Langeweile und RoutineWie der Arbeitsplatz die Motivation beeinflusst
„Ich mach nur noch Dienst nach Vorschrift“ – nach dieser Devise handeln inzwischen rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer, wie eine Studie der Unternehmensberatung Gallup in 2010 herausgefunden hat. Jeder fünfte Mitarbeiter hat bereits innerlich gekündigt und nur etwa jeder achte Mitarbeiter ist noch engagiert bei der Sache. Den wirtschaftlichen Schaden, der durch niedrige Motivation jedes Jahr entsteht, beziffert Gallup auf rund 120 Milliarden Euro. Es ist keine Frage, dass Mitarbeiter motiviert und engagiert sein sollen, aber wie kann man das erreichen?
Einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation eines Mitarbeiters hat die Gestaltung seines Arbeitsplatzes. Wirkt die Tätigkeit selbst motivierend auf den Mitarbeiter? Kann die Motivation vielleicht durch Umgestaltung der Tätigkeit erhöht werden? Dazu muss man sich zuerst ansehen, welche verschiedenen Einflussfaktoren einen Arbeitsplatz bestimmen. Der Psychologe J. Richard Hackman hat zusammen mit Greg Oldham das „Job Characteristics Model“ entwickelt, mit dessen Hilfe ein Arbeitsplatz in fünf verschiedenen Dimensionen beschrieben werden kann.
Die Stellschrauben der Motivation
Die erste Dimension beschreibt die Vielfältigkeit der ausgeführten Tätigkeit. Braucht der Mitarbeiter zur Erfüllung seines Jobs verschiedenartige Fertigkeiten und Kenntnisse? Eine hohe Ausprägung dieser Dimension hätte zum Beispiel die Arbeit eines Kfz-Meisters in einer Werkstatt, der an der Bordelektronik arbeitet, Motoren repariert, Karosseriebauteile lackiert und Kontakt mit den Kunden hat. Demgegenüber hat eine Tätigkeit, bei der den ganzen Tag nur Kotflügel lackiert werden, eine niedrige Vielfalt.
Der zweite Faktor beschreibt Umfang der Tätigkeit innerhalb der Wertschöpfung. So hat jemand, der einen Schrank entwirft, das Holz aussucht, bearbeitet und den Schrank am Ende zusammenbaut, eine höhere Anteilnahme am gesamten Prozess als jemand, der in einer Fabrik die Maschine bedient, die Tischbeine drechselt.
Eine weitere Größe, die den Arbeitsplatz beschreibt, ist der Grad, zu dem eine Tätigkeit die Arbeit oder das Leben anderer Menschen beeinflusst. Die Arbeit einer Krankenschwester, die auf der Intensivstation eines Krankenhauses die verschiedenen Bedürfnisse der Patienten versorgt, hat einen höheren Einfluss auf das Leben anderer Menschen als die Arbeit des Raumpflegers, der in dem Krankenhaus den Boden wischt.
Diese drei Dimensionen beschreiben die Bedeutung einer Tätigkeit für den Mitarbeiter. Darüber hinaus definiert die vierte Dimension des Job Characteristics Model das Maß der Selbstständigkeit. Hat der Mitarbeiter Freiheiten, Entscheidungen selber zu treffen? Kann er sich seine Arbeit einteilen oder muss er sich an einen streng organisierten Zeitplan halten? Einen niedrigen Grad an Selbstständigkeit hätte zum Beispiel ein Mitarbeiter, der im Kundenkontakt Gespräche nach standardisierten Regeln führen muss und nicht auf die Besonderheiten der einzelnen Kunden eingehen kann. Hohe Selbstständigkeit hätte hingegen ein Verkäufer, der für jeden Kunden individuell einen Verkaufsansatz wählen kann und selbst entscheidet, welche Produkte er dem Kunden verkaufen möchte.
Die fünfte Einflussgröße beschreibt Art und Umfang der Rückmeldung, die ein Mitarbeiter über seine Arbeitsergebnisse bekommt. Direkte und klare Informationen bekommt zum Beispiel ein Arbeiter, der MP3-Player nicht nur zusammenschraubt, sondern diese auch gleich auf Funktion überprüft. Würden die MP3-Player nach dem Zusammenbau weiter zu einer anderen Stelle zur Funktionsüberprüfung gehen, würde der Arbeiter nur wenig oder gar keine Rückmeldung über das Ergebnis seiner Arbeit erhalten.
Der Arbeitsplatz muss geändert werden!
Die fünf Dimensionen des Job Characteristics Model nehmen alle Einfluss auf die Motivation eines Mitarbeiters. Eine hohe Ausprägung einer Dimension wirkt sich positiv auf die Motivation und damit die Arbeitsergebnisse aus, während niedrige Ausprägungen negativen Einfluss ausüben. Um den motivierenden Einfluss zu erhöhen, können einzelne Stellschrauben verändert werden.
Eine Methode, die Bandbreite der benötigten Fähigkeiten zu erhöhen, ist Job Rotation („Arbeitsplatzwechsel“). Dabei tauschen Mitarbeiter innerhalb einer Gruppe bestimmte Aufgaben oder sogar ihren kompletten Arbeitsplatz nach einem bestimmten Zeitintervall. Durch diesen Wechsel wird eventueller Langweile und Eintönigkeit vorgebeugt und zugleich die Motivation erhöht, da Mitarbeiter eine größere Bandbreite an Fertigkeiten einsetzen können. Darüber hinaus wächst das Verständnis der Mitarbeiter für die Bedürfnisse anderer Bereiche des Unternehmens, was sich positiv auf die Zusammenarbeit auswirkt. Das gesamte Unternehmen profitiert von diesem Wissensaufbau und –transfer. Natürlich darf man dabei nicht übersehen, dass Job Rotation auch mit erhöhtem Aufwand für die Beteiligten verbunden ist, da regelmäßig neue Mitarbeiter in Abläufe und Prozesse eingearbeitet werden müssen.
Eine weitere Möglichkeit, die Bandbreite der Anforderungen zu erhöhen, ist Job Enlargement („Aufgabenerweiterung“). Bei dieser Ausweitung des Arbeitsumfeldes übernimmt der Mitarbeiter Tätigkeiten, die bisher nicht in seinen Aufgabenbereich fielen. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten auf der gleichen Hierarchieebene (horizontale Erweiterung). So kann beispielsweise ein Mitarbeiter, der bisher die Post sortiert hat, diese auch gleich zu den entsprechenden Empfängern im Unternehmen transportieren. Bei der Erweiterung der Aufgabenbereiche von Mitarbeitern muss darauf geachtet werden, dass die Mitarbeiter nicht mit lästigen Nebentätigkeiten überfrachtet werden und man aus einem demotivierenden Job drei macht.
Auf den ersten Blick sind sich Job Enlargement und Job Rotation sehr ähnlich – die Motivation wird erhöht durch einen breiteren Einsatz von Fertigkeiten. Bei Job Rotation wechseln Mitarbeiter den Arbeitsplatz, während sich an den Anforderungen selber nichts ändert. Bei Job Enlargement jedoch wird der Arbeitsplatz selbst verändert, um ein breiteres Spektrum an Fertigkeiten einzusetzen.
Eine weitere Möglichkeit, den Arbeitsplatz selbst umzugestalten, ist Job Enrichment („Aufgabenbereicherung“). Dabei wird das Aufgabenfeld nicht horizontal erweitert, sondern um Tätigkeiten aus einer weiter oben befindlichen Hierarchie beziehungsweise Verantwortungsebene (vertikal) bereichert. Dies erhöht nicht nur die Bandbreite der benötigten Fertigkeiten wie bei Job Enlargement, sondern wirkt auch auf die anderen Dimensionen des Job Characteristics Model. Da Mitarbeiter auch Aufgaben übernehmen, die der Planung, Kontrolle und Bewertung der Arbeit dienen, wird auch deren Grad an Verantwortung und Selbstbestimmung erhöht. Durch die Bewertung ihrer Arbeit können Mitarbeiter eine direkte Rückmeldung über ihre Ergebnisse erfahren.
Ein Großteil der Motivation der Mitarbeiter wird also durch die Gestaltung des Arbeitsplatzes beeinflusst. Langweilige und monotone Arbeiten mit wenig Gestaltungsspielraum wirken eher demotivierend auf Mitarbeiter als Tätigkeiten, bei denen Mitarbeiter sich engagieren können und merken, dass die Arbeit, die sie tun, wichtig ist. Die Wirkung der verschiedenen Facetten eines Arbeitsplatzes auf die Motivation des Mitarbeiters kann durch ein Umgestalten positiv beeinflusst werden.