Innovation LabsIdeen lassen sich nicht verordnen
Lebenskünstler verstehen sich nicht als Verwalter ihrer Existenz, sondern als innerlich unabhängige Gestalter. Sie sind Handwerker ihres Lebens und gehen einfach „ans Werk“. Was sie hervorbringen, verdanken sie ihrem Können, keinen künstlichen Welten. Sie nehmen die Realität so, wie sie ist. Die Natur ist ihnen dabei ein guter Wegweiser.
Wer etwas auf sich hält, gründet ein Innovationslab
Seltsame Blüten treibt allerdings eine Entwicklung, die mit einer echten Könnensgesellschaft wenig zu tun hat. Vor allem in Großunternehmen boomen so genannte Innovations- und Kreativlabore (Labs): Physische oder virtuelle Räume, in denen der Austausch von Wissen, Ideen und Informationen im Fokus steht. Viele Vorstände verweisen gern auf ihre Labs, weil sie damit auch demonstrieren, dass sie am Puls der Zeit sind.
So berichtet Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn AG und DB Mobility Logistics AG, im Buch „Das agile Unternehmen: Wie Organisationen sich neu erfinden“ von „Laboratorien für die digitale Zukunft“: ein Mobilitätslab in Frankfurt, ein Infrastruktur-Lab an der Berliner Jannowitz-Brücke, ein Transport-Logistik-Lab in Dortmund, ein Lab für Produktion und für IT und Arbeitswelten 4.0. Zitat Grube: „Das sind abgeschirmte Räume oder Gebäude, die wir für den Spirit der Turnschuhgeneration und Startup-Mentalitäten öffnen wollen. Wir haben uns dabei durchaus vom Silicon Valley inspirieren lassen.“
Das bedeutet konkret: 2014 reiste ein Dutzend Bahn-Mitarbeiter ins Silicon Valley, um, Zitat: „Gründeratmosphäre zu schnuppern und Entwicklergeist mitnehmen zu können.“ Danach kamen sie lediglich zur Erkenntnis, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. Was folgte, waren äußere Anpassungen. So schmückt der berühmte Satz „Stay hungry, sty foolish“ vom ehemaligen Apple-Chef Steve Jobs das Lab. Glühlampen finden sich unter Sonnenschirmen, garniert mit Plastikranken, Laptops stehen auf Arbeitsplatten von IKEA. Und auch ein bunter Stoffpapagei gehört zum Inventar.
Platz für Träume statt Räume schaffen
In der Ideenschmiede der Hamburger Otto Group, einem luftigen Großraum mit kleinen Gesprächsinseln, stehen Ohrensessel in „Star-Trek“-Optik. Morgens gibt es hier eine Aufwärmrunde, „für die auf einer Balustrade bunte Hütchen bereitstehen. Zwischen den Schreibtischen liegen Wasserpistolen und gelbe Plastiktiere“, wie das Wirtschaftsmagazin Capital berichtet. Was diesen Scheinwelten häufig fehlt, sind die „Regeln der Garage“, die viele Unternehmensgründer für sich formuliert haben. Sie verdanken ihre Ideen einem Traum.
Bevor Unternehmen Labs errichten, sollten sie dafür sorgen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte wieder träumen können. Denn wer nicht träumen kann, ist auch nicht in der Lage, sich, seine Organisation oder die Welt zu verändern. Auch wenn der Designer Karl Lagerfeld im Gegensatz zu denen, die in solchen Kreativräumen arbeiten, ein Luxusleben führt, so lässt sich von ihm lernen, dass jeder ein Lebenskünstler sein kann. Kreative wie Lagerfeld brauchen keinen Stoffpapagei, weil sie selbst der Taubenschlag sind, bei dem die Ideen ein- und ausfliegen.
Schöpferisches Können kommt nicht von Außen
Inspiration braucht allerdings auch Einsamkeit – erst dann kann man aus seinen Träumen schöpfen. So entstanden Lagerfelds beste Kollektionen etwa dann, wenn er sie im Morgengrauen im Traum sah und nach dem Aufwachen direkt aufzeichnete. An diesem Beispiel zeigt sich, dass Ideen kommen, wenn Beruf und Berufung verschmelzen. Sie können nicht „bestellt“ werden. Zitat Karl Lagerfeld: „Man kann nicht sagen, morgen früh hätte ich gern eine Idee. Sie kommen, wann sie kommen wollen.“
Es braucht also keine Reise ins Silicon Valley, um sich dem Geheimnis der Kreativität und Innovation anzunähern. Wer kreativ ist, ist es zu jeder Zeit und an jedem Ort. Wem hingegen das Schöpferische fehlt, erhält es auch nicht durch äußere Impulse. Unternehmen sollten daher Bedingungen schaffen, die ein gutes Arbeiten in einem natürlichen Umfeld ermöglichen. Experimentierorte wie Labs können sicher dazu beitragen, aber nur dann, wenn sie sich von innen heraus entwickeln, aus dem Wollen und Können des Einzelnen – und den Bezug zur Wirklichkeit nicht verlieren.