich selbstverantwortlich um die eigene Arbeitsmarktfitness zu sorgen, in Bezug auf ihre körperliche und mentale Leistungsfähigkeit ebenso wie in Bezug auf ihre fachlichen Kompetenzen.
Stufenweise vorgehen
Um sich gegen die Auswirkungen des demografischen Wandels zu wappnen, sollten Unternehmen in Phasen vorgehen und entsprechende Maßnahmen umsetzen (vgl. Grafik 2).
In der ersten Phase können dazu Maßnahmen wie eine Zukunftskonferenz, ein Demografiecheck oder die Formulierung einer Demografie-Personalpolitik gehören. Daraus könnten im nächsten Schritt konkrete Maßnahmen wie etwa die Einführung von Employability-Gesprächen, Karriere-Checks und präventive Gesundheitsprogramme resultieren. Nachfolgeplanungen, sogenannte „PerspektivSeminare“ und Wissensmanagement zur Know-how-Sicherung zum Beispiel gehören zur dritten Phase.
Neben der Auswahl der jeweils für ein Unternehmen geeigneten Maßnahmen kommt es vor allem darauf an, einen intergenerativen Prozess im Management zu installieren. Nicht allein der Einsatz eines einzelnen (richtigen) Tools oder Trainings bringen die Ergebnisse, diese hängen immer davon ab, wie nachhaltig der Prozess ist.
Um diese Nachhaltigkeit von vornherein sicherzustellen, empfiehlt es sich, am Anfang die Anforderungen aus dem Businessplan zu ermitteln, anschließend die relevanten Altersstrukturen für Kernfunktionen und Schlüsselfunktionen zu analysieren sowie Portfolios zur Situation der Mitarbeiter zu erheben. Nun gilt es, eine nachhaltige Personalpolitik zu formulieren und konkrete Maßnahmen für Unternehmen und Mitarbeiter abzuleiten.
Mitarbeitergespräche weisen den Weg
Ein Kerninstrument dabei ist das Employability-Gespräch. Im Idealfall führen die Vorgesetzten zumindest mit den Mitarbeitern, die älter als 45 Jahre sind und Kernfunktionen beziehungsweise Schlüsselfunktionen einnehmen, regelmäßig alle drei bis fünf Jahre diese Perspektivgespräche. Einerseits sollen diese Gespräche zeigen, wie attraktiv das Unternehmen aus Sicht der befragten Mitarbeiter ist, wie sie die Qualität der Führung empfinden und in welchem Maße ihre Aufgaben sie motivieren.
In Managementrunden erfolgt dann der Abgleich des Businessplans mit den Ergebnissen dieser Employability-Gespräche. Auf diese Weise soll festgestellt werden, welche der erforderlichen Kompetenzen, insbesondere in den Kernfunktionen, quantitativ und qualitativ gefährdet sind. Abhängig von den Bewertungen können dann konkrete Maßnahmen verabschiedet werden, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.
Zu den Employability-Maßnahmen können zum Beispiel Gesundheits-Checkups, Inhouseplacements, HR-Planungsworkshops zum Talentmanagement, aber auch Seminare gehören wie etwa „50+ Reife Leistung – Was mich erfolgreich macht“ oder „60+ Neue Perspektiven entwickeln“.
In der Regel ist, wie schon erwähnt, davon auszugehen, dass der demografische Wandel es auch erforderlich macht, die vorhandenen Personalinstrumente (Beurteilung, Employabilitygespräche etc.), die Maßnahmen der Personalentwicklung sowie die Personalsysteme (Entgelt, Arbeitszeit) der veränderten Situation anzupassen. Wird darüber hinaus ein nachhaltiger, intergenerativer Prozess implementiert, sichert dies nicht nur die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter. Ebenfalls werden sich deren Leistungs- und Einsatzbereitschaft sowie deren Arbeitszufriedenheit deutlich erhöhen. Unternehmen können also zwei Fliegen (Demografiefestigkeit und Motivation) mit einer Klappe schlagen.
[Bild: Michael Kempf - Fotolia.com]