KompetenzDas Gegenteil von gut ist gut gemeint

Nur weil etwas gut gemeint ist, muss es noch lange nicht gut sein. Ein Plädoyer für mehr Kompetenz bei Handlungen und Entscheidungen.
Von Ulf D. Posé

Klaus ist ein herzensguter und hilfsbereiter Mann und deshalb sehr beliebt im Unternehmen. Er arbeitet im Verkaufsinnendienst und betreut Kunden für Bürobedarf. Für seine ältere Kollegin holt er gern einmal einen Kaffee oder bringt Kopierpapier aus dem Lager. Auch Überstunden oder Vertretungsarbeiten sind für ihn kein Thema. Kürzlich funktionierte der Kopierer nicht mehr. Ein Techniker war nicht im Hause. Verzweifelt stand seine Kollegin vor dem Gerät. Klaus meinte: „So schwer kann das nicht sein.“ Also wechselte er zuerst den Toner aus. Das war kein Problem, doch der Kopierer funktionierte immer noch nicht. Dann bemerkte er die Anzeige: Papierstau. Auch kein Problem, dachte er, doch er konnte kein gestautes Papier entdecken. Also nahm er einen Schraubenzieher und fing an, den Kopierer auseinanderzunehmen.

Klaus war sich sicher, vom Schrauben etwas zu verstehen, und den Technikern hatte er schließlich auch schon zugesehen. „Machen Sie sich keine Sorgen, das haben wir gleich“, meinte er zu seiner Kollegin. Das Unheil nahm seinen Lauf. Zunächst lief nur der Toner aus, dann zerbrach eine Führungstrommel. Als er eine besonders stark festsitzende Schraube nicht bewegen konnte, versuchte er es mit Gewalt – und richtete einen Schaden von rund 3.000 Euro an. Wie sich später herausstellte, hätte eigentlich nur ein Plastikhebel für nicht einmal 50 Euro ausgewechselt werden müssen. Geknickt sagte Klaus: „Ich hab´s doch nur gut gemeint.“

Gute Absichten und Inkompetenz passen nicht zusammen

Solchen „Kläusen“ begegnen wir täglich. Menschen, die sich, auch in Unternehmen und in der Gesellschaft allgemein, mit ihren guten Absichten zufrieden geben. Der gute Wille soll nicht vorhandene Kompetenz kompensieren. Sobald Menschen über gute Absichten verfügen, meinen sie, sie bräuchten nicht über das nötige Know-how in der Sache nachzudenken. Kurt Tucholsky hatte Recht, als er auf diesen Missstand aufmerksam machte: „Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.“ Ich will es noch deutlicher sagen: Wenn gute Absicht an Inkompetenz gekoppelt wird, dann kommt nur Mist dabei heraus.

Es kommt sehr oft vor, dass Menschen sich in Dinge einmischen, von denen sie nichts verstehen. Manche meinen, sie würden anderen dadurch helfen, ohne zu ahnen, dass sie damit nur Schaden anrichten. Wer sich einmischt, sollte auch über die notwendige Kompetenz verfügen. Sicher wollen viele unserer Zeitgenossen etwas Gutes tun. Nur wer Gutes tut, bewirkt damit noch lange nicht Gutes. So hat die Politik mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) ein Monster erschaffen, das als Schutz vor Diskriminierungen sicher gut gemeint war, jedoch zu einem enormen bürokratischen Zusatzaufwand für Unternehmen geführt hat. Bewerbergespräche können nur noch mit „Zeugen“ geführt werden. Außerdem wurde ziemlich heftig in die Vertragsfreiheit eingegriffen. Das AGG ist ein Instrument, das geeignet ist, dem innerbetrieblichen Frieden eher zu schaden als ihn zu schützen.

Anderes Beispiel Zeitarbeit: Hier haben sich Branchenzuschläge durchgesetzt. Nach neun Monaten im gleichen Job erhält der Zeitarbeiter 50 Prozent Zuschlag. Wird er nach dieser Zeit arbeitslos, muss er für 50 Prozent weniger Lohn wieder von vorne anfangen – bis die neun Monate vorbei sind. Die Folge: Für einen Zeitarbeiter ist es besser, nach der Zahlung des Zuschlags entlassen zu werden und erst dann in die Arbeitslosigkeit zu gehen. Dann nämlich ist seine Bemessungsgrundlage um 50 Prozent höher als der neue Lohn in einer neuen Stelle. Auch hier: Gut gemeint, aber schlecht umgesetzt.

Wenn aus Hilfsbereitschaft Schaden entsteht

Ich vermute: Einer der Gründe für die gefährliche Koppelung von guter Absicht und Inkompetenz liegt in der Hilfsbereitschaft. Menschen helfen sehr gern. Das macht gute Gefühle, das erzeugt Seelenfrieden. Wir haben ein Bedürfnis danach, als guter Mensch durch die Welt zu gehen. So beseelen wir dann die Menschheit mit unserem guten Willen. Wir fördern in bester Absicht die Unselbständigkeit unserer Kinder, indem wir ihnen alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Wir verhindern in gutem Glauben die Entwicklung unseres sozialen Miteinanders, indem wir dort helfen, wo keine Hilfe angebracht ist. Ich erinnere da nur an ein großes soziales Hilfsprojekt eines internationalen Konzerns, der in indischen Krankenhäusern kostenlos Milchpulver für Neugeborene verteilen ließ. Das führte dazu, dass die Mütter sofort abstillten. Anschließend hatten sie kein Geld, um sich das Milchpulver für einen späteren Zeitpunkt kaufen zu können. Sicher war auch hier gute Absicht im Spiel, jedoch hatten die Spender die Spätfolgen ihrer Aktion nicht bedacht.

Seien wir also vorsichtig, wenn wir handeln wollen, nur weil wir es gut meinen. Wir sollten unsere guten Absichten erst dann ausleben, wenn wir folgende Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten können: Besitze ich in der Sache auch ausreichend Kompetenz?

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