KrisenbewältigungMit Resilienz kraftvoll durch die Krise
Sonntagmorgen. Endlich Ruhe nach einer anstrengenden Arbeitswoche. Ausgiebiges Frühstück mit der Familie. Gemütlich Zeitung lesen.
Gemütlich Zeitung lesen? Weit gefehlt. Auch die Sonntagszeitungen sind wieder voll von Hiobsbotschaften. Da gibt der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, ein Interview. Noch zwei, drei Jahre werde die Krise dauern, die durch die Turbulenzen am weltweiten Bankenmarkt ausgelöst wurde, orakelt der Finanzexperte. „Opel-Krise hält die Welt in Atem“, titelt die Rheinische Post. "Eine Kündigung muss keine Katastrophe sein", überschreibt die Süddeutsche ganz optimistisch einen wohlmeinenden Beitrag zum Thema „Krisen als Chance“.
Niemand bleibt von solch düsteren Wirtschaftsszenarien unbeeindruckt. Wie soll derjenige, dessen Job in Gefahr ist, in der Krise eine Chance sehen? Das ist viel verlangt. Aber auch bei denjenigen, die selbst noch nicht akut gefährdet sind, können Phasen der Unsicherheit zu Ängsten, Depressionen, Demotivation, Frustration und erhöhter Krankheitsanfälligkeit führen.
Wer kümmert sich nun um die Menschen, um die Mitarbeiter, um die Kollegen, die den Karren ohne anhaltende Beeinträchtigung flott halten sollen? Was geben die Unternehmen ihren Führungskräften und Mitarbeitern an die Hand, um mit Unsicherheit und Krise fertig zu werden? Durchhalteparolen allein sind nicht genug. Jetzt braucht es Strategien, die Energien aktivieren. Die Mut machen. Die das Selbstvertrauen stärken.
Karrierefaktor Resilienz
Nicht alle Menschen reagieren gleich auf Bedrängnis und Krise. Es gibt jene, die in schwierigen Zeiten resignieren, und solche, die selbst widrigste Situationen unbeschadet überstehen. Die Rückschläge wegstecken, ja sogar gestärkt aus Misserfolgen hervorgehen. Die mit einer konstruktiven „Jetzt–erst-recht-Haltung“ loslegen und auch in turbulenten Zeiten die Fäden in der Hand halten.
Resilienz
In der Psychologie werden diejenigen Menschen als resilient bezeichnet, die psychisch widerstandsfähig sind. Resilienz wirkt wie ein seelisches Immunsystem, das hilft, Krisen durchzustehen oder sogar gestärkt daraus hervorzugehen.
Resiliente Personen reagieren unempfindlicher auf psychische Belastungen wie Stress oder Frust und handeln flexibler in schwierigen und sich ändernden Situationen. Die psychische Widerstandskraft ist bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt und lässt sich trainieren.
In meinem Balance-Modell habe ich sieben Lebensbereiche und sieben Handlungskompetenzen identifiziert, die in ihrer Einheit das Gerüst unseres Lebens bilden. Diese sieben Handlungskompetenzen sind ein wichtiger Schlüssel, um Leistungskraft und Lebensglück auch unter widrigen Bedingungen nicht zu verlieren.
Sieben Handlungskompetenzen in der Krise
1. Selbst-Bewusstsein (Achtsamkeit)
Die Fähigkeit des achtsamen und ungetrübten Blicks auf sich selbst. Mit achtsamem und ungetrübtem Blick nimmt man seine Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche in jedem Moment wahr. Man kennt seine Werte, seine Stärken und Schwächen und weiß, wie man auf seine Umwelt wirkt. Beobachten Sie gerade auch in schwierigen Situationen Ihre Gedanken.
Welche Gedanken lösen ungute Gefühle aus? Wie realistisch sind diese Gedanken. Und wie reagieren Sie dann darauf? Glauben Sie an die eigene Kompetenz, ziehen Sie Kraft aus Ihren Stärken und Erfolgen. Viele Menschen berichten nach der erfolgreichen Bewältigung einer schwierigen Situation von größerer Stärke, einem gewachsenen Selbstwertgefühl und intensiveren Beziehungen.
2. Selbst-Verantwortung (Wahlfreiheit)
Hier geht es um die Bereitschaft, die Opferrolle zu verlassen und stattdessen die volle Verantwortung für die Gestaltung des eigenen Lebens zu übernehmen: Für das Denken, das Fühlen, das Entscheiden, das Handeln… und auch für das Nicht-Handeln. Mit unserem Geburtstag haben wir ein großes Geschenk bekommen: Die Wahlfreiheit.
Es liegt in unserer Verantwortung, was wir aus unserem Leben machen. In jedem Moment unseres Lebens. Sie können sich jeden Augenblick neu entscheiden. Jammern Sie nicht über die Wirtschaft, die Banken, die Politik – das bringt Ihnen rein gar nichts. Konzentrieren Sie sich vielmehr auf das, was Sie selbst beeinflussen können, was in Ihrem Einfluss-Radius liegt. Schätzen Sie realistisch ein, an welchen Stellschrauben Sie selbst drehen können, um Ihre Situation zu verbessern. Der Aufwand dafür ist sicher höher als fürs Jammern, bringt Sie aber auch deutlich weiter.
3. Selbst-Akzeptanz
Darunter verstehe ich die Fähigkeit, sich mit allen Eigenheiten – also mit allen Stärken und Erfolgen, aber auch mit allen Schwächen („Potenzialen“), Macken und Niederlagen selbst zu mögen und wertzuschätzen. Merke: Ihr Wert wird von den Schwächen nicht beeinträchtigt. Es ist wichtig, dass Sie sich nicht selber zum Sündenbock machen. Nehmen Sie die Krise an. Gönnen Sie sich eine Phase der Trauer, wenn es Sie getroffen hat. Aber dann sollten Sie der Zukunft ins Auge sehen. Machen Sie eine Bestandsaufnahme und skizzieren Sie Lösungsmöglichkeiten und Handlungsalternativen.
4. Selbst-Motivation
Wir wissen sehr oft, was wir „eigentlich“ tun sollten, was uns wirklich gut täte, was wir unbedingt ändern müssten. Wer ein hohes Maß an Selbst-Motivation (entwickelt) hat, schafft das auch! Resiliente Menschen verlassen die Opferrolle und werden selbst aktiv. Sie schauen nach vorn und suchen nach Lösungen. Sie können eine Langzeitperspektive einnehmen und finden Antwort auf eine entscheidende Frage: War ich schon einmal in einer ähnlich schwierigen Situation? Wie habe ich dies bewältigt? Und dann legen Sie los.
5. Selbst-Kontrolle
Hierunter verstehe ich die Fähigkeit, konstruktiv mit Gefühlen und Stimmungen – insbesondere „unguten“ Gefühlen wie Angst, Wut, Trauer, Stress, Ohnmacht und Unsicherheit umgehen zu können. Stressphasen sind leichter zu bewältigen, wenn man überzeugt ist, sie kontrollieren zu können. Sie sind keine Marionette des Schicksals. Stoppen Sie Ihr Katastrophendenken, gewinnen Sie Kontrolle über Ihre Gedanken. Machen Sie sich klar, dass schlechte Zeiten zeitlich begrenzt sind und vorüber gehen. SIE entscheiden, ob Sie die Krise als Katastrophe oder als Chance sehen.
6. Selbst-Management (Tools)
Um die schwierigen Balanceakte zu meistern, müssen Sie die wichtigsten Tools und Techniken zum Planen, Entscheiden und Organisieren des eigenen Lebens kennen und nutzen. In den gängigen Selbstmanagement-Tools können Sie wertvolle Unterstützung zur Organisation Ihres Lebens erfahren. Entwerfen Sie einen Fahrplan für die Krise und unterteilen Sie in kleine Etappenziele. Bleiben Sie flexibel und aktiv, suchen Sie nach Alternativen.
7. Austausch mit anderen
Die Fähigkeit, tief befriedigende Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und zu pflegen. Gerade in kritischen Lagen sind gute Beziehungen zu Familie und Freunden wichtig. Ziehen Sie sich nicht zurück, suchen Sie Halt in Ihrem stabilen, emotionalen Umfeld, fragen Sie nach Unterstützung in Notzeiten. Aktivieren Sie Ihr Netzwerk – beruflich und privat.
Resilienz ist mehr als Überleben
Resilienz ist mehr als bloßes Durchhalten oder Anpassung an die schlechten Bedingungen. Menschen sind nicht resilient trotz der Krise, sondern gerade wegen ihr. Manche entwickeln eine Stärke, die sie sich selber vorher nicht zugetraut hätten. Die Resilienzforschung macht Mut, denn sie offenbart, dass psychische Widerstandskraft nicht angeboren oder Glückssache ist.
Zwar sind manche Menschen in dieser Fähigkeit begünstigt, andere brauchen aber oft nur etwas Unterstützung, um kraftvoll durch die Krise zu gehen. Das Leben ist ein wilder Fluss mit Untiefen und Stromschnellen. Je mehr wir über die Eigenschaften des Wassers wissen und je besser wir gelernt haben, auf reißende Flüsse zu reagieren, desto sicherer gelangen wir wieder in seichtes Gewässer und ruhiges Fahrwasser.
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