InsourcingWarum es sich lohnt, selbst zu produzieren

Outsourcing ist zwar nicht out, doch viele Unternehmen konzentrieren sich langsam wieder auf ihre eigenen Stärken. Die Folge: Zuvor ausgelagerte Produktionsteile oder Prozesse werden vom vermeintlich preiswerten externen Dienstleister zurückgeholt. Gerade in der Wirtschaftskrise kann Insourcing eine sinnvolle strategische Option sein.

Es ist noch gar nicht so lange her, genau genommen war es 2004, als der bekannte Kuscheltierhersteller Steiff aus dem schwäbischen Giengen vollmundig verkündete, unbedingt in China produzieren zu müssen, um auch dem preiswerten Produktsegment gerecht werden zu können. Die Folge der Strategie: 50 Beschäftigte mussten das Traditionsunternehmen verlassen.

Vier Jahre später titelte das Magazin Focus: „Steiff holt die Teddys heim“ – und bezog sich auf die Tatsache, dass Steiff die teilweise ins kommunistische Billiglohnland verlagerte Stofftierproduktion bis 2010 zurück in die Heimat holen möchte. Es lag wohl an den hohen Qualitätsanforderungen von Steiff selbst, die diesen Schritt notwendig machten und die in China nicht erfüllt werden konnten. Bezeichnend der Kommentar von Steiff-Geschäftsführer Martin Frechen gegenüber dem Focus:

„Am besten machen wir Dinge, die wir selbst machen.“

Das sagte sich ungefähr zur gleichen Zeit auch der dänische Spielwarenkonzern Lego, der seine Bauklötze künftig wieder selbst fertigt und die Auslagerung der Herstellung an den US-Konzern Flextronics rückgängig machte. Erst 2005 hatte Lego die Produktion an das nordamerikanische Unternehmen abgegeben.

Die Gründe für diesen Strategiewechsel zum Insourcing sind laut Lego: Die angestrebten Kosteneinsparungen und Synergieeffekte könnten am besten in Eigenregie erreicht werden. An einer geografischen Auslagerung von Dänemark und der Schweiz in Niedriglohnländer Osteuropas oder in Länder außerhalb Europas werde allerdings festgehalten, hieß es vonseiten Legos.

Und noch ein Fall aus der aktuellen Wirtschaftskrise: Im November 2008 meldete Focus, dass der Autobauer Opel Arbeitsplätze in Deutschland durch die Beendigung der Auslagerung von Dienstleistungen und Teilen der Produktion sichern will. Gesagt, getan: Die Rückholung der Cockpit-Montage für das Modell „Insignia“ sicherte 180 Beschäftigen ihren Arbeitsplatz. Dieses Jahr mitgerechnet, sollen mit dieser Insourcing-Strategie insgesamt mehrere hundert Arbeitsplätze erhalten werden.

Trendumkehr: Vom Outsourcing zum Insourcing

Der Trend ist unverkennbar. Outsourcing, das heißt die Verlagerung von Unternehmensaufgaben, Strukturen und Prozessen an Drittunternehmen verliert insgesamt an Attraktivität. Das gilt gerade dann, wenn mit dem Outsourcing auch einer Verlagerung der Produktion an ausländische Standorte verbunden war. Diese „verschärfte Form des Outsourcing“ war und ist für die Unternehmen mit besonderen Herausforderungen und Problemen verbunden – die nicht alle meisterten. Und einige haben daraus gelernt.

Im deutschen verarbeitenden Gewerbe verlagerten schon im Zeitraum von Mitte 2004 bis Mitte 2006 nur noch 15 Prozent der Betriebe Teile ihrer Produktion ins Ausland, wie eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe für die Otto-Brenner-Stiftung herausfand. Befragt wurden mehr als 1.600 Unternehmen. Zeitreihenanalysen für die Bereiche Metall- und Elektroindustrie bestätigten: Auf jede vierte bis sechste Verlagerung folgt innerhalb von vier bis fünf Jahren eine Rückverlagerung.

Die Studie brachte auch an den Tag, wie schnell Verlagerungen scheitern können: 85 Prozent der Rückverlagerer hatten in den vier bis fünf Jahren zuvor eine Produktionsverlagerung ins Ausland vorgenommen. Langfristige negative Entwicklungen an den ausländischen Standorten spielen damit, so die Schlussfolgerung der ISI-Experten, eine untergeordnete Rolle. Vielmehr würden Verlagerungen häufig nicht genügend geplant und zu sehr an kurzfristiger Kosteneinsparung orientiert.

Outsourcing als unternehmensstrategische Antwort auf die Verflechtung der Weltwirtschaft – ein Auslaufmodell? Nicht überall. Im IT-Bereich etwa wird weiter beständig ausgelagert. Eine Studie von dbresearch bezifferte den Umsatz, den ausgelagerte IT-Services im Jahr 2008 erwirtschafteten, auf rund 17 Milliarden Euro. 2003 waren es noch gut zehn Milliarden.

Insgesamt gesehen jedoch, das bestätigen jüngere Untersuchungen, verlangsamt sich der Trend zum Outsourcing. So kommt das BDI-Mittelstandspanel vom Frühjahr 2008 zum Ergebnis, dass nur ungefähr ein Viertel der Unternehmen, die noch 2005 Prozesse entlang der eigenen Wertschöpfungskette auslagern wollten, ihre Planungen zwei Jahre später auch tatsächlich umgesetzt hatten. Aktuell geben nur noch drei Prozent der befragten Unternehmen an, in den kommenden zwei Jahren auslagern zu wollen. Drei von vier Industrieunternehmen verfolgen heute keine Outsourcingstrategie und haben dahin gehend auch nichts geplant.

Quelle: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn

Wer überlegt, Unternehmensaufgaben, Prozesse oder Teile der Wertschöpfungskette auszulagern, führt hauptsächlich drei Vorteile dafür ins Feld:

  • Kostenersparnis,
  • Leistungsverbesserung und
  • die Konzentration auf das Kerngeschäft.

Von letzterer versprechen sich auslagernde Unternehmen zuallererst eine Entlastung in den Bereichen, die nicht zu den eigenen Kernkompetenzen gehören. Viele outsourcen auch, um das allgemeine Geschäftsrisiko zu reduzieren, denn durch die Auslagerung werden ein Teil des Risikos sowie die Investitionen vom Outsourcing-Partner getragen. Zu guter Letzt überzeugt viele eine höhere Flexibilität in strategischen Fragen, um auf veränderte Marktgegebenheiten besser reagieren und die Geschäftspolitik im Zweifelsfall anpassen zu können.

Leistungsverbesserungen erhoffen sich auslagernde Unternehmen vor allem durch die Erschließung von externem Know-how und der Hoffnung, durch die Kooperation mit externen Partnern zu Innovationen zu gelangen. Zudem argumentieren die meisten Unternehmen mit Kostenvorteilen und lassen in sogenannten Billiglohnländern der neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder in Asien produzieren. Doch gerade in den neuen EU-Ländern sind die Arbeitskosten in den vergangenen Jahren beständig gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ergeben sich für das dritte Quartal 2008 folgende Veränderungen der Arbeitskostenindizes im Vergleich zum Vorjahreszeitraum:

  • Bulgarien: + 19,4 Prozent
  • Estland: + 13,1 Prozent
  • Lettland: + 20,5 Prozent
  • Litauen: + 15,3 Prozent
  • Polen: + 9,8 Prozent
  • Rumänien: + 21,2 Prozent
  • Slowenien: + 11,5 Prozent
  • Ungarn: + 7,9 Prozent

Zum Vergleich: In der gesamten EU stiegen die Arbeitskosten um insgesamt 4,1 Prozent, in Deutschland um 2,8 Prozent. Dem Argument, beim Outsourcing würden Personalkosten und Investitionen oft auf mehrere externe Unternehmen verteilt (Economies of scale), es sei also eine bessere Transparenz und Planbarkeit von Kosten gegeben, widerspricht die Managementberaterin Johanna Joppe vehement. In ihrem Buch „Die Outsourcing-Falle: Wie die Globalisierung in den Ruin führen kann“, behauptet sie genau das Gegenteil. Outsourcing helfe keinesfalls immer automatisch, Kosten zu sparen. Im Interview mit dem Manager-Magazin erklärt sie, warum:

„Es gibt keine Kostentransparenz. Die meisten Unternehmen haben ja schon ihre internen Kosten trotz aufwendiger IT kaum im Griff. Da liegt es auf der Hand, dass bei den externen Kosten meist die totale Intransparenz herrscht.“

Außerdem werde meistens noch mit Preisen kalkuliert, die auf den Herstellkosten statt auf den Vollkosten basieren. Joppe behauptet: Nur 20 Prozent aller in- und ausländischen Auslagerungen würden mittelfristig für die erhofften Bereiche Kosteneinsparungen von 20 bis 40 Prozent erreichen. Ungefähr 40 Prozent der Outsourcing-Vorhaben würden auf weit weniger Vorteile kommen oder sogar gar nichts bringen.

Hauptsache billig. Auf ihrem Kosteneinsparungstrip vergessen viele Unternehmen häufig, dass das Outsourcen von Produktionsteilen oder Prozessen nur mit einem professionellen und konsequenten Risikomanagement durchgeführt werden sollte. Johanna Joppe sagt hierzu dem Manager-Magazin:

„Risikomanagement ist ganz einfach. Manager müssen nur das nötige Bewusstsein entwickeln, in einer konzertierten Aktion sämtliche Risiken erfassen und bewerten, Maßnahmen für die Schublade ausarbeiten, im Ernstfall auch in die Schublade greifen und die Maßnahmen umsetzen.“

Doch die Realität sieht oft ganz anders aus, gerade was die Kostenseite betrifft. Da werden die Potenziale von Outsourcing nicht genügend genützt und spezielle Kosten, die erst durch das Outsourcing an sich entstehen, gar nicht in die Kostenplanung oder Kostenrechnung miteinbezogen. Die sind zum Beispiel Transaktionskosten, die nicht durch die eigentliche Erstellung der jeweiligen Leistung anfallen. Oder es werden die im eigenen Unternehmen bestehenden Fixkosten nicht ausreichend reduziert, indem etwa frei werdendes Anlagevermögen nicht veräußert wird.

Zu den allgemeinen Kostenrisiken gesellen sich noch Leistungsrisiken wie etwa die Gefahr von Qualitätseinbußen. Gerade in Niedriglohnländern Asiens sehen sich viele auslagernde Unternehmen mit mangelnden Arbeitsbestimmungen konfrontiert. Wo ein deutscher Facharbeiter eben zweimal hinsieht, wird in China ein an sich fehlerhaftes Bauteil vielleicht lax durchgewunken. Im schlimmsten Fall fällt später die mindere Produktqualität auf das outsourcende Unternehmen zurück, das sich dann mit einem gehörigen Imageschaden konfrontiert sieht.

Versteckte Kosten
[Quelle: Marc Renz, "Rückverlagerungen deutscher Unternehmen aus dem Ausland"]

Wenn schon Outsourcing, dann richtig

Wer mit dem Gedanken spielt, Produktionsteile auszulagern, sollte auf diesen Schritt also gut vorbereitet sein. Johanna Joppe erklärt, welche fünf Bedingungen es braucht, damit Outsourcing nicht zum Reinfall, sondern zum Erfolgsfall wird:

  1. Outsourcing muss sich rechnen, das heißt nur eine Vollkostenrechnung ist geeignet, um die endgültige finanzielle Belastung zu erfahren.
  2. Beim Outsourcing-Partner sollte man ganz besonders wählerisch sein, noch wählerischer als beim Supply Chain Management; schließlich erhält das beauftragte Unternehmen wichtige und sensible Unternehmensdaten.
  3. Alle auszulagernden Prozesse müssen quantitativ nach Kosten, Aufwand, Art und Umfang der Leistung erfasst werden; so weiß der Partner, was er leisten muss und die eigenen Preise können besser mit denen des Partners verglichen werden.
  4. Der Kontakt zwischen dem auslagernden Unternehmen und dem Partner muss auf allen Ebenen institutionalisiert werden.
  5. Wer ins Ausland outsourct, muss ich im Klaren sein, dass dort andere kulturelle Gepflogenheiten herrschen; ohne ausreichende Vorbereitung, wie sich beispielsweise Vertragsverhandlungen im jeweiligen Land gestalten, kann es sehr schwierig werden.

Dass Outsourcing nicht in jedem Falle lohnenswert ist, bestätigt eine aktuelle vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in Auftrag gegebene Studie des Fraunhofer ISI. Der Tenor: Je mehr Geschäftsprozesse Unternehmen outsourcen, desto geringer ist oft ihre Produktivität. Betriebe mit einer hohen Fertigungstiefe erreichen im Gegensatz zum Durchschnitt der Industrie eine höhere Produktivität von mehr als acht Prozent, heißt es in einer Pressemitteilung des VDI. Dessen Präsident, Bruno O. Braun, sagt:

„Schlanker und schneller ist nicht automatisch besser. Transaktionskosten mit Zulieferern, Abhängigkeiten und Zulieferermargen sind häufig Punkte, die Unternehmen unzureichend berücksichtigen, wobei die Betriebsgröße keine Rolle spielt. Zurückhaltung beim Outsourcing oder, wo sinnvoll, aktives Insourcing steigert die Produktivität dagegen um teilweise mehr als zehn Prozent.“

Gerade in Zeiten unausgelasteter Kapazitäten wie in der aktuellen Krise könne Insourcing eine strategische Option werden. Nach Angaben des VDI hatte allein 2008 das gesamte Outsourcing von Geschäftsprozessen in Deutschland ein geschätztes Volumen von 16 Milliarden Euro. Eine automatische Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit sei aber dadurch noch lange nicht gegeben. Für Steffen Kinkel, Leiter des Competence Centers Industrie- und Serviceinnovationen am Fraunhofer ISI, liegen die Vorteile von Insourcing auf der Hand:

  • Niedrigere Kosten durch verminderte Abstimmungsprozesse
  • Erhöhte Flexibilität in Engpasssituationen
  • Dynamischere Steuerung von Kapazitäten
  • Kernkompetenzen der Fertigung bleiben im Unternehmen

Kinkel sieht sich in seiner Ansicht durch die Motive der Unternehmen, die Fertigungskapazitäten wieder ingesourct haben, bestätigt. An erster Stelle steht dabei eine Erhöhung der Flexibilität bei 57 Prozent der Betriebe, gleichauf mit einer Verbesserung der Qualität. Auch Kostenaspekte und die Erhöhung der Kompetenz spielen eine deutliche Rolle. Gestützt werden diese Aussagen durch das BDI-Mittelstandspanel 2008, das unter anderem der Frage nach den Ursachen der (Re-)Integration von Unternehmensfunktionen und Prozessen nachgegangen ist:

[Quelle: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn]

Die Experten des Fraunhofer ISI sind überzeugt: Das Ausschöpfen betrieblicher Produktivitätsreserven erhält – gerade in der Wirtschaftskrise und bei unterausgelasteten Unternehmen – noch stärkeres Gewicht. In ihrer aktuellen Analyse „Modernisierung der Produktion“ zeigen sie besonders geeignete Faktoren, um die Leistungsfähigkeit von Produktionsunternehmen auszuschöpfen. Neben einer hohen Fertigungstiefe gehört dazu auch die Qualifikation der Mitarbeiter. Ein hoher Anteil Mitarbeiter mit Hochschulqualifikation lasse die Produktivität steigern, so die Forscher. Eine Investition in die Qualifikation der Mitarbeiter zahle sich demnach nicht nur über eine gesteigerte Innovationsleistung, sondern auch über die Produktivität aus. Hochqualifizierte Fachkräfte brächten demnach mehr ein, als sie kosten.

Dazu im Management-Handbuch

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