KrisenamanagementUngeliebte aber notwendige Wege aus der Unternehmenskrise

Liquiditätsschwierigkeiten sind meist Symptom einer akuten Unternehmenskrise. Die Unternehmensführung ist dafür verantwortlich, konkrete Schritte einzuleiten und alles zu tun, um den Betrieb zu retten. Den Banken kommt eine unterstützende Funktion zu, aber es ist nicht ihre Aufgabe, durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel die Krise zu beseitigen. Die zu ergreifenden Schritte müssen Ausgaben vermeiden, und zwar „mit sofortiger Wirkung“, und zusätzliche Einnahmen sichern.

Gastbeitrag von Dr. Volkhard Emmrich, München *

Die Ursachen einer Liquiditätskrise

Das Ausbrechen einer Liquiditätskrise hat in aller Regel eine der drei folgenden Ursachen:

  • Falsches Bankenmanagement – die Bank verliert das Vertrauen in das Unternehmen, fordert zusätzliche Sicherheiten und beginnt die Linien stückchenweise zurückzuführen oder es erfolgt ein „Überraschungsangriff“ und die Kontokorrentlinie wird ganz gekündigt. Häufig fühlt sich der Unternehmer „auf den Schlips getreten“, kämpft gegen die Bedingungen der Bank und sieht letztendlich in der Beendigung der Geschäftsbeziehung einen „persönlichen Erfolg“, ein unangenehmer „Lieferant“ ist gestrichen, man kann die Geschäfte mit vertrauten Partnern fortsetzen. Zu spät stellt er fest, dass die anderen Banken „gleiches Recht für alle“ beanspruchen, aufgrund des Ausstiegs einer Bank ebenfalls nervös werden und im Zweifel auch die Rückführung ihrer Linien einfordern.
  • Wiederholte Planverfehlungen sind häufig auch dann Ursache einer Liquiditätskrise, wenn der Cashflow noch positiv und gar keine Verluste aufgetreten sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Finanzierungsrahmen für Investitionen, Wachstum und den Aufbau neuer Produkte zu eng gesteckt, der Kapitaldienst auf den erhöhten Umsatz ausgerichtet ist und schon bei geringen Umsatzabweichungen nicht mehr aus dem Cashflow bedient werden kann. Nur die frühzeitige Diskussion mit den Banken und die Erarbeitung eines Refinanzierungskonzeptes kann die Situation lösen. Treten Verluste ein oder ist sogar der Cashflow negativ, wird dringend Fresh Money benötigt, um den Liquiditätsabfluss zu kompensieren. Dies übernimmt keine Bank – Verlustfinanzierung ist Sache des Unternehmers bzw. der Gesellschaft. Die einzuleitenden Schritte sind hart und konsequent umzusetzen, denn es müssen nicht nur umgehend die operativen Verluste abgestellt werden, kurzfristig sind durch Working Capital Management und die Aufdeckung stiller Reserven auch die Liquiditätslücken zu schließen.
  • Das Unternehmen ist grundsätzlich falsch finanziert. Es hat z. B. zu viele Investitionen zu Zeiten günstiger Kreditzinsen mit Kontokorrentlinien finanziert – weil dies in der Vergangenheit billiger und einfacher zu bewerkstelligen war. Im Gegensatz zu einer Langfristfinanzierung sind Kontokorrentkredite kurzfristig kündbar und hinsichtlich ihrer Finanzierungskosten variabel. Der Zins passt sich nicht nur dem Zinsniveau der Finanzmärkte an (z. B. Euribor), er ist auch abhängig vom Rating und der Bonität des Unternehmens – wird das Kreditrisiko als hoch und die Unternehmensbonität als schlecht eingestuft, können 8% oder sogar bis über 10% Zins für Kontokorrentkredite verlangt werden. Dies ist in der Regel bei operativen Problemen und Verlusten der Fall, d. h. eine leistungswirtschaftlich bedingte Liquiditätskrise wird durch eine falsche Finanzierung massiv verstärkt.

Die Beseitigung der Ursachen einer Liquiditätskrise stellt spezifische Anforderungen an die Führungs- und Fachkompetenzen des Managements. Der Finanzgeschäftsführer muss die Spielregeln des Bankenmanagements beherrschen. Dies umfasst die richtige Kommunikation, Aufbau und Präsentation eines Bankenreportings sowie einen ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung der Finanzierungsstrukturen. Führungsqualifikation ist insbesondere vom Inhaber gefordert, denn die Umstellung der Unternehmenssteuerung von Kosten und Umsatz auf Liquidität erfordert die konsequente Zentralisierung von Entscheidungen, personenunabhängige Umsetzung der Maßnahmen und Schnelligkeit.

Die Ad hoc-Schritte zur Beseitigung von Liquiditätsschwierigkeiten

Die Beseitigung von Liquiditätsschwierigkeiten ist „kein Hexenwerk“. Mit geringfügigen unternehmensspezifischen Anpassungen muss ein klares „Standardprogramm“ abgearbeitet werden. Die wesentlichen Bausteine umfassen:

Ermittlung des „echten“ Liquiditätsbedarfs bis zum Ende des Geschäftsjahres – unter Berücksichtigung aller heute ersichtlichen Ausgaben. Dieser erste Liquiditätsplan berücksichtigt noch keine Maßnahmen und ist konservativ ausgelegt, d. h. insbesondere die Einnahmenseite (Umsätze) ist vorsichtig geplant.

Gleichzeitig erfolgt ein sofortiger Stopp aller vermeidbaren Ausgaben. Dies wird in einer Führungskräfterunde erläutert, ohne die Situation zu beschönigen, denn die Führungskräfte müssen den Stellenwert der Maßnahmen begreifen. Ausgehend von diesem „Kickoff“ wird auf der Basis von funktionsspezifischen Checklisten das konkrete Potenzial zur Ausgabenvermeidung für jeden Funktionsbereich und jede Kostenstelle ermittelt, die Realisierbarkeit geprüft, reale Sollvorgaben verabschiedet und deren Erreichung terminiert. Wesentliche Ansatzpunkte zur Ausgabenvermeidung sind Investitionsstopp, Verschiebung von Reparatur-/ Instandhaltungs-/ Instandsetzungsarbeiten sowie Verlängerung der Lieferantenzahlungsziele bis hin zu Moratorien. Bankenseitig kann an Tilgungsaussetzungen und Zinsstundungen gedacht werden.

Kurzfristige Liquiditätswirkung zeigen zudem insbesondere Maßnahmen im Personalbereich. „Üblich“ sind der Verzicht auf außertarifliche Leistungen, zumindest teilweiser Verzicht bzw. Stundung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld – Kündigungen sind hingegen in aller Regel erst mittelfristig liquiditätswirksam, zudem erfordern sie zusätzliche Mittel zur Finanzierung von Ablösen und ggf. Sozialplänen.

Parallel hierzu werden Maßnahmen zur Einnahmensteigerung ergriffen. Dies betrifft den Abbau von Beständen, den Sortimentsquerverkauf bei Kunden sowie das massive Eintreiben von Debitoren, insbesondere der überfälligen Kundenforderungen bzw. den Verkauf von Forderungen an einen Factor. Mittelfristige Liquiditätswirkung zeigten der Verkauf und die Rückmietung von Maschinen, Anlagen und Gebäuden. Derartige Maßnahmen erfordern aber eine Mindestbonität und eine positive Fortführungsprognose, d.h. sie greifen im Sanierungsfall nur selten.

Umsatzwachstum steht nicht auf der Liste der Maßnahmen zur Beseitigung von Liquiditätsengpässen. Es geht vielmehr um die einnahmen- und ausgabenseitige Realisierung von Potenzialen in der bestehenden Struktur. Treten Finanzierungsengpässe auf, so ist die sofortige Kommunikation mit den Banken unter Wahrung was Gleichstellung hinsichtlich der Informationsinhalte und -anforderungen angeht unverzichtbar. Durch das Monitoring der Kontostände ist den Banken die Liquiditätsenge ohnehin bekannt, nur aktives Handeln verhindert eine Vertrauenskrise. Abwarten und Reagieren macht hingegen deutlich, dass das Management die Situation nicht im Griff hat.

Der nächste Schritt ist die Überarbeitung des Liquiditätsplans – durch Einarbeitung der ausgabenvermeidenden und einnahmenerhöhenden Maßnahmen. Dieser Liquiditätsplan – nach Maßnahmen – wird bis zum Ende des Geschäftsjahres erstellt. Es ist zwingend erforderlich, dass am Ende der Planungsperiode keine Liquiditätsunterdeckung vorliegt, denn andernfalls wäre die Finanzierung des Unternehmens nicht gesichert – eine Situation die den Banken die Gewährung von Krediten unmöglich macht.

Reichen die internen Maßnahmen zur Liquiditätsschöpfung nicht aus, um die Deckungslücke zu beseitigen, muss der Liquiditätsplan klare Prämissen und Voraussetzungen enthalten, unter deren Bedingung die Liquiditätslücke geschlossen wird. Sowohl Gesellschafter- als auch Bankenbeiträge können hierfür herangezogen werden.

Ist Fresh Money der Banken erforderlich, sind meist neue Sicherheiten notwendig. Wesentlich ist, dass diese auch im Insolvenzfall (Zerschlagungswert) ausreichend werthaltig sind und den Banken durch kurzfristige Verwertung eine vollständige Rückführung des zusätzlich ausgereichten Geldes ermöglicht.

Steht der Liquiditätsplan für das Gesamtjahr auf Monatsbasis, wird daraus eine wöchentliche Liquiditätsvorschau als Basis für die Tagesdisposition abgeleitet. Diese umfasst alle wesentlichen Geschäftskonten.

Im Rahmen des Liquiditätsmanagements melden alle Geschäftsbereiche, Tochtergesellschaften oder Funktionsbereiche die für die nächste Woche erwarteten Einnahmen und Auszahlungen unter Angabe von „Sender bzw. Empfänger“ an das Liquiditätsbüro. Dies wird über alle Konten hinweg konsolidiert und so optimiert, dass keine Kontoüberziehungen auftreten. Den Einzelverantwortlichen wird rückgespielt, welche Ausgaben zu verschieben sind bzw. welche Ausgaben in Abhängigkeit von welchen konkreten Einzahlungen an welchen Tagen vorgenommen werden können.

Belastung der Funktionsverantwortlichen

Die Inanspruchnahme der einzelnen Unternehmensfunktionen ist in den drei Phasen des Krisenmanagements unterschiedlich.

In der ersten Phase der Analyse der Ausgangssituation sowie der aktuellen Anforderungen liegt das Schwergewicht des Krisenmanagements in den Bereichen Finanzwirtschaft, Controlling und Buchhaltung. Grundsätzlich muss jedoch die gesamte 1. Führungsebene informiert und in das Projekt soweit eingebunden sein, dass gleiche Sicht der Dinge herrscht. Bereits die Sofortmaßnahmen des Liquiditätsmanagements betreffen alle Führungskräfte und Funktionsbereiche. Die Einbindung erfolgt unter der Überschrift „Wie führe ich meinen Funktionsbereich unter Liquiditäts- anstatt unter Kosten- und Ertragsgesichtspunkten“. Für das finanzwirtschaftliche Krisenmanagement der Liquiditätssicherung sind insbesondere die Funktionsbereiche Einkauf, Disposition, Lager, Versand sowie Vertriebsinnendienst, Fakturierung und kundenverantwortliche Vertriebsmitarbeiter entscheidend, wenn Kreditoren, Debitoren und Bestände optimiert werden sollen.

Bereits im 2. Baustein der leistungswirtschaftlichen Sanierung geht es um Kostensenkungen, Ertragssteigerung und die Erhöhung von Effizienz und Produktivität. Hier sind alle Funktionsbereiche gefordert. Zu ermitteln sind die funktionsspezifischen Kostentreiber, unrentable Geschäfte (Marktsegmente, Kundengruppen, Zielgruppen, Sortimente, Artikel, …) und die nicht optimalen Prozesse.

Die funktionsbereichsspezifischen Mengengerüste (Stück Aufträge, Mahnungen, Kommissionen, …) werden ebenso auf den Prüfstand gestellt, wie die wesentlichen Kostenarten des Funktionsbereichs, insbesondere Personalkosten und der sonstige betriebliche Aufwand.

Zusätzlich zu den kurzfristig ausgabewirksamen Personalkostenmaßnahmen wie z.B. Streichung außertariflicher Leistungen und Kürzung des Weihnachtsgeldes, geht es im leistungswirtschaftlichen Bereich um mittelfristig wirksame Aktivitäten zur Senkung des Break Evens und zur Steigerung von Profitabilität und Effizienz – auch wenn dies mit temporären Vorlaufkosten und Liquiditätsbedarf verbunden ist. Wegen seiner vergleichsweise kurzfristigen Ergebnis- und Liquiditätswirkung ist der Bereich des sonstigen betrieblichen Aufwandes ein fester Bestandteil der leistungswirtschaftlichen Sanierung, auch wenn die einzelnen Aufwandspositionen nur geringe Volumina aufweisen. Es geht konkret um Telefon- und Handykosten, Spesen, Fortbildungs-, Reinigungs-, Kfz-, Versicherungs-, Energie- und ähnliche Aufwendungen.

Und wie sieht die konkrete Einbindung der Funktionsverantwortlichen aus?

Auf der ersten Führungsebene werden die Sanierungsziele für das Gesamtunternehmen identifiziert und als erster Top down Ansatz auf die einzelnen Funktionsbereiche verteilt. Aufgrund dieser Stoßrichtungen wird der Personenkreis fixiert, der zur Umsetzung notwendig ist.

Dieses „Winning Team“ umfasst vertikal über mehrere Hierarchiestufen hinweg diejenigen Mitarbeiter, mit denen das Unternehmen in die Zukunft gehen will. Das Team wird „überbesetzt“ (um ca. 20-30 Prozent). Dies wird mit den Teammitgliedern offen kommuniziert, damit klar ist, dass Engagement, Mitarbeit und Leistung zählen und nicht bereits die Berufung ins Winning Team den „Ritterschlag“ darstellt. Die Mitglieder des Teams erhalten Einzelaufgaben und Teilprojekte. Als Steuerungs- und Kontrollinstanz wird ein Lenkungsausschuss gebildet, an den die Teams im Rahmen einer Projektorganisation berichten. „Verboten“ ist die Meldung „Zielerreichung ist nicht möglich“, „erlaubt“ sind Zusatz- und Alternativmaßnahmen sowie kreative Ansätze zusätzliche Potenziale zu mobilisieren oder das Ziel auf anderen Wegen zu erreichen.

Die Höhe der Personalkosten – häufig mitverantwortlich für die Krise

Die Senkung der Personalkosten ist immer ein zentraler Baustein der Krisenbewältigung, denn die Personalkosten sind meist nicht nur einer der größten Aufwandspositionen des Unternehmens, sondern häufig mit für die Unternehmenskrise verantwortlich. Bei den meisten Krisenunternehmen ist die Personalproduktivität im Wettbewerbsvergleich viel zu gering. Dies gilt insbesondere im Standortwettbewerb von Staaten und Wirtschaftsräumen bei unterschiedlichen steuer-, sozial- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen.

Sind die Personalkosten eine Krisenursache, so liegt dies meist nicht nur am Jahreseinkommen pro Kopf, sondern an einem Mix aus Verfügbarkeit/Flexibilität, Jahresarbeitszeit und Lohnnebenkosten – mit dem Ergebnis im internationalen Wettbewerb zu hoher Pro-Kopf-Kosten je Produktivstunde.

Wesentlich als Krisenursache und Hemmnis der Krisenbewältigung ist zudem der Kündigungsschutz. Insbesondere die Regelungen des § 613 a BGB erschweren die Übernahme von Teilgeschäften und Mitarbeitern – da selbst bei einer Übernahme aus der Insolvenz erworbene Besitzstände der Mitarbeiter (inkl. Betriebszugehörigkeit und Kündigungsschutz) mit übernommen werden müssen. Insbesondere ausländische Investoren lässt dies vor Betriebsübernahmen zurückschrecken.

Die durch die deutsche Gesetzgebung bewirkte geringe Flexibilität unterstützt das Beharrungsvermögen der Unternehmen, selbst leistungsschwache Mitarbeiter nicht zu entlassen, sondern sie auf Randbereiche abzuschieben (Versand, Instandhaltung, …). Dies erhöht die Strukturkosten und zehrt das Unternehmen langsam aus.

Der richtige Partner für die Sanierung

Natürlich kann ein Unternehmer sein Unternehmen selbst sanieren – dies ist jedoch nicht die Regel, denn meist fehlt ihm die Erfahrung. Zudem ist er in hohem Maße „Betroffener“ – die damit verbundene Emotionalisierung erschwert eine faktenorientierte Lösung.

Der Inhaber tut im Krisenfall deshalb gut daran, sich auf das zu Besinnen was einen Unternehmer auszeichnet, d.h. nicht alles selber tun, sondern für das jeweilige Problem den richtigen Spezialisten hinzuziehen, ihm Ziele setzen, ihn führen und dadurch die Erreichung der unternehmerischen Ziele sicherstellen. Dies gilt für die Sanierung genauso wie für Produktions- oder IT-Fragen. Gerade im Sanierungsfall benötigt der Unternehmer einen branchenerfahrenden Restrukturierungsberater sowohl als „Kopf“ für die Konzeption als auch als persönlichen Sparringspartner.

Zur Absicherung des Sanierungserfolges wird dies ergänzt durch eine „Blutauffrischung“ im Management, denn nur so verändern sich die Entscheidungsprozesse und wird sichergestellt, dass Entscheidungsstau und Umsetzungsschwäche ein Ende haben. Stoßen Banken die Unternehmenssanierung an, ist das Vertrauen in Inhaber und Führung meist erschüttert – nur ein neutraler Externer hat Vertrauensvorschuss und kann somit die Vertrauensbasis wieder aufbauen.

Die Erfolgsfaktoren der Krisenbewältigung

Hinsichtlich des Erfolges der Krisenbewältigung sind kurz- und langfristige Voraussetzungen zu unterscheiden. Kurzfristig entscheidend ist die Sicherung der ausreichenden Liquidität und die Erzielung eines Going Concern von Gesellschaftern, Banken und ggf. Betriebsrat, d.h. die Stakeholder müssen dem Sanierungskonzept vertrauen und dem Management die Umsetzung zutrauen.

Auf dieser Basis kann die eigentliche Sanierungsarbeit beginnen, die nur dann erfolgreich ist, wenn die Krisenursachen nachhaltig beseitigt werden. Da die meisten Krisen nicht nur auf handwerklichen Fehlern beruhen, sondern strategische Ursachen haben, geht es darum, strategische Defizite aufzuspüren und mit aller Konsequenz zu beseitigen. Im Einzelnen lassen sich 8 Erfolgsfaktoren identifizieren:

  1. Schnelle, lückenlose Bestimmung der tatsächlichen Krisenursachen – no surprises
  2. Weitreichende Sanierung (soweit wie möglich, soweit wie nötig) – no compromises
  3. Die Messlatte hochlegen – ambitionierte, erreichbare und messbare Ziele definieren – no hype
  4. Nachhaltige Sanierung durch Beseitigung aller vorhandenen strategischen Defizite – no gap
  5. Mobilisierung sämtlicher Wertetreiber
  6. Keine Rücksichtnahme auf „Heilige Kühe“ auch im Managementbereich
  7. Rechtzeitige und umfassende Kommunikation mit allen Stakeholdern
  8. Konzeption und Umsetzung aus einer Hand

Die Gründe für ein Scheitern der Sanierungsbemühungen

Scheitert die Krisenbewältigung, so beruht dies in aller Regel entweder auf einer Fehleinschätzung der Krisendimension – meist werden Markt und strategische Positionierung nicht richtig beurteilt – oder es fehlt an Konsequenz in der Umsetzung.

Planungen werden zu positiv angesetzt, der Liquiditätsbedarf unterschätzt, Maßnahmen bleiben an der Oberfläche, Strukturen werden nicht tief genug verändert, Geschäftsmodell und Leistungsspektrum nicht wirklich auf den Prüfstand gestellt.

Empirische Untersuchungen zeigen, dass bei über 80Prozent der Sanierungsfälle nur die Konfiguration von Geschäftsmodell, Geschäfts-Mix und Unternehmensstruktur die Krisenursachen wirklich beseitigen können. Dies erfordert grundsätzliche Veränderungen, Abschied von „Heiligen Kühen“, die Aufgabe bisheriger Erfolgsfaktoren und im Zweifelsfall auch die „Verabschiedung bisheriger Leistungsträger“. Alles in allem emotional nur schwer verkraftbare Dinge.

Arbeitsrechtliche Kompetenz und die richtige Personalpolitik spielen gerade in der Umsetzung der personellen Sanierungsmaßnahmen eine zentrale Rolle. Die beabsichtigten Kostensenkungsmaßnahmen im Personalbereich müssen arbeitsrechtlich realisierbar sein und im geplanten Zeitraum umgesetzt werden können. Dies erfordert neben Fachkenntnissen auch Verhandlungsgeschick und kommunikative Kompetenz. Der Betriebsrat muss frühzeitig an Bord geholt werden, Konflikte, Endlosverhandlungen und das „Kämpfen“ um einzelne Namen und Personen gefährden allzu oft die Existenz des Unternehmens.

Konzeption und Umsetzung aus einer Hand

Auch für die Krisenbewältigung gilt, nichts ist wichtiger als Kontinuität und zwar zwischen Konzeption und Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. Je tiefer die Schnittstelle zwischen Konzeption und Umsetzung, desto größer die Gefahr, dass Ziele und Konzeptbestandteile in Frage gestellt und Maßnahmen als nicht umsetzbar erachtet werden.

Abhilfe schafft die frühzeitige Integration der Umsetzungsverantwortlichen in die Konzeptionen ggf. durch die Bestellung eines Zeitmanagers sofort nach Sichtbarwerden von Kompetenzlücken im Management.

Zudem ist die Umsetzung in einer professionellen Projektorganisation mit Lenkungsausschuss, Sanierungscontrolling und Maßnahmenkontrolle abzubilden – die Projektführung liegt am besten bei demjenigen, der das Konzept federführend erstellt hat, d.h. nicht nur Integration des Umsetzungsverantwortlichen in die Konzeptphase, sondern auch des Konzeptverantwortlichen in die Führung und Steuerung der Umsetzung.

Personalabbau als Instrument der Krisenbewältigung

Soll das Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen, muss nicht nur die Personalproduktivität, sondern meist auch das Personal-Mix verbessert werden. Deshalb ist es wünschenswert, ein Mix aus erfahrenen Mitarbeitern sowie jungen und leistungsstarken Potenzialträgern im Unternehmen zu behalten und leistungsschwache Mitarbeiter – altersunabhängig – zu entfernen. Dies widerspricht häufig im Einzelfall dem Gebot des Sozialausgleichs, dem eher junge und flexible Mitarbeiter „zum Opfer fallen“. Oft führt ein krisenbedingter Personalabbau deshalb zu einer deutlichen Steigerung des Durchschnittsalters der Mitarbeiter – die natürliche Alterspyramide gerät aus den Fugen. Wesentliche Hürden ergeben sich aus der Mitbestimmung des Betriebsrates (Gewerkschaften) bei der Auswahl der abzubauenden Personen sowie dem Zwang zum Abschluss eines Sozialplans, wenn der Personalabbau bestimmte Grenzwerte überschreitet.

Aufgrund der hohen ausgabenwirksamen Kosten des Personalabbaus ist es häufig wirtschaftlich nicht tragbar, angestammte aber leistungsschwache Mitarbeiter abzubauen. Sie bleiben aus reinen Kostengründen im Unternehmen, an ihrer Stelle werden leistungsfähigere Mitarbeiter entlassen. Dies verschlechtert nicht nur die zukünftige Produktivität, sondern verschlechtert auch die Motivation der verbleibenden Leistungsträger im Unternehmen. Diese sehen in der vorgenommenen Personalauswahl meist – und zu Recht – Management- und Führungsfehler – sie unterstützen die Krisenbewältigung nicht mehr mit voller Kraft.

Auch Führungskräfte sind betroffen

Erfolgreiche Sanierungen beginnen „Top down“, d.h. mit Personalmaßnahmen auf erster Ebene. Ausgedünnt wird insbesondere im Bereich des Mittelmanagements („Lehmschicht“) in den Overheadstrukturen sowie den nicht produktiven Funktionen.

Der Anpassungsbedarf im Bereich des Produktivpersonals ist abhängig vom Automatisierungsgrad und dem Volumen der Wertschöpfung. Er ist deshalb insbesondere dann betroffen, wenn im Rahmen der Sanierung Outsourcing zum Tragen kommt, Kapazitäten abgebaut werden müssen, Standorte verlagert werden oder die Kapazität an reduzierte Mengengerüste angepasst werden muss.

Sanierungen die zu einer nachhaltigen Erhöhung der Personalkosten pro Kopf führen erhöhen das Geschäftsrisiko des Unternehmens. Sie sind eine deutliche Hypothek für die Zukunft.

Einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Krise bei gleichzeitiger Sicherung der Arbeitsplätze bringt in aller Regel die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, d.h. die Personalverfügbarkeit kann an den Bedarf des Marktes angepasst werden. Dies führt zu einer Verringerung der Bestände, ermöglicht die Produktion derjenigen Produkte, die der Markt auch wirklich braucht und reduziert Vorhaltekosten für Mitarbeiter und Equipment.

Wesentlich ist jedoch, dass die entsprechenden Betriebsvereinbarungen nicht temporär befristet sind – der Rückfall auf das alte Produktivitätsniveau kann in vielen Fällen nicht verkraftet werden, das Unternehmen kommt wieder in die Krise.

Anpassungsbedarf der gesetzgeberischen Rahmenbedingungen

Die Bewältigung von Unternehmenskrisen wird in Deutschland weiterhin von gesetzgeberischen Bestimmungen behindert, dies betrifft insbesondere den § 613a BGB. Deutliche arbeitsplatzerhaltender Effekte wären erzielbar, wenn eine Unternehmensübernahme – in klar definierten Fällen – ohne die Übernahme der in der Vergangenheit erworbenen Ansprüche der Mitarbeiter möglich wäre.

Eine weitere Erleichterung wäre der Wegfall bzw. strukturelle Veränderungen in den Bereichen Sozialauswahl, Flexibilisierung der Jahresarbeitszeit sowie eine Deckelung der Ablösezahlungen, der Anspruch heute mit jedem Jahr der Betriebszughörigkeit linear wächst.

Die genannten Punkte werden von den verabschiedeten bzw. vorgesehenen Reformen nicht grundsätzlich genug verändert. Dies beeinflusst auch die Wettbewerbsfähigkeit gesunder Unternehmen negativ.

Für die Zeit nach dem Turn Around sind alle diejenigen gesetzlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen entscheidend, die Lohnnebenkosten, die Jahres- und Monatsarbeitszeit sowie die Flexibilität der Personalverfügbarkeit betreffend.

Dr. Volkhard Emmrich ist Geschäftsführender Gesellschafter der Münchener Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und leitet den Bereich Corporate Restructuring.

Kontakt:
Dr. Wieselhuber & Partner GmbH
Unternehmensberatung
Königinstraße 33
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E-Mail: info@wieselhuber.de
Internet: www.wieselhuber.de

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