KundenorientierungHerausforderungen für Autobauer und Zulieferer bis 2015

Weltweite Megatrends bestimmen Automobiltechnologien von morgen. Dabei verfehlen viele Innovationen die eigentlichen Kundenwünsche. Das wichtigste ist: Autos müssen trotz kostenintensiver Forschung und Entwicklung auch in Zukunft bezahlbar bleiben. Die Studie „Car Innovation 2015“ zeigt, welche Stellhebel Hersteller und Zulieferer nutzen müssen, um Innovationsführer zu werden.

Ohne wesentliche Innovationen in der Automobilindustrie ist das Konzept der individuellen Mobilität in Gefahr. Sie sind notwendig, um die globalen Herausforderungen der Branche zu bewältigen. Die Automobilunternehmen müssen mit einem ausgewogenen Innovationsmanagement dafür sorgen, dass die Autos von morgen nicht nur attraktiv für Kunden sind, sondern auch für breite Schichten bezahlbar bleiben und die immer strikteren gesetzlichen Auflagen erfüllen. Wenn dies gelingt, wird das Auto auch in Zukunft das weltweit bevorzugte Fortbewegungsmittel bleiben.

Die aktuelle Studie "Car Innovation 2015" der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt, welche Stellhebel Automobilhersteller und ihre Zulieferer nutzen müssen, um künftig zu den Innovationsführern zu gehören. Die Erfolgsfaktoren sind

  • langfristige Innovationsvisionen,
  • intelligente Geschäftsmodelle,
  • ein am Kunden orientiertes Innovationsmarketing und
  • kostengünstige Entwicklungsprozesse.

Innovationen differenzieren Marken, passen das Auto den sich wandelnden Kundenbedürfnissen an, finden Antworten auf die globalen Herausforderungen und sichern damit das Überleben der Branche. Zwei zentrale Herausforderungen sind: steigende Emissionsanforderungen und zunehmende Rohstoffknappheit. Nur über innovative und bezahlbare Technologien - vor allem bei Antriebskonzepten und bei Werkstoffen - lässt sich das volle Wachstumspotenzial von 100 Millionen Fahrzeugen bis zum Jahr 2020 realisieren.

Im Jahr 2006 erreichten die zehn innovativsten Automobilzulieferer eine um 16 Prozentpunkte über dem Branchendurchschnitt liegende EBIT-Marge. Heute investiert die Automobilindustrie jährlich etwa 68 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE) und beschäftigt weltweit 800.000 Ingenieure. Doch 40 Prozent aller FuE-Investitionen fließen in Projekte, die es nicht ins Serienauto schaffen oder die aufgrund ungenügender Kundenakzeptanz nie in ausreichender Stückzahl produziert werden. Weitere 40 Prozent werden für die Serienentwicklung sowie für die Erfüllung gesetzlicher Auflagen benötigt. Jan Dannenberg, Director bei Oliver Wyman kommentiert:

"Bisher dient nur ein Fünftel aller FuE-Investitionen der Differenzierung im Wettbewerb. Diesen Anteil auf 30 und mehr Prozent zu erhöhen, muss das Ziel aller Hersteller und Zulieferer sein."

Denn bis 2015 wird die Branche insgesamt rund 800 Milliarden Euro für FuE ausgeben - circa 40 Prozent davon werden Fehlinvestitionen sein.

Im Rahmen der Studie wurde das gesamte Umfeld von Automobilinnovationen analysiert - von globalen Megatrends und aktuellen Fahrzeuginnovationen über Kundenperspektive und wirtschaftliche Rahmenbedingungen bis hin zu strukturellen Veränderungen in der Industrie und den Best Practices von Herstellern und Zulieferern. Ziel der Untersuchung war es, die wichtigsten Faktoren erfolgreicher Innovatoren zu identifizieren. Dabei entstanden fünf Handlungsfelder für die Verbesserung des Innovationsmanagements:

  1. Orientierung von Forschung und Entwicklung am Kunden und an Marktentwicklungen,
  2. aktive Neuausrichtung des Innovationsportfolios,
  3. kontinuierliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und des Risikomanagements von FuE,
  4. Unterstützung einer offenen Organisation und Kultur, um auch Trends aus anderen Branchen übernehmen zu können, sowie
  5. regelmäßige Überprüfung der Aktualität und Stimmigkeit der Innovationsstrategie.

Megatrends bestimmen den Bedarf von morgen

Entscheidende Grundlage jeder Innovationsstrategie sind die Entwicklungsziele: Welche Autos mit welchen Features werden in zehn und mehr Jahren benötigt? Hier hilft die Analyse von Megatrends. Zu diesen gehört zum Beispiel die anhaltende Verstädterung einschließlich der Bildung von Megastädten. 2015 werden 40 Prozent der gesamten Weltbevölkerung in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern leben, zumeist mit erheblicher Parkplatznot, Stauproblemen und Emissionsbeschränkungen. Stadtautos - bisher ein Randthema der Automobilindustrie - werden daher künftig ein ernst zu nehmendes Entwicklungsziel darstellen. Der Fokus neuer Technologien könnte somit auf folgenden Bereichen liegen:

  • Infotainment,
  • Entspannung in Stausituationen,
  • zuschaltbarer Blickschutz und
  • erhöhte Sicherheit bei möglichen Überfällen.

Ein weiterer Megatrend ist die zunehmende Ungleichverteilung der Einkommen. Diese wird dazu führen, dass ein großer Teil des automobilen Wachstums bis 2015 in den unteren Fahrzeugsegmenten stattfindet. Insgesamt konnten 27 Megatrends identifiziert werden, die die gesamte Automobilindustrie betreffen. Automobilexperte und Co-Autor der Studie Jan Burgard sagt dazu:

"Die langjährige Betrachtung der Unternehmen zeigt, dass klare und dauerhaft verfolgte Visionen in Forschung und Entwicklung ein entscheidender Erfolgsfaktor sind. Unternehmen, die kurzfristige Strategieänderungen oder Budgetkürzungen vornahmen, weisen weniger erfolgreiche Innovationen sowie deutliche Mehrkosten bei Forschung und Entwicklung auf."

Die wichtigsten Fahrzeuginnovationen bis 2015

Die Oliver Wyman-Studie zeigt, dass die großen Herausforderungen der Automobilindustrie schon weitgehend durch aktuelle Innovationsprojekte abgedeckt werden. Doch die genaue Analyse von mehr als 300 sich in der Neu- und Weiterentwicklung befindenden Automobiltechnologien offenbart, dass nur rund zehn Prozent das Potenzial besitzen, Blockbuster-Innovationen zu werden. Sie haben sowohl das nötige Marktpotenzial als auch einen hohen Innovationsgrad. Allerdings bergen sie auch hohe Risiken. Denn je größer der Innovationsschritt ausfällt, desto höher sind auch die Entwicklungsrisiken wie Alltagsuntauglichkeit oder zu hohe Kosten.

Die erfolgreichsten Technologien mit einem Wachstum von acht Prozent und mehr werden Software, Halbleiter, Displays und Antriebssysteme sein. Elektrik und Elektronik bleiben auch weiterhin die wichtigsten Treiber für 60 Prozent aller Innovationen. Ihr jährliches Wachstum beträgt sechs Prozent. Um Kosten zu optimieren, wird es klare Trends zur Integration und Zusammenlegung verschiedener Funktionen sowie zu einer weiteren Standardisierung geben. Durch eine intelligente Verknüpfung bereits vorhandener Komponenten und Module wird sich der Schwerpunkt von Einzelapplikationen hin zu Systemapplikationen verlagern, die mehrere Komponenten verbinden.

Viele Innovationen gehen an den Kunden vorbei

Die Befragung von Kunden im Rahmen der Studie "Car Innovation 2015" zeigte, dass Hersteller und Zulieferer die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Endkunden nicht immer treffen. Die Kunden fühlen sich von der Menge komplizierter und erklärungsbedürftiger Innovationen sowie der Flut markenspezifischer Namen und Abkürzungen überfordert. Viele Features kennen sie nicht einmal. Ein Test bei 50 Autohändlern hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Innovationen zu erklären, enthüllte außerdem wenig Interesse am Verkauf und ein noch geringeres Wissen über Funktion und Nutzen einzelner Technologien. Im Schnitt wird heute nur eine von sechs angebotenen Innovationen auch verkauft.

Nur 17 Prozent der Innovationen werden vom Kunden gekauft

Zudem wurden 550 Neuwagenkäufer in Deutschland und in den USA zu ihrer Akzeptanz von Innovationen und zu ihrem Budget für Sonderausstattungen befragt. Das Ergebnis: Die überwiegende Mehrheit der Kunden sucht vor allem ein verlässliches Auto zu einem vernünftigen Preis. Der wichtigste Kauffaktor sind also niedrige Gesamtkosten ("Total Cost of Ownership"). Dazu der Experte Dannenberg:

"Für Hersteller wie Zulieferer ist es künftig entscheidend, ihr Innovationsportfolio laufend zu durchforsten und sich auf die viel versprechenden Innovationen mit hoher Käuferakzeptanz zu konzentrieren. Zudem muss ein integrierter und fokussierter Marketingplan bei Käufern und im Autohandel Lust auf die aktuellen Innovationen machen."

Autos müssen auch in Zukunft bezahlbar bleiben

In den industrialisierten Ländern stieg der Preis für einen Neuwagen innerhalb der letzten 20 Jahre um 100 Prozent, das Durchschnittseinkommen dagegen nur um 50 Prozent. Kosteninnovationen sind daher ein zentrales Ziel der Automobilindustrie und künftig genauso wichtig wie die traditionellen differenzierenden Innovationen. Damit das Auto auch 2015 noch bezahlbar ist und gleichzeitig Gewinne abwirft, müssen nach Berechnung von Oliver Wyman pro Auto 1.500 Euro eingespart werden. Das entspricht elf Prozent der Kosten. Kostensenkungsmaßnahmen wie Offshoring von FuE-Leistungen, Programme zur Vereinfachung, Standardisierung und Modularisierung oder der Bau von Billigautos werden der Branche helfen, die durch immer mehr Funktionalitäten verursachten Kostensteigerungen in den Griff zu bekommen.

Die FuE-Ausgaben der einzelnen Hersteller gehen dabei weit auseinander: Pro Auto investiert Spitzenreiter BMW mit 1.796 Euro fast 15 Mal so viel wie Hyundai (120 Euro pro Auto). Während westliche Hersteller ihre Forschungsgelder je Fahrzeug künftig einschränken, wird es bei chinesischen, indischen und südkoreanischen Herstellern deutliche Ausgabensteigerungen geben.

In der Gesamtsicht der Branche sind Zulieferer und Engineering-Dienstleister die Gewinner dieser Entwicklung. Sie können ihre FuE-Leistung deutlich steigern - von 46 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 66 Milliarden Euro im Jahr 2015. Oliver Wyman-Berater Burgard:

"Der weitergehende Konzentrationsprozess unter den Zulieferern wird ihre Innovationsstärke sukzessive erhöhen. Außerdem müssen sich Zulieferer zunehmend komplementäres Know-how und Kompetenzen über FuE-Partnerschaften erschließen. So können Kosten gesenkt und dennoch die Innovationsqualität gesteigert werden."

Die Innovationsgeschäftsmodelle der Zukunft

Für die Studie "Car Innovation 2015" hat Oliver Wyman die Innovationsstrategien der erfolgreichsten Automobilunternehmen untersucht. Aus den Ergebnissen entstand das "Innovation Strategy Framework". Entsprechend den Anforderungen an das jeweilige Geschäftsmodell müssen demnach vier miteinander verbundene Elemente wie Zahnräder ineinandergreifen:

  1. das Innovationsversprechen an den Kunden,
  2. die richtigen FuE-Kompetenzen im Innovationsnetzwerk,
  3. überzeugende Business Cases für jede Innovation sowie
  4. die Innovationsorganisation.

Auch in Zukunft werden automobile Innovationen eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der individuellen Mobilität spielen, meinen die Experten. Die großen Aufgaben der Branche liegen in der Verringerung des Kraftstoffverbrauchs, der Emissionen, des Rohstoffverbrauchs und der Kosten. Neben diesen großen Zielen muss die Forschung und Entwicklung der Unternehmen künftig näher an Kunden und Vertrieb rücken, um überflüssige Projekte soweit wie möglich zu vermeiden und die Akzeptanz von Neuentwicklungen zu verbessern.

Hinweis

Die Studie "Car Innovation 2015"

"Car Innovation 2015" zeigt alle Aspekte auf, die für die Planung und das Management von Innovationen relevant sind. Mehr als 30 Oliver Wyman-Automobilexperten haben über neun Monate an der Studie gearbeitet. Neben Erkenntnissen aus fünf Jahren Projektarbeit wurden 700 Personen interviewt und die mehr als 300 wichtigsten Technologien der Automobilindustrie analysiert. Zudem wurden 500 Zulieferer und 15 Hersteller berücksichtigt. Aus den umfangreichen Ergebnissen entstanden schließlich Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Innovationsmanagements für alle Hersteller und Zulieferer. Sie zeigen, wie Unternehmen der Automobilindustrie ihr Innovationsmanagement anlegen und strukturieren sollten. Mehr unter:

Innovationsmanagement in der Automobilindustrie

Zehn Erfolgsfaktoren für FuE in der Automobilindustrie

Technologische Vision:  Top-Performer entwickeln eine langfristige Innovationsvision und verfolgen diese, ohne sich dabei von kurzfristigen Trends beirren zu lassen.

Kundenkenntnis: Das Verständnis der Kundenpräferenzen ermöglicht Unternehmen, ihre Innovationsprojekte besser auf kundenrelevante Aspekte zuzuschneiden.

Strategischer Fit: Erfolgreiche Hersteller und Zulieferer synchronisieren ihre FuE-Strategien zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit den jeweiligen Zielkunden und Netzwerkpartnern.

Kompetenzfokus: Die besten Innovatoren weisen eine hohe Übereinstimmung zwischen ihren FuE-Kompetenzen und ihrer FuE-Strategie auf.

Strategische Partnerschaften: Mit zunehmender Komplexität werden FuE-Netzwerke zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor, auch für Zulieferer.

Investmentfokus: Die FuE-Budgetierung muss von laufenden Geschäftsanforderungen unabhängig sein. Kurzfristige Änderungen der FuE-Ausrichtung kosten unverhältnismäßig viel.

Ausrichtung an Megatrends: Die Orientierung der langfristigen FuE-Ziele an Megatrends trägt wesentlich dazu bei, dass FuE-Investitionen nicht ins Leere gehen. Denn Megatrends sind vorhersehbar.

Kostenfokus: Innovationsführer haben stets einen sehr strikten Kostenfokus. Die Verringerung der Stückkosten ist einer der Eckpfeiler ihrer Innovationsanstrengungen.

Outside-In-Strategie: Top-Performer konzentrieren sich auf Innovationen, die der Markt akzeptiert, und beenden frühzeitig Projekte mit geringen Ertragschancen.

Einbeziehen der Mitarbeiter: Unternehmen, die Mitarbeiter auf allen Ebenen in ihre FuE einbeziehen, sind wesentlich erfolgreichere Innovatoren.

[jf; Quelle Oliver Wyman]

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