KonflikteWie Sie selbst bei Gegnern Respekt gewinnen
Respekt und Folter haben etwas gemeinsam: Beides sind Methoden der Kommunikation. Zunächst mag der Vergleich abwegig erscheinen, denn Respekt ist eine Tugend und ein Imperativ menschlichen Miteinanders. Er ist human und moralisch. Folter entbehrt all dieser Eigenschaften. Dennoch wird sie beim Verhör von Terroristen auch von freiheitlichen Regierungen als Druckmittel in der Gesprächsführung eingesetzt. Verhöre sind letztlich nichts anderes als Dialoge unter verschärften Bedingungen.
Respekt zahlt sich auch in schwierigen Gesprächen aus
Wir können Respekt und Folter als Gesprächstechniken miteinander vergleichen, indem wir ihre Wirksamkeit in Extremsituationen der Kommunikation hinterfragen. Der amerikanische Verhörspezialist Matthew Alexander (Pseudonym), ehemaliges Mitglied eines Spezialteams der US-Armee auf Anti-Terror-Mission im Irak, hat in seinem Buch „How to Break a Terrorist“ genau das getan. Mit überraschendem Ergebnis: Respekt ist seinen praktischen Erfahrungen nach effektiver als Folter. Alexander erreichte damit, was seinen Kollegen zuvor misslungen war. So erhielt er bei seinen Vernehmungen die Informationen, die im Sommer 2006 die Ausschaltung des irakischen al-Qaida-Führers Abu Musab al Zarqawi ermöglichten.
Selbst bei schwierigen Gesprächen zahlt es sich also mehr aus, den Respekt des Kontrahenten zu gewinnen als gewaltsame Methoden der Überzeugung anzuwenden. Kein anderes Mittel der Kommunikation ist so effektiv in seiner unmittelbaren Wirkung wie auch in seiner langfristigen Bindungskraft. Wie aber verschafft man sich Ansehen und Respekt selbst bei Widersachern? In Anlehnung an Alexanders Erfahrungen stellt der Beitrag Strategien vor, die Sie auch für Ihre persönlichen Zwecke, besonders in konfliktbehafteten Gesprächssituationen, einsetzen können.
Dem Gegner auf Augenhöhe begegnen
Die erste und bedeutsamste Maßnahme ist: Wir verschaffen uns Respekt, indem wir unserem Widersacher auf Augenhöhe begegnen. Alexander suchte in seinen Verhören im Irak stets nach Anknüpfungspunkten, um die verhörten Häftlinge bei ihrem eigenen Standpunkt abzuholen. So erforschte er die Motivation einzelner al-Qaida-Anhänger, dem Terror-Netzwerk beizutreten.
Im Verhör berichtete ein Gefangener etwa von seiner anspruchsvollen Zweitfrau. Er hatte sich al-Qaida angeschlossen, um ihren Wünschen finanziell gerecht werden zu können. Damit hatten die Vernehmer ein Lockmittel gefunden und konnten dem Mann demonstrieren, dass sie seine Situation ernst nehmen: Sie versprachen ihm rechtlich wirksame Scheidungsunterlagen, um ihn zum Reden zu bewegen. Damit lieferten sie ihm einen Anreiz, den al-Qaida nicht bieten konnte.
Alexander beschreibt seine Vorgehensweise in solchen Fällen als Perspektivwechsel, vergleichbar einem Schauspieler, der in die Rolle seines Gegenübers schlüpft:
„Die besten Vernehmer sind ausgezeichnete Schauspieler. [...] Sie können ihre Reaktionen und Vorbehalte in einer Ecke ihres Bewusstseins verstauen und einen 'Doppelgänger' zum Vorschein kommen lassen. Welcher Doppelgänger am ehesten Informationen vom Insassen bekommt, variiert von Gefangenem zu Gefangenem. [...] Der Doppelgänger entnimmt seine Stichwörter jeder noch so kleinen Information, die er über die Motivation des Gefangenen bekommen kann.“
Unserem Gegenüber Respekt zu demonstrieren, indem wir ihm auf Augenhöhe begegnen, ist eine wirkungsvolle Strategie in jeder Form der Kommunikation. Fühlt sich unser Gesprächspartner in seinen Bedürfnissen ernst genommen, wird er eher bereit sein, auch unseren Wünschen nachzukommen. Schließlich weiß unser Kontrahent, dass auch wir etwas von ihm wollen – es ist daher meist zwecklos, ihm das Gegenteil vorzugaukeln. Zudem stärkt das beiderseitige Entgegenkommen die Beziehungsebene – ohne die in keinem Dialog langfristig gute Ergebnisse erzielt werden können.
Anerkennung und Suche nach gemeinsamem Nenner
Neben der Motivation des Gesprächspartners stellen auch Anerkennung und die Suche nach einem gemeinsamen Nenner zugkräftige Anknüpfungspunkte dar. Alexander begann zum Beispiel das entscheidende Verhör mit Komplimenten und versicherte dem Häftling, ihm eile ein Ruf als herausragender Kenner des Islam voraus. Er lenkte das Gespräch also mit der Religion gezielt auf ein Thema, das eine Stärke des Verhörten darstellte, und sorgte so dafür, dass sich der Häftling inhaltlich auf vertrautem Boden und zudem geschmeichelt fühlte. Anerkennung ist gerade dann besonders effektiv, wenn wir es mit einem Gesprächspartner zu tun haben, der uns nicht eben wohlgesonnen ist.
Zeigen wir einem Kontrahenten durch Anerkennung unseren Respekt, anstatt ihn unter Druck zu setzen oder zu bedrohen, stärken wir seinen Willen, uns zuzuhören. Wir geben ihm die Möglichkeit, seine Stärken auszuspielen, und sorgen so dafür, dass er sich in der Diskussion wohlfühlt. Niemand wird wohlwollend argumentieren oder nach produktiven Lösungen suchen, wenn wir ihn in die Ecke treiben. Im Zweifel wird er eher aus der Situation aussteigen und sich verschließen, oder aber mit den gleichen unlauteren Mitteln reagieren. Wer dagegen Anerkennung spürt, wird in der Regel auch seinerseits mehr Respekt in den Dialog einbringen.
In der Sprache des Gegners sprechen
Darüber hinaus achtete Alexander bei der Vernehmung darauf, sich in der Sprache des Gefangenen auszudrücken: „Später habe ich Muhummad, der Friede sei mit ihm, und die Geschichte des Islam studiert.“ So stellte er seine Kenntnis der kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten unter Beweis: „Friede sei mit ihm“ ist ein Segensspruch, den Muslime häufig der Erwähnung von Propheten anschließen. Mit solchen Details gewann Alexander als ebenbürtiger Gegner den Respekt des Kontrahenten. Alle Vernehmer vor ihm waren mit ihren Versuchen gescheitert, eine Verbindung zum Häftling herzustellen, und hatten lediglich dessen Verachtung zu spüren bekommen.
Die Suche nach Gemeinsamkeiten ist ein direkter Weg zu gegenseitiger Anerkennung. Diese Strategie setzt voraus, dass wir tatsächlich Respekt vor der Herkunft und Lebenseinstellung unseres Kontrahenten haben und den Dialog mit ihm für wichtig genug erachten, um seine Position verstehen zu wollen. Mit Smalltalk ist es hierbei nicht getan. Respektsbezeugungen funktionieren nur, wenn sie glaubwürdig sind und eine echte Bedeutungsebene herstellen.
Aufrichtigkeit gegenüber dem Kontrahenten
Wir können davon ausgehen, dass gebildete Terroristen um die Methoden der Ermittler wissen und damit rechnen, auf diese Weise verhört zu werden. Dennoch kam Alexander mit Respekt als Gesprächsstrategie zum Erfolg. Der Autor liefert uns auch dafür ein Beispiel:
„Meine besten Verhöre waren diejenigen, in denen ich meine wahren Gefühle gezeigt habe. Eine meiner besten Techniken war, mich für die Fehler zu entschuldigen, welche Amerika im Krieg begangen hatte. Wenn diese Entschuldigung ernst gemeint war, waren das die Gelegenheiten, in denen ich im Vernehmungszimmer am besten war. Und wenn ich mich den Gefangenen zugewandt und ihnen gesagt habe, dass ich mit ihnen zusammen an der Zukunft Iraks arbeiten möchte, dann war das ehrlich gemeint.“
Am Schluss des Zitats wird deutlich, wie sich die Effektivität eines respektvollen Umgangs auch auf den Ermittler selbst ausgewirkt hat: Wer unter solchen Bedingungen die Kooperation des Kriegsgegners erreicht, hat erkannt, dass es tatsächlich Gemeinsamkeiten, auch mit dem ärgsten Widersacher gibt. Hier ging es beiden Parteien darum, die Zukunft des Irak zu gestalten; nur verfolgen die Kontrahenten gegensätzliche Wege zu diesem Ziel. Alexander bewies Aufrichtigkeit mit dem Eingeständnis, dass dabei auch seiner Seite Fehler unterlaufen sind.
Viele Kommunikationstechniken haben allein dadurch einen schlechten Ruf, dass sie eben Methoden sind. Es ist einfach, dem Gegenüber seine Glaubwürdigkeit kategorisch abzusprechen, nur weil er ein Ziel verfolgt. Oft wird dafür das Paradigma der Authentizität herangezogen. Echter Respekt beruht jedoch immer auf Aufrichtigkeit – und funktioniert deshalb auch als Methode. Er ist keine Maske, die wir uns nach Belieben aufsetzen und auch wieder abnehmen können. Manchmal können wir nur überzeugend sein, wenn wir auch zu Zugeständnissen bereit sind – zum Beispiel, indem wir eigene Fehler einräumen.
Das Ansehen des Gegners gewinnen
Was wir aus Alexanders Erfahrungen lernen können, ist die überragende Wirkungsmacht von Respekt, selbst in den schwierigsten Situationen menschlicher Kommunikation. Sogar im Konflikt mit Gegnern fahren wir mit Respekt besser als mit Drohungen oder Gewalt. Unser Ziel in besonders heiklen oder emotionalen Konflikten sollte daher immer lauten, das Ansehen unseres Kontrahenten zu gewinnen, indem wir ihm aktiv Respekt vorleben – durch Augenhöhe, Anerkennung und Aufrichtigkeit.