KultCreme 21 setzt bei Wiederbelebung der Marke auf Retro

In den 70ern hopste der große Strandball von Creme 21 über den Sand, jetzt kullert die Dose mit der Retrowelle zurück in die Supermarkt-Regale. Die orangefarbene Cremedose ist das Lehrstück einer Markenauferstehung.

Im Fahrwasser zahlloser 60er-, 70er- und 80er-Fernseh-Shows und -Filme eilen findige Unternehmer dem Nostalgie-Trend hinterher und lassen alte Marken wieder aufleben. Seit 2003 schlägt sich Creme 21 mit achtbarem Erfolg, und das obwohl der Markt für Körperpflegeprodukte in Deutschland seit 2001 stagniert. Das Motiv der Markenauferstehung ist eindeutig: Die alte Strahlkraft des Creme 21-Images soll eine neue starke Marke in den Köpfen der Konsumenten verankern. Die leuchtend orange Kunststoffdose tritt wie schon in den 70ern gegen die etablierte, kühlblaue Nivea im Metallmantel an. Anlässlich des Comebacks sagte die neue Marken-Besitzerin Antje Stickel:

“Creme 21 ist eine Marke mit starker Persönlichkeit, die es schon einmal geschafft hat, die Herzen der Verbraucher im Sturm zu erobern. Rein rational ist sie für die äußere Anwendung auf der Haut gedacht. Emotional hat sie aber das Zeug dazu, auch unter der Haut zu wirken.”

Auf der Retrowelle Marken wieder erwecken

Und laut einer UGW-Studie entscheiden sich Käufer gerade bei Körperpflegeprodukten für Markenware. Trotz der immer stärkeren Handelsmarken von Aldi, Lidl und Co. gaben 45 Prozent der 704 Befragten an, bei der Körperpflege Markenware vorzuziehen. Damit belegen die Körperpflegeartikel den Spitzenplatz unter den zehn überprüften Warengruppen der Studie. Die Wiederbelebungs-Chancen einer Crememarke standen und stehen also vergleichsweise gut.

Die Creme 21 GmbH

Im Jahr 2003 erwirbt die Marketing-Expertin Antje Stickel die Rechte an der Marke „Creme 21“ von ihrem ehemaligen Eigentümer, dem Chemie-Riesen Henkel.

Die Entwicklung von Umsatz, Gewinn und Marktanteilen sind noch Betriebsgeheimnis, doch laut einer Markenanalyse der Zeitschrift Brigitte schlägt sich Creme 21 achtbar. Sechs Prozent der Leserinnen benutzen die Creme, Branchenprimus Nivea schafft 38 Prozent. Das Sortiment: Creme und Hautlotion standen zum Start in den Regalen, inzwischen ergänzt durch Seife, Duschprodukte, später durch Sonnenpflege, Flüssigseife und ein Schaumbad, die bereits in 21 verschiedenen Handelsketten wie dm, Rewe, Toom oder Edeka erhältlich sind.

Marketing-Historie: Viel Haut

Zu ihrem ehemaligen Marktstart 1969 symbolisierte die 21 Volljährigkeit, Jugend und Leben. Mit dem Slogan „Creme 21 – Hält die Haut jung“ startete Besitzer Henkel eine für die Zeit provokative Kampagne, die zum ersten Mal in der Werbung viel nackte Haut zeigte – damals wie heute – genau wie die „Creme-Klecks-Kampagne“ von 1974 und 2003. Verschiedene Körperregionen wie Hüfte, Bauchnabel oder Nase werden frech mit Creme bekleckst ins Bild gerückt.

Creme 21 wurde von Henkel als Gegenspieler zur biederen, blauen Nivea von Beiersdorf positioniert. 1972 und 1975 erreichte sie in ihrem im Zenit 20 Prozent Marktanteil. Mitte der 80er-Jahre sackt dieser aber auf unter zehn Prozent. Eine Revitalisierung ist Henkel zu teuer, andere Marken sind wichtiger. Nur in Ungarn und im Nahen Osten wurde die Marke weitergeführt.

Als Ein-Frau-Unternehmen im Großkonzern

Auch die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin Antje Stickel sprang mit Creme 21 auf den Retro-Zug auf. Die neue Marken-Besitzerin war früher Geschäftsführerin der Lebensmittel-Zeitung und der Marketing-Fachzeitschrift Horizont. Ständig hatte sie mit Marken anderer Unternehmen zu tun. Als sie ihre Jugenderinnerung in einem Dubaier Supermarktregal wiederentdeckt, tritt sie sofort in Verhandlungen mit Henkel.

"Ich war überzeugt, dass diese Marke einen sehr hohen Sympathiewert hat und auf bestimmte Art und Weise das Lebensgefühl der 70er Jahre widerspiegelt."

Dass die Creme in vielen Köpfen überlebt hat, zeigt sich vielerorts. Mitte der 90er-Jahre spielte eine deutsche Band namens "Creme 21" und als im Jahr 2000 die Creme 21-Disko in Heilbronn eröffnete, erschien eine Serie gleichnamiger Club-CDs mit elektronischer Musik. Seit 2002 gibt es eine Creme 21 Autorallye, dort fahren Teilnehmer ab 21 mit ihren Oldtimern vor. Im März 2003 dann sichert sich Stickel Produktions- und Markenrechte an der orangefarbenen Dose - samt dem Nahostgeschäft. Zuerst produziert Henkel die Creme als starker Partner und unterstützt Antje Stickel bei der weltweiten Markenpflege. Doch zum Jahreswechsel 2005 beendete sie die Zusammenarbeit mit Henkel, der Partner ist zu groß und zu langsam. Jetzt entwickeln und produzieren externe Kosmetik-Lohnproduzenten die Pflegeserie für weniger Geld. Stickel und ihr inzwischen 11-köpfiges Team kümmern sich um Marketing, Werbung und Vertrieb von Bad Homburg aus. Da der deutsche Markt seit Jahren nicht wächst, verstärkten sie besonders die Exportaktivitäten.

Gezieltes Marketing: Von retro nach modern und hochwertig

Eine Marke, die einmal lange überlebt hat und wieder aufgebaut werden soll, darf nicht strategisch gestrig ausgerichtet sein, sonst wirkt sie bald altbacken. Ein zeitgemäßes Marketing ist sehr wichtig, das hat Antje Stickel erkannt:

„Wir wollen nicht nur auf der Retrowelle reiten. Wir nutzen sie als Rückenwind, um Creme 21 wieder zu etablieren.“

Das Budget war klein, also wurde großer Wert auf den vergleichsweise kostengünstigen Online-Auftritt gelegt, der auch die jugendliche Zielgruppe erreicht: Eine Vorschau-Website ging zeitgleich zur ersten Pressekonferenz Mitte Oktober 2003 online, die vollständige Seite startete im Januar 2004, kombiniert mit einer Fotogalerie von Creme 21 Events.

Neu aufgelegte kurze TV-Spots mit dem altbekannten Klecks, Gewinnspiele, Online-Werbespiele und Newsletter vervollständigten das Marketing. Eine neue Rezeptur, leicht veränderter Duft und das behutsam veränderte Design sollen Modernität und Qualität als Markenkern etablieren. Die Retrowelle diente als Anschub für einen leichteren Aufbau der Marke. So sparte sich das Unternehmen einen Teil des Geldes, das sonst für den aufwendigen Aufbau eines Marken-Überfliegers investiert hätte werden müssen. Als Bonus erreichte der Retrotrend eine sonst schwer zu erreichende Zielgruppe: Die heute 30- bis 40-Jährigen. Sie verbinden positive Erinnerungen aus ihrer Kindheit mit der Marke. Starke Marken bleiben auch ohne Marktpräsenz lange in den Konsumentenköpfen verankert. Die Herausforderung liegt in der perfekten Nutzung ihrer Werte für heutige Bedürfnisse der Konsumenten.

Balanceakt zwischen Bewahrung und Revolution

Die Gründe für die Retrowelle liegen in der Orientierungssuche der Kunden in sich schnell verändernden Zeiten. Viele Verbraucher halten nach stabilen Größen Ausschau, und Marken mit Tradition können Orientierungspunkte sein. Doch während echte Fans ihre Ware so wollen, wie sie schon immer war, fordert ein sich schnell drehender Markt behutsame Modifikationen. Schon damals wirkte das grelle Orange der Creme-Dose nur einen begrenzten Zeitraum. Bald wurde es als künstlich empfunden und kam damit gegen ökologisch und gesünder inszenierte Pflegeprodukte nicht mehr an. Als dann 1983 noch das Logo verändert wurde, konnten sich die Kunden endgültig nicht mehr mit dem Produkt identifizieren. Es bleibt die spannende Frage, wie lange Creme 21 dieses Mal durchhält.

Das Alphabet der Marken-Wiederbelegungen

  • Afri-Cola: 1998 kaufte Kay Maluche die Rechte der 60er-Jahre-Marke. Der Produktmanager bei der Mineralbrunnen AG lud die Marke mit einem neuen Image auf.
  • Ahoj-Brause: Der insolvente Hersteller Friedel-Figeo übergab dem Produzenten von Katjes die Brauseproduktion. Die Tütchen ziert der bekannte blaue Matrose. Sie begeistern Kinder und besonders Jugendliche, die den Inhalt mit Wodka oder Korn herunterspülen.
  • Atari: Der französische Spielehersteller Infogrames ersetzte 2003 seinen Namen durch die bekannte Computermarke. Retrodesign und die Neuauflage alter Videospieleklassiker brachten neue Erfolge.
  • Bluna: 1994 kaufte Mineralbrunnen die Limonadenmarke aus den 50ern und gab Ihr das Image einer verrückten Brause.
  • Nil: Die Zigarettenmarke fällt auf mit ihren großen blauen Plakatwänden.
  • Pardon: 1962 in Frankfurt gegründet, wurde das literarisch-satirische Magazin Anfang der 80er Jahre eingestellt. Seit kurzem lässt ein ostdeutscher Satiriker die westdeutsche "Pardon"-Tradition aufleben
  • Salamander: Die ehemals altbackene Marke schließt seit April 2005 mit ihrer Vergangenheit ab. Mit einer Verjüngungskur sollen die Schuhe wieder verkäuflich werden.
  • Schiesser: Das Synonym für unsexy Feinrippunterwäsche, verkauft mit Schiesser Revival Unterwäsche, die man früher von Oma zu Weihnachten geschenkt bekam.
  • Telefunken: Der türkische Hersteller Profilo-Telra will die Marke wieder in den deutschen Markt für Fernsehgeräte zurückbringen.
  • TriTop: Vor vier Jahren begann der Neustart des Fruchtsirup in grellbunten Flaschen im 70er-Jahre-Design.
  • VW Käfer und Mini Cooper: Als New Beetle und Mini schafften die Kleinwagen die rasante Fahrt in die Gegenwart.

3 Kultmarkenkategorien (http://www.medialogics.de/ )

  • Die Klassiker: Kultmarken mit langer, gewachsener Historie, hoher Verlässlichkeit und starker emotionaler Bindung.
  • Die Retros: Kultmarken, die ihr Revival feiern und auf starke Kernwerte der Vergangenheit und den Wunsch zur Rückbesinnung bauen.
  • Die Freaks: Ungewöhnlich werbende, junge Kultmarken, die provokant und innovativ Bewegungen in der Zielgruppe interpretieren.

Hinweis

Das lernen Sie

  • Traditionelle Marken bieten in einer Konsumlandschaft mit immer mehr und vielfältigeren Produkten Orientierung. Sie sind eine stabile Größe für den Kunden, dem Kaufentscheidungen damit leichter fallen.
  • Wer eine Marke wiederbeleben will, sollten den bekannten Markenkern nutzen, muss diesen aber an die veränderten Anforderungen der Kunden behutsam anpassen. Schöne Erinnerungen können nur kurze Effekte erreichen. Zeitgemäßes Marketing und eine perfekte Inszenierung können auf Dauer Erfolge bringen.

Links und Quellen

Dazu im Management-Handbuch

Ähnliche Artikel

Excel-Tipps