Lob und Motivation für gute Leistungen
Der Mitarbeiterwunsch Nummer eins an den Chef lautet: mehr Lob, mehr Anerkennung, mehr Wertschätzung, mehr Respekt! Doch in vielen Unternehmen ist Loben ein rares Gut. Einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK von 2011 zufolge nahmen knapp 55 Prozent der befragten 28.000 Beschäftigten aus 147 Unternehmen von ihrem Vorgesetzten Lob nie beziehungsweise nur selten wahr. Ein erschütterndes Ergebnis! Dabei gibt es gar keinen Zweifel daran, dass eine positive Feedbackkultur für die unternehmerische Wertschöpfung von hoher Bedeutung ist.
Feedback am besten sofort!
Es gibt genügend Führungskräfte, die geizen nicht nur mit Lob, sie sammeln es auch wie Rabattmarken. Volle Heftchen werden erst beim Jahresgespräch ausgeteilt. Da sollte man sich einmal fragen: Würden Sie einem Hund das Leckerli für gehöriges Tun erst nach monatelangem Warten geben? Oder ein Kleinkind für die ersten tapsigen Gehversuche Wochen später loben?
Feedbacks sind Rückmeldungen über die erbrachten Leistungen. Sie geben uns die Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Zügige Rückmeldungen sind im unternehmerischen Alltag daher elementar – und für die Internetgeneration unumgänglich. Denn ihr Gehirn ist auf kurz und schnell kalibriert, es hat sich an sofortiges Feedback gewöhnt. So wird es etwa bei Online-Games für vollbrachte Spielleistungen postwendend belohnt: mit Status-Upgrades, immer höheren Levels oder Bonuspunkten. Ähnliches gilt für Facebook & Co. Status-Updates werden mit sofortigen „Likes“ quittiert und gewürdigt. Social Networks und digitale Geräte sind perfekte Feedbackgeber – und genau deshalb haben sie Suchtpotenzial.
Von ihrer Führungskraft erwarten „Digital Natives“, die jetzt ans Ruder kommen, nun das gleiche wie von einem Online-Game: ihren Punktestand, und zwar sofort und jeden Tag! Erbrachte Arbeitsleistungen werden fortan nicht nur mündlich kommentiert, sondern von fortschrittlichen Arbeitgebern auch mittels eines Sterne-Bewertungssystems bepunktet und in einem digitalisierten Entwicklungsplan zwecks Potenzialoptimierung abgelegt. „Gamification“, also der Einbau spielerischer Elemente, heißt dieser neue Trend. In einem solchen Szenario positive Rückmeldungen bis zum Jahresgespräch vorzuenthalten ist tödlich!
Lob ist wie Sauerstoff für das tägliche Wollen der Mitarbeiter, denn es setzt im zerebralen Belohnungssystem einen Cocktail aus Dopamin, Oxytocin und weiteren Glücksbotenstoffen frei. Dieses beflügelnde Gemisch fördert nicht nur Arbeitsfreude, Wagemut und Leistungskraft, es stärkt auch unser Immunsystem und hält uns fit für immer neue Aufgaben. So unterstützt eine ausgeprägte Lobkultur die Firmen auf dem Weg zum Erfolg und schützt sie vor hohen Krankenständen und langen Fehlzeiten.
Mitarbeiter wollen geachtet sein
Hinlänglich bekannt ist: Unser Gehirn will weg vom Negativen, hin zum Positiven – und zwar möglichst sofort. Doch Anstrengung muss sich lohnen, sonst fährt es in den Energiesparmodus zurück. Der Verhaltensbiologe Felix von Cube sagte einmal:
„Tatsächlich nutzt der Mensch fast jede Gelegenheit sich zu erhöhen und bezeugt Wohlwollen und Dankbarkeit dem gegenüber, der eine solche Erhöhung vornimmt oder auch nur verspricht.“
Aber bedeutet permanente Motivation nicht Demotivation? Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Ein Mitarbeiter bringt Leistung nie nur für sich selbst, sondern auch für sein Umfeld, also auch für seine Führungskraft. Denn er will in der Gemeinschaft, die ihm wichtig ist, ein geachtetes Mitglied sein. Und er will Leistung gewürdigt wissen. Natürlich braucht es als Basis ein dickes Paket intrinsischer Motivation, doch mit dem Applaus von außen verdoppelt sich der Effekt. Wir kennen das vom Spitzensport: Bei großen Sportereignissen, denen die ganze Welt zusieht, purzeln die Rekorde. Motivation benötigt also auch extrinsische Auslöser.
Wenn Lob und Anerkennung ganz offensichtlich eine Fülle von Vorteilen bringen, wieso tun sich viele Chefs dann so schwer damit? Sind sie blind oder taub für Menschlichkeit? Oder geht es da vielleicht um überholtes Hierarchiegehabe, bei dem die Klärung der Rangordnung einen so hohen Stellenwert hat? Es ergeben sich zwei Varianten:
Starke Leader
Sie beherrschen die Kunst des aufrichtigen Lobens und betreiben jede Form von echt gemeinter Anerkennung und zeigen Wertschätzung richtig dosiert. Sie erhöhen damit die Menschen in ihrem Umfeld und beflügeln sie so zu Spitzenleistungen. Denn Menschen verstärken Verhalten, für das Sie Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung erhalten. Und sie wiederholen Verhalten, für das sie belohnt werden.
Schwache Leader
Sie hingegen haben Angst um ihren Status und erniedrigen die Menschen in ihrer Umgebung, nehmen ihnen die Würde. Meist wollen sie damit ihre eigene Kleinheit überspielen. Doch wer seine Mitarbeiter so behandelt, wird nichts Großes von ihnen erwarten können. Und wer nicht loben kann, wird feststellen, dass es in seinem Bereich bald keine lobenswerten Leistungen mehr gibt.
Führungskräfte, die Spitzenleistungen wollen, versorgen ihre Mitarbeiter also besser mit positiven Kicks, anstatt sie emotional verhungern zu lassen.
Gut und richtig loben
Ein Lob kann verbal und nonverbal passieren; nicht selten reicht schon eine wohlwollende Geste aus. Beide Varianten sind wie Wegweiser auf der Straße zum Erfolg, und Lob ist somit ein Steuerungsinstrument: Achten Sie darauf, wen Sie loben, wofür Sie loben und wie stark Sie dosieren, denn man wird Sie genau beobachten. Die, die gelobt werden wollen, richten ihr Verhalten danach aus.
Genau wie beim Fehlergespräch kann man auch beim Loben vieles richtig und manches falsch machen. Die amerikanische Wissenschaftlerin Carol Dweck von der Stanford University hat zum Beispiel festgestellt, dass Mitarbeiter ihre Anstrengungen verstärken, wenn sie für Einsatz und Mühe gelobt wurden. Das Loben von Intelligenz erzielte diesen Effekt jedoch nicht.
Das „Wie“ spielt also beim Feedback eine entscheidende Rolle. Keinesfalls darf ein Lob platt, vordergründig oder manipulativ gegeben werden. Ein gutes Lob ist zeitnah, persönlich, aufrichtig und begründet. Wer erklärt, weshalb er lobt, wirkt authentisch und zeigt, dass er sich mit dem Engagement seiner Mitarbeiter intensiv auseinandersetzt. Wichtig ist auch eine Leistung zu loben, die für den Mitarbeiter etwas Besonderes war. Und, wie der Neurowissenschaftler Christian Elger meint:
„Je unerwarteter und damit ungewöhnlicher ein Lob, desto stärker aktiviert es das Belohnungssystem.“
Instrumentalisiertes Loben ist somit tabu. Anerkennungsgespräche explizit in die Zielvereinbarungen einer Führungskraft aufzunehmen, ist sicher eine gute Sache. Doch einige Firmen haben inzwischen damit begonnen, Lobtage einzuführen oder Lobkonten einzurichten. So wird Lob zur Pflichterfüllung, und genauso kommt das dann bei den Mitarbeitern an – mit dem entsprechend bitteren Nachgeschmack. Die meisten Menschen haben nämlich ein gutes Intuitionsradar für richtig und falsch.
Menschen sind verschieden. Deshalb ist es auch beim Loben ein Fehler, von sich selbst auszugehen. Weil die Eigenmotivation vieler Führungskräfte von Natur aus hoch ist, oder weil sie selbst nie Lob von Oben erhalten, verwehren sie das auch ihrer Umgebung. Doch nicht jeder strotzt vor Selbstvertrauen und ist so zäh. Wer seinen Mitarbeitern keine Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit gibt, lässt sie im Ungewissen über die Güte ihrer Leistung. Sie verlieren die Orientierung und irren herum, werden lethargisch oder glauben, dass ihr Verhalten nicht richtig sei und ändern das Falsche.
Es gibt auch Chefs, die glauben, fehlende Anerkennung führe zu verstärkten Anstrengungen. Das ist, wenn überhaupt, höchstens im Einzelfall möglich. Viele Chefs meinen: Wenn ich meine Mitarbeiter lobe, bekommen sie Oberwasser, werden übermütig und frech, und wollen am Ende mehr Geld. Ja, dieses Restrisiko besteht. Solche Mitarbeiter gibt es, doch es sind Ausnahmen. Wollen Sie allen Ernstes Ihren wertvollen Mitarbeitern Lob generell verwehren, nur weil es derartige Schmarotzer gibt? Setzen Sie öfter die „Fehlersuchbrille“ ab und die „Lobsuchbrille“ auf. Wer Gutes sucht, wird Gutes finden. Menschen machen viel mehr richtig als falsch!
Ein Positiv-Konto anlegen
Während die Mitarbeiter in alten, produktionsorientierten Unternehmensstrukturen vornehmlich nach Vorgaben und Anweisungen arbeiten, brauchen die Mitarbeiter in einer serviceorientierten Wissensökonomie Möglichkeitsräume und ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Hierdurch steigen auch die Fehlermöglichkeiten – und das ist gut so. Denn nur wer nichts macht, macht auch keine Fehler. Führungskräfte haben demnach immer öfter auch die Aufgabe, konstruktive Fehlergespräche zu führen. Selbst, wenn das gut gelingt, bleibt bei dem, der Feedback erhält, womöglich eine persönliche Betroffenheit.
Denn Lob wie auch Tadel kommen immer auf zwei Ebenen an: auf der Sachebene und auf der Beziehungsebene. Damit das emotionale Konto im Plus verbleibt und auf diese Weise auch Belastungen übersteht, hilft ein Guthaben an Lob auf der Habenseite. Fehlen hingegen Lob und Anerkennung, rutscht das Beziehungskonto ins Minus, wodurch der Leistungswille ganz schnell sinkt und die Performance in den Keller geht. Ein Verhältnis von drei zu eins zugunsten des Lobs ist ein Minimum, fünf zu eins ist besser, sieben zu eins optimal.
Summa Summarum: Für Unternehmen, die Spitzenleistungen wollen, ist eine Kultur des Nicht-Lobens tödlich. Jede Wertschätzung ist eine Wonne für die Seele und damit Gold wert für die Motivation. Achten Sie insbesondere auch auf die Stillen und Unauffälligen, die ihre guten Leistungen nicht lautstark zu Markte tragen! Gerade die, die gerne im Hintergrund bleiben, brauchen emotionale Unterstützung. Und: Vergessen Sie nicht, auch die weniger sichtbare denkerische Arbeit Ihrer Beschäftigten zu würdigen. Denn Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft.