Interim Management für Projekte und zur Kundengewinnung

Interim Management kann in relativ kurzer Zeit Probleme im Unternehmen lösen. Doch hierzulande muss es sich erst noch etablieren. Unser Experten-Interview zeigt, was dazu nötig ist.

Herr Thost, Sie behaupten, Interim Management stecke hierzulande noch in den Kinderschuhen. Woran machen Sie das fest?
Wie Sie im ersten Kapitel unseres Buches „Interim Manangement - Auf dem Weg zur Selbstverständlichkeit“ lesen können, hat Herr Kabst von der Universität Gießen im Rahmen der internationalen und repräsentativen Cranet-Studie zweimal 4.000 Unternehmen nach ihren Erfahrungen mit Interim Management befragt. Für 2004 kam heraus, dass über 80 Prozent Interim Management noch nicht eingesetzt hatten. 2009 waren es immerhin noch über 70 Prozent. Das zeigt, dass Interim Management hierzulande noch ein großes Wachstumspotenzial hat.

Sie ziehen auch einen Vergleich zu Großbritannien, wo es rund 80 Prozent der Unternehmen sein sollen, die diese Form der Unterstützung anfordern. Woran liegt das?
Tatsächlich sind Großbritannien und die Niederlande die am besten entwickelten Märkte in Europa. Das liegt vor allem daran, dass der Finanzsektor in Großbritannien stark verbreitet ist und Interim Management intensiv nachfragt. Das ist in Deutschland so noch nicht der Fall. Desweiteren kommt hinzu, dass in den beiden Ländern auch der öffentliche Sektor Interim Management stark nachfragt, in jedoch Deutschland überhaupt nicht. Generell lässt sich sagen, dass in diesen Ländern Unternehmen neuen Trends – wie dem Interim Management – viel aufgeschlossener gegenüber stehen und deshalb neue Dinge auch häufiger anwenden.

Und wie ist es zu erklären, dass ausgerechnet die eher konservativ eingestufte Schweiz hier offener zu sein scheint als deutsche Unternehmen?
In der Schweiz traten deutlich früher Interim Management-Dienstleister auf, die den Markt entwickelten. Dieses Faktum verdeutlicht, wie bedeutend professionelle Provider für die Marktentwicklung sind. In Deutschland gibt es Interim Management erst seit der Wiedervereinigung. Alle in Deutschland tätigen Anbieter sind erst in den frühen 1990er Jahren entstanden.

Trotzdem geht die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management DDIM e.V. von einem deutlichen Auftragsplus für die Branche für 2011 aus. Ist das nicht ein gutes Zeichen?
Das ist in der Tat eine erfreuliche Entwicklung. Ich bin seit langem in dieser Branche tätig und verfolge die Entwicklung aufmerksam. Seit dem Jahr 2000 bewegte sich das Jahreswachstum jeweils im zweistelligen Bereich. Ältere Zahlen kenne ich nicht. Lediglich im Postkrisenjahr 2009 stagnierte die Entwicklung. Aber seit der beginnenden konjunkturellen Erholung in 2010 geht die Erfolgsstory wieder weiter.

In welchen Branchen kommen Interim Manager in Deutschland hauptsächlich zum Einsatz und was sind die Gründe?
Traditionell wird Interim Management in den Branchen Maschinenbau, Automotive, IT und Telekommunikation sowie Elektrotechnik stark eingesetzt. Das sind international geprägte sowie wettbewerbsintensive Branchen, in denen die Entscheidungen sehr schnell getaktet sind. Dort können es sich Unternehmen schlicht nicht leisten, Problemlösungen auf die lange Bank zu schieben. Zu dieser Arbeitsweise passt das Tool exzellent.

Sie sagen, ob ein Unternehmen sich für den Einsatz von Interim Management entscheidet, hängt auch davon ab, ob eine Managementpraktik als etabliert gilt. Dies begründen Sie mit dem Neo-Institutionalismus. Können Sie dies näher erläutern?
Ein Tool, das man nicht kennt, kann man nicht einsetzen. Insofern ist die Hürde des Ersteinsatzes von Interim Management sehr hoch. Haben Unternehmen es aber erst einmal eingesetzt, werden sie zu „Wiederholkunden“ und setzen es immer wieder ein. Nach eigenen Erhebungen beläuft sich die Zufriedenheitsquote auf über 90 Prozent. Was der Branche jetzt allerdings noch fehlt, ist, dass die Kunden über den erfolgreichen Interim-Manager-Einsatz reden und das Tool weiterempfehlen. Interim Management in Unternehmen muss zur Normalität werden, wie Unternehmensberater auch.

Ein anderer Aspekt, der in diesem Zusammenhang auftaucht, heißt organisationale Trägheit. Was bedeutet das in Bezug auf den Einsatz von Interim Managern?
Dieser Effekt, der großen Organisationen nach wie vor oftmals anhaftet, wirkt verzögernd. Organisationelle Trägheit ist die wissenschaftliche, vornehme Umschreibung des „Killerphrasen-Syndroms“: „Das haben wir immer schon so gemacht“ oder „das kenne ich nicht“. Erst wenn der Einsatz von Interim Managern eingeübt und alltäglich ist – also überqualifizierte Manager kurzfristig und begrenzt in Unternehmen zu holen, um Probleme zu lösen – erst dann ist die organisatorische Trägheit überwunden.

Wie kann es gelingen, Interim Management hierzulande so zu etablieren wie in den oben erwähnten Ländern? Was muss sich ändern?
Wir benötigen Erfolgsbeispiele und müssen mehr darüber sprechen. Auch die Kunden müssen das tun. Immerhin: Schaut man sich die Rückseite unseres Buches an, so finden die Leser dort Statements renommierter und zufriedener Kunden, die die Vorteile von Interim Management erkannt haben und es deshalb auch immer wieder einsetzen. Insgesamt benötigen wir noch mehr positive Aufmerksamkeit.

Herr Dr. Thost, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Hinweis

Der Autor ist auch Mitautor des Buches Interim Management: Auf dem Weg zur Selbstverständlichkeit.

Mehr zum Thema Interim Management lesen Sie auch in unserem Dossier Chefs auf Zeit: Interim Manager für den Notfall.

Dazu im Management-Handbuch

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