KrisenmanagementWenn es kracht im Gebälk

Unternehmen sind oft nicht ausreichend auf interne Krisen vorbereitet. Entsprechend kopflos reagieren sie, wenn es dazu kommt. Gefragt sind dann erfahrene Führungskräfte, die ein Gespür für die Situation haben, Mut besitzen und bereit sind, auch Fehler zuzugeben. Denn Krisen kennen keine Spielregeln und verlangen mitunter auch ungewohnte und unbeliebte Maßnahmen, um gemeistert zu werden.

Das Zusammenspiel zwischen Unternehmen und in Unternehmen wird immer komplexer und somit konfliktträchtiger. Also ist auch immer häufiger Krisenmanagement gefragt. Doch bevor Krisen gemanagt werden können, müssen sie verstanden sein. Jeder Mensch kennt gesundheitliche Krisen. Sie bezeichnen einen Zustand,

  • der zwar häufig plötzlich und ungeplant auftritt, aber zumeist eine Vorgeschichte hat,
  • in dem wir weitgehend aus dem Verkehr gezogen sind und nicht mehr so weiter machen können wie bisher,
  • der uns bedroht und häufig radikale Eingriffe verlangt,
  • in dem unsere bisherigen Konzepte (Hausmittel) versagen und wir auf Hilfe von Außen angewiesen sind,
  • der Zeit zum Genesen und häufig nachhaltige Veränderungen erfordert.

Was ist jedoch, wenn Menschen gesundheitliche Krisen nicht bewältigen können und wer muss dafür Sorge tragen, dass dann keine schlimmere Entwicklung eintritt? Der Betroffene selbst. Er muss zum Arzt gehen, er muss die verschriebenen Medikamente einnehmen und Therapiekonzepte umsetzen. Zumindest Letzteres ist bei Krisen in Unternehmen anders. Hier verteilt sich die Verantwortung zur Krisenbewältigung auf viele Menschen. Das ist bereits ein Teil des Problems. Denn geteilte Verantwortung ist immer auch versteckte oder schwer zurechenbare Verantwortung.

Wodurch werden betriebliche Krisen gefördert?

Krisen in Unternehmen entstehen häufig dort, wo keiner mit ihnen rechnet. Sie entstehen aber auch, weil die Wechselwirkung betrieblicher Aktivitäten oft zu wenig beachtet werden. Einige Beispiele:

Betriebliche Planung

Jede solide Planung berücksichtigt auch Risiken. Diese Risiken werden benannt und beim Ausarbeiten und Umsetzen der Pläne berücksichtigt. Häufig werden sogar eigene Notfallpläne erstellt, die greifen, wenn ein erwartetes Risiko eintritt. Viele Unternehmen betrachten ein solches Vorgehen bereits als Krisenmanagement. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn gemanagt wird hier keine Krise, sondern eine erwartete Situation. Das ist prinzipiell auch gut, denn so kommt es vielfach erst gar nicht zu einer Krise. Zugleich konzentriert eine solche Planung aber die Aufmerksamkeit lediglich auf die erwarteten  beziehungsweise „geplanten“ Risiken. Was zu kurz kommt, ist die erforderliche Aufmerksamkeit für „ungeplante“ Risiken, aus denen Krisen erwachsen können. Insoweit leistet der betriebliche Planungsprozess oft ungewollt einen Beitrag zum Entstehen von Krisen.

Betriebliche Organisation

Beim Planen der betrieblichen Struktur und Abläufe und somit der betrieblichen Zusammenarbeit agieren Unternehmen oft wie öffentliche Grünflächenämter, wenn beispielsweise ein neues Baugebiet erschlossen werden soll. Wenn die Bebauung ein bestimmtes Stadium erreicht hat, wird damit begonnen, Grünflächen anzulegen. In diese Grünflächen integrieren die Planer Wege, auf denen die Anwohner gehen sollen. Doch kaum sind diese angelegt, erkennt man Trampelpfade. Das sind die Wege, die die Anwohner gehen wollen – und auch tatsächlich gehen.

Ähnlich verhält es sich oft in Unternehmen. Auch hier versuchen die betriebliche Organisationsabteilungen den Mitarbeitern häufig vorzugeben, wie die Dinge sich ereignen sollen und berücksichtigen dabei nicht ausreichend, ob das mit den Vorstellungen der Mitarbeiter übereinstimmt. Die Folge: Soll und Ist passen nicht zusammen. Konflikte entstehen und Konflikte begünstigen Krisen.

Führungskräfteentwicklung

Künftige Manager studieren zumeist an Universitäten. Danach wechseln sie als High Potentials in die betriebliche Welt, um schnell Verantwortung zu übernehmen. Hierfür gibt es spezielle Förderprogramme, die meist ein bis zwei Jahre dauern. Danach übernehmen die High Potentials ihre erste Managementposition und wechseln ein oder zwei Jahre später auf die nächste Position. Aufgrund dieser kurzen Verweildauer erfahren sie oft die mittel- und langfristigen Folgen ihres Handelns nicht mehr am eigenen Leib. Also wird ihnen auch die entsprechende Lernerfahrung vorenthalten. Ihr Reifeprozess wird sozusagen vorzeitig beendet. Dies mindert mittelfristig ihre Fähigkeit, Krisen zu meistern. Denn wer Krisen managen soll, muss ein Gespür dafür haben, welche Konsequenzen seine Handlungen auslösen. Krisenmanager benötigen nicht nur Potenzial, sondern auch Erfahrung.

Führungsverhalten

Manchmal wird im Betriebsalltag wider besseren Wissens das Falsche getan. Vielen Managern – speziell im unteren und mittleren Management – fehlt der Mut, das Richtige zu tun. Und das führt zu betrieblichen Krisen. Hierfür ein in Unternehmen nahezu alltägliches Beispiel: Ein Bereichsleiter fordert von einem Abteilungsleiter, dass er den von seiner Abteilung erzielten Umsatz bei konstanter Mitarbeiterzahl um 30 Prozent steigert. Der Abteilungsleiter weist darauf hin, dass dieses Ziel unrealistisch ist. Der Bereichsleiter lässt das nicht gelten, weil er beispielsweise von seinen Vorgesetzten eine ähnliche Vorgabe erhielt.

Also unterschreibt der Abteilungsleiter die Vereinbarung, wohl wissend: Diese Umsatzvorgabe erreichen wir nur, wenn ich andere wichtige Ziele nicht mehr verfolge. Mutig ist ein solches Verhalten nicht – aber auch nicht klug. Denn so entstehen mittel- und langfristig Krisen. Fehlender Mut vermeidet zwar häufig aktuell offene Konflikte, führt mittelfristig aber zu Krisen.

Fehlentscheidungen erkennen und korrigieren

Manager verstehen sich als Entscheider. Krisen entstehen, wenn falsche oder keine Entscheidungen getroffen werden. Wer diese Fehlentscheidungen korrigieren möchte, muss sie zunächst offen legen, also einen Fehler zugeben. Doch viele Menschen und auch Organisationen tun dies nicht gern. Also wird die nötige Korrektur oft hinausgeschoben – die zweite, häufig noch folgenschwerere Fehlentscheidung. Nun wächst das Problem weiter. Das heißt, die Folgen der ersten Fehlentscheidung verstärken sich. Jetzt beginnen die Krisenverursacher in der Regel damit, die Krise zu verstecken und das Problem zu verschleiern, doch irgendwann bricht die Krise offen aus und niemand ist darauf vorbereitet. Dann kommt es zu erheblichen betrieblichen Schäden.

Die Manager, die die Krise verursacht haben, tragen dafür  nur zum Teil die Verantwortung. Denn sie versuchten zumindest das zu tun, was von ihnen erwartet wurde. Ihre Chefs erwarten Erfolgsgeschichten und keine Probleme. Also lieferten sie sie und bauten sich gegenüber Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten das Image des souveränen, unfehlbaren Machers auf. Das erhöhte wiederum den Erwartungsdruck. Umso schwerer wurde es für sie, den eingeschlagenen Weg, der sich zudem in der Vergangenheit oft als Erfolgspfad bewährt hatte, wieder zu verlassen. Das setzt nämlich Reflexion und Selbsterkenntnis voraus – doch hierfür fehlt im Betriebsalltag oft die Zeit. Also wird vielfach, wenn eingefahrene Pfade verlassen werden müssten, „weitergewurstelt“ wie bisher. So werden Krisen produziert.

Krisen halten sich nicht an Spielregeln

Regeln sind nötig und hilfreich für die betriebliche Zusammenarbeit. Also wird das Beachten der Regeln zumeist auch erwartet. Wer sich hingegen nicht an Regeln hält, muss mit Sanktionen rechnen. Das haben die Mitarbeiter der Unternehmen vielfach verinnerlicht. Und auch sie wünschen sich, dass die Regeln eingehalten werden, denn diese vermitteln ihnen Sicherheit. Krisen halten sich jedoch nicht an Regeln. Sie produzieren Zustände, für die die betrieblichen Regeln nicht geschaffen sind. Also gilt es auch beim Bewältigen von Krisen oft ungewöhnliche beziehungsweise ungewohnte Wege zu gehen.

Darauf gilt es sich beim Aufbau eines Krisenmanagement-Systems vorzubereiten, indem die erforderlichen Voraussetzungen für das erfolgreiche Meistern ungewohnter Herausforderungen geschaffen werden. Warum schließen Menschen Versicherungsverträge ab? Weil sie wissen, dass der Vertrag hilft, wenn es nötig ist. Diese Einsicht ist nicht unbedingt wirtschaftlich. Wenn jemand eine Unfallversicherung abschließt, müsste er sich im Prinzip ärgern, wenn er keinen Unfall erleidet. Denn dann zieht er aus der Versicherung keinen Nutzen. Eine Unfallversicherung ist oft nie nützlich, im Schadensfall aber umso mehr.

Ähnlich verhält es sich mit der Entscheidung von Unternehmen, Vorsorge gegen betriebliche Krisen zu betreiben. Sie ist nicht unbedingt wirtschaftlich, sie mindert aber das existenzielle Risiko erheblich. Somit ist auch hier eine Kosten-Nutzen-Abwägung nötig: Welches Maß an Vorsorgemaßnahmen ist gerechtfertigt? Ein echtes Entscheidungsdilemma, aus dem es keinen echten Ausweg gibt. Es bleibt in gewissem Maße stets eine Frage der Einstellung, wie viel Zeit und Energie das Management eines Unternehmens in Krisenvorsorge investiert – auch weil bei der Bewältigung von Krisen nie wirklich bekannt ist, wie sich diese konkret darstellen werden. Also benötigen die Betriebe zunächst Ideen, die helfen, sich auf das vorzubereiten, was man nicht kennt. Außerdem benötigen sie Mitarbeiter beziehungsweise externe Unterstützer, die sich als Krisenmanager eignen. Diese haben den Mut, die im normalen Betriebsalltag geltenden Regeln und Verhaltensmuster zu durchbrechen, neue Wege zu definieren und zu beschreiten.

Krisenmanager müssen mutig sein. Das heißt, sie müssen das erforderliche Rückgrat haben, um nicht nur Fehler zu benennen, sondern auch den Widerständen gegen Veränderungen standzuhalten. Sie brauchen zudem Erfahrung, um mögliche Lösungswege einschätzen zu können. Zugleich müssen sie aber gerade aufgrund ihrer Erfahrung wissen, dass bei Krisen die bisher gesammelten kollektiven Erfahrungen gerade keine Ansatzpunkte zu deren Bewältigung bieten, weshalb ein bewusstes Verstoßen gegen tradierte Regeln und gewohnte Verhaltensmuster nötig ist.

Daraus folgt: Krisenmanager sollten auch eine gewisse Distanz zum Alltagsgeschäft haben, damit sie Vieles, was den Mitarbeitern und deren Führungskräften als selbstverständlich erscheint, hinterfragen können. So werden Handlungs- und Verhaltensalternativen identifiziert. Gute Krisenmanager sind für den „Normalbetrieb“ vielfach ungeeignet, ebenso wie umgekehrt der perfekte „Normalmanager“ für den Krisenbetrieb in der Regel ungeeignet ist. Ein Krisenbewältigungsteam muss aus Spezialisten und Generalisten bestehen und muss agieren wie die Feuerwehr. Im Brandfall ordnet sich alles der Brandbekämpfung unter. Brennt es hingegen nicht, findet die vorbereitende Arbeit eher im Verborgenen statt.

Ein Krisenbewältigungsteam hat im Krisenfall alle Macht in seinen Händen. Es muss häufig trainieren, um bei Kriseneintritt angemessen agieren zu können. Seine Mitglieder müssen aber auch in der Lage sein, im Normalbetrieb „unsichtbar“ die Voraussetzungen zu schaffen, damit das Team im Krisenfall erfolgreich agieren kann. Seine Mitglieder hierbei zu unterstützen und zu befähigen, ist eine Aufgabe der Personal- und Organisationsentwicklung.

[Bild: fotolia]

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