KundenrückgewinnungAuf der Suche nach einem verlorenen Schatz

Warum ein Kundenrückgewinnungsmanagement immer wichtiger wird.

Ein kürzlich durchgeführtes Studienprojekt des Fachbereichs Wirtschaft der Hochschule Darmstadt in 130 Unternehmen aus den Bereichen B2B und B2C zum Thema Kundenrückgewinnung brachte Folgendes zutage: Erst 61 Prozent der befragten Unternehmen hatten bereits fallweise oder dauerhaft Maßnahmen zur Reaktivierung verlorener Kunden ergriffen. Mehr als die Hälfte der übrigen Unternehmen zeigten sich aber für künftige Rückgewinnungsaktivitäten aufgeschlossen.

Warum nur so zögerlich? In aller Regel ist es nicht nur kostengünstiger, sondern häufig auch leichter, abgesprungene Kunden zurückzuholen, als mühsam neue Kunden zu gewinnen. Denn oft waren es nur Kleinigkeiten, die für Verärgerung und Missstimmung gesorgt haben. Wir Menschen vergessen meist schnell und verzeihen gern. Viele ehemalige Kunden wären demnach bereit, ihren Ex-Anbietern eine zweite Chance zu geben, würde man sie nur gebührend darum bitten, etwaige Probleme aus der Welt schaffen – und ihnen das Comeback ein wenig versüßen.

Die drei Säulen des Kundenmanagements

Unternehmen können auf drei Arten Umsatz hinzugewinnen, und zwar

  • durch loyale Kunden, also solche, die dem Unternehmen und seinen Leistungen emotional verbunden sind, die deshalb immer wieder kaufen und zu aktiven Empfehlern werden

>>> das ist der ergiebigste Weg

  • durch neue Kunden, die zum ersten Mal bei einem Unternehmen kaufen

>>> das ist der aufwendigste und kostenintensivste Weg

  • durch abgesprungene, also ehemalige Kunden, die zurückgewonnen werden können

>>> das ist der am wenigsten beachtete Weg.

Die Neukunden-Gewinnung ist in vielen Branchen völlig ausgereizt. Die Märkte sind gesättigt. Erstnutzer werden immer seltener. Das Wachsen geht meist nur noch zulasten des Wettbewerbs – und oft über ruinöse Preiszugeständnisse. Auch die Bestandskundenpflege wird zunehmend beschwerlich. Kunden sind informierter, gewiefter und flatterhafter geworden – und eigentlich nie so richtig zufrieden. Klassische Kundenbindungsstrategien funktionieren nicht mehr. Die Wechselbereitschaft ist sozial akzeptiert. Und sie steigt dramatisch. Das neue Phänomen heißt: der flüchtende Kunde.

Da bleibt nur noch die dritte Säule im Kundenbeziehungsmanagement: der verlorene Kundenbestand: ein vielfach tabuisiertes und weitgehend noch unentdecktes Potenzial mit gewaltigen Ertrags-Chancen. Die professionelle Kundenrückgewinnung muss somit stärker in den Brennpunkt rücken. Sie kann sich zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil entwickeln.

Die drei Säulen des Kundenmanagements:

  1. Neugewonnene Kunden 
  2. Loyale Bestands-Kunden
  3. AbgewanderteKunden 

In vielen Unternehmen konzentrieren sich die Aktivitäten auf die beiden ersten Säulen. Abgewanderte Kunden sind oft vergessene Kunden.

Der Prozess des Kundenrückgewinnungsmanagements

Das Kundenrückgewinnungsmanagement, im englischen als Customer Recovery bezeichnet, beginnt dort, wo alle Loyalisierungsmaßnahmen erfolglos blieben, wenn also der Kunde die Geschäftsbeziehung offiziell beendet beziehungsweise das Unternehmen stillschweigend verlassen hat. Demnach ergeben sich folgende Ansatzpunkte:

  • das Kündigungsmanagement mit dem Ziel des Abwehrens beziehungsweise der Rücknahme von Kündigungen
  • das Revitalisierungsmanagement mit dem Ziel der Wiederaufnahme der abgebrochenen beziehungsweise eingeschlafenen Geschäftsbeziehung.

Insbesondere geht es darum, zu erkennen, wer aus welchen Gründen abgewandert ist und wen man wie zurückholen kann und will, um es im zweiten Anlauf besser zu machen. Der Prozess des Rückgewinnungsmanagements lässt sich somit in fünf Schritten darstellen:

  1. Identifizierung der verlorenen beziehungsweise 'schlafenden' Kunden
  2. Analyse der Verlustursachen
  3. Planung und Umsetzung von Rückgewinnungsmaßnahmen
  4. Erfolgskontrolle und Optimierung
  5. Prävention beziehungsweise Erzielung einer ‚zweiten Loyalität’

Alle Maßnahmen zielen letztlich auf den fünften Schritt: der Prävention von Kundenverlusten. Und bei den zurückgewonnenen Kunden gilt es, eine ‚zweite Loyalität’ aufzubauen. Eine dritte Chance gibt es so gut wie nie.

  • Identifizierung der verlorenen bzw. ‚schlafenden‘ Kunden
  • Analyse der Verlustgründe
  • Maßnahmen zur Rückgewinnung
  • Erfolgskontrolle und Optimierung
  • Prävention

Der Prozess des Kundenrückgewinnungsmanagements

Die Erfolgskontrolle der durchgeführten Maßnahmen führt zu Optimierungsaktivitäten in den vorangegangenen Schritten. Alle Erkenntnisse aus diesem Prozess zielen auf präventive Maßnahmen, um zukünftige Kundenabwanderungen zu minimieren beziehungsweise eine ‚zweite Loyalität’ aufzubauen.

Noch besser als verlorene Kunden zu reaktivieren ist es allerdings, erst gar keine zu verlieren. Je länger ein Unternehmen einen rentablen Kunden hält, umso mehr Gewinn kann es durch ihn erzielen. Oberstes Ziel sollte es daher sein, möglichst keinen einzigen profitablen Kunden zu verlieren, den man behalten will. 

Die Bedeutung des Kundenrückgewinnungsmanagements

Hohe Fluktuationsraten haben einen verheerenden Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens. Wenn zudem noch die ertragreichsten Kunden wegbrechen, ist das Ende nah. Die Richtigen - also profitable und rückholbare Kunden - zu reaktivieren, hat eine ganze Reihe von Vorteilen:

Ertragsvorteile

Das Abwandern von Kunden ist ein zweifacher ökonomischer Verlust, denn es gehen nicht nur Umsätze verloren. Wegbrechende Kunden erhöhen auch die Kosten für die Neuakquise. So hat Christa Sauerbrey im Rahmen einer Untersuchung in 17 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen festgestellt, das bei über 90 Prozent der Fälle die Kosten der Kundenneugewinnung mehr als doppelt so hoch waren als die für die Kundenrückgewinnung.

Weil die Kundenreaktivierung also vergleichsweise günstiger ist, werden Vertriebsaufwendungen und Werbebudget eines Unternehmens geschont. Daneben steigt vielfach im zweiten Anlauf, wenn er gut gemacht ist, auch der Umsatz. Und der zurückgewonnene Kunde bleibt dem Unternehmen dieses Mal länger treu. So verbessert sich insgesamt die Ertragsstruktur des Kundenstammes und damit letztlich auch der Unternehmenswert.

Loyalitätsvorteile

Die ‚Restloyalität’ aus der ersten Geschäftsbeziehung kann genutzt werden, um eine Reloyalisierung einzuleiten, also eine ‚zweite Loyalität’ aufzubauen. Werden zurückgewonnene Kunden besonders fürsorglich behandelt, lässt sich in ihrem ‚zweiten Leben’ beim Unternehmen oftmals ein höherer Kundenwert erzielen als beim ersten Mal. Denn die emotionale Verbundenheit und damit auch die Kaufbereitschaft eines Kunden steigen schnell, wenn sich das Unternehmen kooperativ mit seinem Fall beschäftigt, die Wichtigkeit des Kunden anerkennt, und wenn es sich für Unachtsamkeiten entschuldigt sowie etwaige Mängel umgehend beseitigt.

Reputationsvorteile

Wer sich um seine abgewanderten Kunden kümmert, wird negative Mundpropaganda eindämmen können. Wenn ein Kunde einem Unternehmen den Rücken kehrt, redet er über die dafür ausschlaggebenden Gründe ja meist mit vielen Menschen. Und nicht nur das. Nicht selten bringt er diese dazu, das Unternehmen ebenfalls zu verlassen. Andererseits beginnt der, der zurückkehrt, mit positiver Mundpropaganda. Denn er muss sich selbst und der Welt ja glaubhaft erklären, weshalb er seine Meinung so offensichtlich geändert hat.

Konkurrenzvorteile

Wer ein aktives Rückgewinnungsmanagement betreibt, erfährt eine Menge Interna über den Wettbewerb. Kunden, auch wenn sie nicht zurückzuholen sind, können erzählen, aus welchen Gründen es ihnen dort besser gefällt. Und zurückgekehrte Kunden schildern, wenn sie klug befragt werden, in allen Einzelheiten, wie es beim lieben Mitbewerber zuging. All dies lässt sich nicht nur in der Neukunden-Akquise, sondern möglicherweise auch bei der Aktualisierung der eigenen Geschäftspolitik sowie bei zukünftigen Rückgewinnungsaktionen prima nutzen.

Wissensvorteile

Misserfolge sind gute Lehrmeister. Und Rückkehrer sind kostenlose Unternehmensberater. Sie sind meist gesprächsbereit und werden ihre Wechselmotive mehr oder weniger offen darlegen. Im Unterschied zu klassischen Kundenzufriedenheitsbefragungen gehen gut gemachte Rückgewinnungsinterviews dabei meist stärker in die Tiefe, um den wahren Gründen für die Beendigung einer Geschäftsbeziehung auf die Spur zu kommen.

Hierdurch kann man eine Menge lernen – wenn man diese mitunter nicht ganz schmerzfreien Lektionen lernen will. Dem Unternehmen bietet sich hierdurch die Chance, Fehlerkosten zu senken und seine Leistungen nicht nur für diesen, sondern auch für alle anderen Kunden zu optimieren. Reklamationen und Abwanderungen können so in Zukunft reduziert werden.

Hoffentlich jedenfalls. Denn noch allzu oft versickern die wertvollen Informationen, die der Vertrieb bei Gesprächen mit Abtrünnigen zusammengetragen hat, in langen Berichten, in dicken Akten und vollen Datenbanken. Leider gelangen sie nicht immer dorthin, wo sie Gutes bewirken könnten: im Kundendienst, in der Produktion, im Marketing, im Einkauf sowie in Forschung und Entwicklung. Und genau darin liegt die einzige Gefahr, die im Rückgewinnungsmanagement lauert: Durch unprofessionelles Vorgehen die Kunden nun endgültig und auf immer und ewig zu vergraulen.

Fazit

Je länger ein Unternehmen einen rentablen Kunden hält, umso mehr Gewinne kann es durch ihn erzielen. Oberstes Ziel sollte es daher sein, keinen einzigen Kunden zu verlieren, den man behalten will. Hohe Kundenloyalität und niedrige Abwanderungsraten sichern den dauerhaften Geschäftserfolg. Das systematisch betriebene Kundenrückgewinnungsmanagement ist ein äußerst wirkungsvoller Baustein auf dem Weg zu diesem Ziel.

Dazu im Management-Handbuch

Ähnliche Artikel

Excel-Tipps