Manager im Mittelstand und Führung
Nur Führungskräfte, die systemisch, lateral und virtuell führen, befinden sich auf der Höhe der Zeit. So zumindest könnte der Eindruck entstehen, wenn man die aktuelle Managementdiskussion verfolgt. Die Realität im Mittelstand sieht jedoch anders aus. Dort wird vielfach noch nach dem handwerklichen Meisterprinzip geführt: kommandieren, kontrollieren, korrigieren, insbesondere in den produzierenden und produktionsnahen Bereichen.
Und obwohl solche Unternehmen immer noch recht gut damit fahren, stößt dieses Führungsprinzip an seine Grenzen. Dies liegt daran, dass sich viele Mittelständler zu international tätigen High-Tech-Unternehmen entwickelt haben. Dadurch wurde ihr Geschäft komplexer und die Anforderungen an die Mitarbeiter stiegen. Statt eines, überspitzt formuliert, stupiden Erfüllens der Aufgaben und Anweisungen, sind heute aktives Mitdenken und Verantwortung gefragt. Das spiegelt sich auch in der Struktur der Mitarbeiter wider.
Dominierten in den Werkhallen vor einigen Jahrzehnten noch angelernte Mitarbeiter, so findet man dort heute fast nur noch hochqualifizierte Fachkräfte. Auch in den produktionsnahen Bereichen wie Forschung & Entwicklung oder Konstruktion arbeiten heute fast ausschließlich Beschäftigte mit (Fach-)Hochschulabschluss. Diese hochqualifizierten Mitarbeiter stellen, ebenso wie der Wandel der Aufgaben und Prozesse, andere Anforderungen an die Führungskräfte, weshalb sie zunehmend ein anderes Profil benötigen.
Führung muss persönlicher, individueller und situativer werden
Zweifelsohne müssen Führungskräfte im Mittelstand nach wie vor über eine hohe Fachexpertise verfügen. Keinesfalls müssen und können sie aber, wie in der Vergangenheit, bezogen auf alle in ihrem Bereich anfallenden Aufgaben die beste Fachkraft sein. Ihre Kernaufgabe lautet stattdessen, ein Team von Spezialisten so zu führen, dass jeder seine Fähigkeiten optimal einbringt und der Bereich seine Funktion in der Organisation erfüllt.
Das ist mit einem Führungsstil nach dem Meisterprinzip allein nicht möglich, selbst wenn dieser in gewissen Situationen weiterhin berechtigt ist. Führungskräfte von heute müssen vielmehr stärker auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter bauen und mit ihnen nach den jeweils bestmöglichen Problemlösungen suchen. Das heißt: Führung muss persönlicher, individueller und situativer werden, was schwieriger ist als Mitarbeiter top-down per Anweisungen zu führen.
In mittelständischen Unternehmen sind die Führungskräfte jedoch nur zum Teil für diese Aufgabe gerüstet, weil in den meisten Betrieben nach wie vor keine systematische Führungskräfteentwicklung stattfindet. Hier erfolgt das „Führen lernen“ noch weitgehend nach der Trial-and-Error-Methode – auch mit der Konsequenz, dass keine gemeinsame bereichs- und hierarchieübergreifende Führungskultur entsteht.
Konzepte für die Entwicklung mittelständischer Führungskräfte
Viele Mittelständler haben mittlerweile erkannt, dass sie an diesem Punkt aktiv werden müssen und investieren deshalb mehr Zeit und Geld in das Qualifizieren ihrer Führungskräfte. Dabei besteht jedoch vielfach eine große Unsicherheit, worauf bei der Konzeption der Maßnahmen geachtet werden sollte. Vor allem, weil mittelständische Betriebe eine andere Kultur und Struktur als Konzerne haben. Ergo benötigen sie auch andere Führungstrainings.
Je turbulenter die Zeiten sind und je fordernder der Führungsalltag ist, desto größer ist die Sehnsucht von Führungskräften nach Rezepten und schematischen Lösungen. Tools und Persönlichkeitsprofile sollen es richten. Kein Führungskräftetraining, das nicht mit dieser Erwartung der Teilnehmer startet, und nur wenige Qualifizierungskonzepte, die nicht erst einmal auf das Schulen von Führungsinstrumenten setzen.
Das greift zu kurz. Nicht Methodenschulung, sondern Bewusstseinsbildung sollte im Zentrum der Führungskräftetrainings stehen. Denn wer sich nicht als Führungskraft begreift, wird stets eine Fachkraft bleiben. Und wer noch nicht selbst erfahren hat, wodurch sich eine echte Führungskraft von einer unterscheidet, die nach dem Laissez-faire-Prinzip führt, oder despotisch ihre „Untergebenen“ klein hält, wird nur selten die erforderliche Balance in seinem Führungsverhalten wahren.
Konzeption von Führungskräftetrainings
Gelernt werden sollte entlang der Themen aus dem eigenen Führungsalltag, also im Hier und Jetzt der Trainingsgruppe. Dabei sollte der Schwierigkeitsgrad das Niveau im Betriebsalltag überschreiten, denn dieses Überpotenzial setzt bisher ungenutzte Kompetenzen frei. Generell gilt: Leistungsträger – gerade im Mittelstand – sind weniger an Theorien interessiert, sondern wollen primär ihren Wirkungsgrad erhöhen. Entsprechend müssen auch Trainings konzipiert sein.
Top-Manager antworten oft auf die Frage, an welchen Punkten ihrer Karriere sie Führungsstärke entwickelt haben: „In herausfordernden Führungssituationen, in denen ich mein Potenzial voll ausschöpfen musste, ohne daran zu scheitern“. Entsprechend sollten die Entwicklungsmaßnahmen für den Führungsnachwuchs konzipiert sein. Hier sollten die Teilnehmer ihr Führungsverhalten in Echtsituationen trainieren können – und zwar so, dass sie außerhalb ihrer Komfortzone agieren. Denn dies eröffnet ihnen, sofern der Rahmen stimmt, die Chance, bisher ungenutzte Potenziale zu erschließen.
Erfahrung allein erzeugt kein Wachstum. Erst die emotionale und kognitive Reflexion erschließt das volle Lernpotenzial. Deshalb sollte in den Trainings auf die Praxisphasen stets eine Auswertung folgen, in der die Teilnehmer ein wachstumsorientiertes Feedback zu ihrer inneren Haltung, ihrem Führungs- und Konfliktverhalten und zur Führungstechnik erhalten. So entsteht eine steile Lernkurve, die sich durch das Erleben tief in den Routinen des Alltags verankert.
Worauf Sie bei Führungskräftetrainings achten sollten
- Überprüfen Sie eventuelle Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen, inwieweit sie den Teilnehmern das erforderliche Bewusstsein vermitteln, was es heißt, eine Führungskraft im Mittelstand zu sein!
- Überprüfen Sie die Konzepte daraufhin, ob sie den Teilnehmern die Wechselwirkung zwischen Führungsstil und Leistung der Mitarbeiter nachhaltig und eindrucksvoll verdeutlichen!
- Überprüfen Sie, inwieweit die Konzepte die Teilnehmer fordern! Etwa, weil sie als Team binnen 24 Stunden ein anspruchsvolles Projekt stemmen müssen und dabei den gesamten Führungszyklus „live“ durchleben.
- Achten Sie darauf, dass am Ende der Praxisphase ein intensiver Feedbackprozess steht! Erst dadurch wird der eigentliche Lernprozess in Gang gesetzt.