Management-VerantwortungFreiräume schaffen für Kreativität und innovative Ideen

Die Kreativität der Mitarbeiter ist Grundlage für neue Ideen und erfolgreiche Innovationen. Doch viele Führungskräfte blockieren diesen Prozess, indem sie falsche Rahmenbedingungen schaffen, zu starre Regeln vorgeben oder ihre Mitarbeiter demotivieren. Statt dessen sollten sie: Informelle Kooperationen stärken, Aufmerksamkeit investieren, Ideen kanalisieren und für gute Stimmung sorgen.

Die Kreativität von Künstlern wird oft bestaunt. Wie schaffen die es nur, auf solche Ideen zu kommen? Schnell wird das als natürliche Begabung gesehen, die man hat – oder eben nicht. Doch Kreativität ist keine Frage des Zufalls. Sie lässt sich fördern, trainieren und indirekt sogar managen. Und sie ist gerade jetzt in den Unternehmen gefragt. Denn wenn die Wirtschaft durchgerüttelt wird, Aufträge ausbleiben, manche Wettbewerber oder Kunden pleitegehen, dann gibt es bei genauerem Hinsehen immer auch Chancen für neue Ideen und Produkte. Voraussetzung ist: Den Prozess der Ideenfindung vorantreiben.

Führungskräfte tragen dabei eine besondere Verantwortung. Sie müssen förderliche Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die notwendige Kreativität entfalten kann. Doch in der Praxis geschieht allzu oft das Gegenteil:

  • Kreativ sein, das sollen ihrer Meinung nach nur wenige, ausgewählte Personen, die dafür bezahlt werden. Manche Führungskräfte meinen sogar, nur sie selbst seien kreativ. Aber letztlich besitzen alle Mitarbeiter dieses Potenzial.
  • Wenn es heißt: Machen wir mal ein Brainstorming, dann sitzen immer dieselben zusammen, die sich gut kennen. Denn scheinbar geht es so schneller und effizienter. Dabei entstehen die richtig guten Ideen erst, wenn ganz unterschiedliche Sichtweisen aufeinanderprallen, wenn die beteiligten Personen aus vielen verschiedenen Bereichen kommen und ihr jeweiliges Wissen und ihre Erfahrungen zusammenführen. Das macht den Prozess manchmal zäher, aber das Ergebnis meistens viel besser.
  • Führungskräfte wissen nicht, wann sie den kreativen Prozess ungesteuert laufen lassen müssen und wann sie ihn kanalisieren müssen. Häufig wird die Schere „Das geht doch nicht“ viel zu früh angesetzt. Oder die vielen Ideen verpuffen, weil sie nicht ausreichend geprüft, bewertet, ausgewählt und – die besten – vorangetrieben werden.

Hier liegen auch die Ansatzpunkte, um die Kreativität und die Ideenfindung im Unternehmen zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese sich optimal entfalten können – und die Ergebnisse auch Nutzen stiften. Die beiden Professorinnen der Harvard Business School, Teresa M. Amabile und Mukti Khaire, organisierten im Dezember 2007 eine Konferenz, in der es um die Bedeutung von Kreativität in Unternehmen ging und um die Frage: Wie lässt sie sich managen? Was zahlreiche Experten aus Wissenschaft und Praxis berichteten, haben in einem Beitrag für die Harvard Business Review (10/2008) zusammengetragen.

Das Top-Management ist nicht der Nabel der Innovation

Voraussetzung ist, dass gerade Top-Manager erkennen, dass sie nicht selbst die Quelle aller guten Ideen sind. Ihre Aufgabe ist, ihre Mitarbeiter anzuregen, kreativ zu sein, Ideen zu haben und deren Potenziale zu nutzen. Zum einen kommen so bessere Ergebnisse heraus, zum anderen macht sich das Unternehmen nicht von einzelnen Personen abhängig.

Das Geschäftsmodell eines neu gegründeten Unternehmens (Start-Up) basiert oft auf der Idee des Chefs, die er mit seinem Team in die Tat umsetzt. Das mag für eine gewisse Zeit ausreichen, mittel- bis langfristig muss es gelingen, alle Mitarbeiter als Quelle für neue Produkte und Serviceangebote zu begreifen. Doch gerade hier tun sich manche Unternehmensgründer schwer. Sie bremsen ihre Mitarbeiter und machen deren Ideen schlecht. Damit ersticken sie die Entwicklung ihres Unternehmens.

Viele Innovationen werden einzelnen Menschen zugeschrieben. So gilt Thomas Alva Edison als Erfinder der Glühlampe. Doch Diego Rodriguez, Partner der Innovationsschmiede IDEO in Palo Alto, Kalifornien, hält das für einen Mythos. Zumindest in heutiger Zeit seien alle bedeutsamen Erfindungen aus dem Zusammenspiel vieler Menschen entstanden, sagt Rodriguez auf der Konferenz.

Heterogene Teams, in denen das Wissen und die Erfahrungen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammenprallen, sind oft die Quelle für Kreativität. Gerade an den Schnittstellen der Fachbereiche entwickeln sich spannende Ideen. Denn Kreativität besteht meistens nicht daraus, etwas völlig Neues zu denken, sondern Bekanntes in neuer Weise zu verknüpfen.

Tipp

Vera F. Birkenbihl befasst sich seit Jahrzehnten mit der Kreativität von Menschen und entwickelte zahlreiche Werkzeuge und Methoden, um Kreativitätspotenziale freizusetzen. Von ihr stammt folgender Tipp:

Sammeln Sie in einem Brainstorming beliebige Begriffe auf Karten. Wenn die Kreativität nachlässt, nehmen Sie immer zwei Begriffe und bilden Sie daraus ein neues Wort. Lassen Sie sich davon anregen und setzen Sie das Brainstorming fort. Mit dieser Methode nutzen Sie das Potenzial, das in der Verknüpfung von bislang Unverknüpftem steckt.

Mit dem Open Innovation-Ansatz zapfen Unternehmen sogar die Kreativitätspotenziale einer großen Gruppe von Menschen an. Hier können Kunden, Lieferanten oder Experten aus dem Umfeld des Unternehmens Ideen einbringen und Verbesserungsvorschläge machen. Das Unternehmen muss nur die Prozesse so gestalten, dass diese kostenlosen Ideenlieferungen auch aufgegriffen und verarbeitet werden.

Die Aufgabe der Manager besteht darin, ihr Unternehmen für die unterschiedlichsten Disziplinen und Sichtweisen zu öffnen. Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen oder Fachdisziplinen können wichtige Impulse liefern. Jeffrey Sanchez-Burks, Professor an der Universität von Michigan, hat mit seinen Kollegen herausgefunden: Menschen mit mehreren sozialen Identitäten sind kreativer. Frauen als Ingenieure oder Inder, die in Deutschland arbeiten, können ganz neue Sichtweisen einbringen. Doch oft lassen deren Vorgesetzte das gar nicht zu; sie zwingen ihre Mitarbeiter, einen Teil ihrer sozialen Identität zu unterdrücken.

Ideen müssen fließen und verknüpft werden

Nur wenn es einen regen Austausch von Ideen im Unternehmen gibt, entfalten sie ihre Wirkung. Führungskräfte müssen Gelegenheiten schaffen, dass sich die Mitarbeiter austauschen können und dass sie auch abteilungsübergreifend zusammenarbeiten. Projekte, Arbeitsgruppen oder Besprechungen sind förderliche Plattformen.

Doch auch hier gibt es Bremser. Denn diese Art der Zusammenarbeit wird oft als Zeitverschwendung angesehen. Führungskräfte wollen dann Regeln und Standards etablieren, um diese Prozesse zu optimieren. Das hält Mark Fishman, Präsident des Novartis Instituts for Biomedical Research, für gefährlich. Er meint, dass manche Standards geradezu Kreativitätsblockierer sind. Er sagte auf der Kreativitätskonferenz:

„Wenn es eine Einrichtung gibt, die mehr Innovationen als alle anderen zerstört hat, dann ist das Six Sigma.“

Nicht alle wollen dieser Einschätzung folgen. Doch Standards und Prozessoptimierungen können Kreativitätsprozesse abwürgen. Andererseits müssen die vielen kreativen Flüsse im Unternehmen ein „Flussbett“ finden, in dem sie zusammenfließen. Hier braucht es zur richtigen Zeit angemessene Standards, Regeln und Prozessvorgaben, die dabei hilfreich sind.

Sie sollen sicherstellen, dass gute Ideen nicht im Sand verlaufen und dass schlechte Ideen nicht allzu viele Ressourcen verschlingen, weil sich niemand traut, falsche Projekte abzubrechen (der Pharmakonzern Merck hat dafür eine „Kill Fee“ eingeführt). Außerdem können solche Regeln dabei helfen, dass unterschiedliche Ideen miteinander verknüpft werden und gemeinsam zur Zielerreichung beitragen. Aus einzelnen Ideen werden nämlich selten marktfähige Produkte. Erst die Verknüpfung schafft die Innovation.

Beispiel

Der iPod von Apple gilt als eine der genialsten, weil profitabelsten Erfindungen der letzten Jahre. Dabei enthielt der iPod bei seiner Einführung technisch gesehen nichts Neues. Alle Komponenten waren schon vorhanden. Apples Managern ist es aber gelungen, Design, Benutzungsoberfläche und ergänzende Services (iTunes) geschickt zu kombinieren und ein funktionierendes Geschäftsmodell zu entwickeln. Das Image des Unternehmens, perfektes Marketing und die Auftritte von Steve Jobs führten letztlich zum durchschlagenden Erfolg.

Die Lösung für dieses Dilemma: Führungskräfte müssen erkennen, dass jeder Innovationsprozesses aus mehreren Phasen besteht. Frühe Phasen sollten möglichst nicht reglementiert werden, spätere durchaus. Innovative und erfolgreiche Unternehmen haben dazu ein Mehr-Phasen-Modell für ihren Innovationsprozess definiert. Motorola unterscheidet bis zu 16 sogenannter „Gates“, wenn der komplette Innovationsprozess durchlaufen wird. In jeder Phase gelten eigene Regeln, und bei jedem Gate wird geprüft, wie gut die Erfolgsaussichten einer Idee oder eines Prototyps sind.

Die richtigen Leute zur richtigen Zeit

Nicht alle Mitarbeiter setzen ihre Kreativitätspotenziale in der gleichen Weise ein. In vielen Unternehmen gibt es die Kreativen und Querdenker, die viele neue Ideen haben, sich dann aber schwer tun, daraus ein erfolgreiches Produkt zu machen. Das ist die Leidenschaft der „Macher-Typen“, die umsetzen wollen und den Markterfolg im Auge haben.

Beide Typen sind im Innovationsprozess wichtig. Es wäre aber falsch, zu einem Zeitpunkt X eine Idee ihren kreativen Vätern oder Müttern wegzunehmen und sie den Machern zu geben, damit ein marktfähiges Produkt daraus wird. Vielmehr gilt es, die persönlichen Leidenschaften und Kompetenzen im Rahmen des Entwicklungsprozesses zu kombinieren. Wer eine Idee zuerst erdacht und beschrieben hat, bringt viel mehr Engagement und Ehrgeiz mit, daraus auch ein erfolgreiches Produkt zu machen. Er braucht für die Umsetzung aber einen Kollegen an seiner Seite, der die Ideen einfängt und weiß, was sich davon vermarkten lässt.

Das kann zu Konflikten führen, wenn zwei Denkweisen aufeinander prallen. Durch bürokratische Regeln lassen sich diese Konflikte nicht lösen. Sie erhöhen die Gefahr, dass Ideen in den Mühlen der Unternehmensbürokratie zermahlen werden. Deshalb müssen die Führungskräfte dafür sorgen, dass diese Konflikte nicht lähmen, sondern dass sie vielmehr die Energie liefern, so dass aus der Idee ein Erfolg wird.

Was motiviert Menschen, kreativ zu sein?

Ohne Motivation sind Menschen selten kreativ. Aber auch bei der Ideenfindung können Führungskräfte ihren Mitarbeitern nicht vorschreiben, motiviert zu sein. Im Gegenteil: Studien zeigen, dass gerade bei kreativen Menschen die intrinsische Motivation entscheidend ist. Extrinsische Faktoren wie ein gutes Gehalt oder Arbeitsplatzsicherheit spielen eine untergeordnete Rolle.

Die wichtigsten intrinsischen Motivationsfaktoren für die Kreativität sind: Intellektuelle Herausforderungen und Freiräume bei der Arbeit. Beides können Führungskräfte ihren Mitarbeitern bieten – wenn sie wollen. Unternehmen wie 3M und Google erwarten von ihren Mitarbeitern, dass diese einen Teil ihrer Arbeitszeit nutzen, um sich neuen Themen zu widmen, um Lösungsideen für schwierige Probleme zu finden oder einfach kreativ zu sein.

Für viele Vordenker ist es besonders attraktiv, wenn sie mit ihren Ideen andere beeindrucken. Führungskräfte können die Motivation steigern, wenn sie den Ideen und kreativen Projekten ausreichend Aufmerksamkeit schenken. Sie müssen sichtbar machen, dass sie die Arbeit schätzen. Und sie sollten sich beeindrucken lassen. Umgekehrt: Gleichgültigkeit der Führungskräfte kann nach Meinung der Konferenzteilnehmer enormen Schaden anrichten; sie würgen damit das Kreativitätspotenzial ihrer Mitarbeiter nachhaltig ab.

Genauso negativ: Manche Unternehmen fördern eine Fehlerkultur, die bei den Mitarbeitern Angst provoziert. Das lähmt. Fehler werden unter den Teppich gekehrt und entfalten dann dort erst ihre schädliche Wirkung. Kein erfolgreiches Unternehmen will Fehler machen; es wird alles daran setzen, dass die Fehler ausgemerzt werden. Doch das setzt voraus, dass sie offen angesprochen werden. Gerade bei der Ideenfindung bergen Fehler ein großes Potenzial für bessere Lösungen. Voraussetzung ist: Die Menschen müssen sich sicher fühlen und Fehler machen dürfen. Dann tun sie viel dafür, dass sie behoben werden und dass daraus gelernt wird.

Auf die Stimmung kommt es an

Einer der großen Ideengeber für Organisation und Management der letzten Jahrzehnte, James G. March, fasste die Erkenntnisse zur Kreativität im Unternehmen auf der Konferenz zusammen. Maßgeblich sind nach seiner Meinung:

  • Freiräume, in denen Mitarbeiter ohne Stress über Neues nachdenken und experimentieren dürfen;
  • Hybris, indem Führungskräfte inspirieren und Anreize schaffen, dass Mitarbeiter Neues wagen, auch wenn das Scheitern droht;
  • Optimismus als das positive Bild von einer Zukunft, die noch besser und verheißungsvoller ist als die Gegenwart.

Besonders förderlich ist, wenn die Mitarbeiter erkennen, dass sie an einer „guten Sache“ mitwirken. Sie erkennen den Sinn ihres Tuns. Und sie sind überzeugt von den positiven Effekten für ihr Unternehmen und für die Gesellschaft. Die Führungskräfte sollten sich also vor allem darum kümmern, dass die Stimmung unter den Mitarbeitern gut ist.

Hürden für Kreativität und mögliche Lösungen

  • Menschen driften bei Denkprozessen sehr schnell ins Negative. Sie finden immer gleich Gründe, warum etwas nicht geht, anstatt einfach weiter zu spinnen, zu tagträumen und möglichst viele Ideen zu sammeln, unabhängig davon, ob sie sinnvoll sind.
    Lösung
    : Installieren Sie einen guten, erfahrenen Moderator; sorgen Sie dafür, dass mindestens zwei Phasen im Ideenfindungsprozess getrennt werden: Sammeln und Bewerten; lassen Sie Fehler zu und sorgen Sie dafür, dass alle daraus lernen können.
  • In Meetings reden manche Leute sehr viel, die aber nicht die besten Ideen haben. Andere schweigen, obwohl sie in dem Moment vielleicht wirklich eine gute Idee haben. Wie kann sichergestellt werden, dass sich alle einbringen?
    Lösung: Nutzen Sie geeignete Werkzeuge und Kreativitätstechniken, sodass alle mit einbezogen werden; achten Sie darauf, dass unterschiedliche Fachdisziplinen und soziale Identitäten mitwirken; fördern und propagieren Sie Offenheit, indem Sie mit gutem Beispiel voran gehen.
  • Viele gute Ideen verkümmern und werden vergessen, weil sie niemand aufgreift, prüft und was daraus macht. Oft heißt es zwischen Tür und Angel: Man müsste mal … Zustimmendes Nicken und dann gehen alle wieder an ihre gewohnte Arbeit. Das demotiviert.
    Lösung: Zeigen Sie, dass kreative Ideen im Unternehmen wichtig sind; investieren Sie Anerkennung in die Mitarbeiter und ihre Ideen; helfen Sie bei der Umsetzung der Ideen, wenn diese es wert sind; bauen Sie bürokratische Hürden ab.

Quellen und weitere Informationen

[jf; Bild: © Christa Eder - Fotolia.com]

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