Marketing als Herausforderung für Unternehmen
Marken, Kundenverhalten und soziale Medien betreffen nicht nur die Marketingabteilungen, sondern sind Kernbestandteile des Geschäfts, über die auch in der Chefetage mehr und mehr diskutiert wird. In diesem Zusammenhang geht es um fünf Bereiche:
1. Kundenorientierung
Obwohl dieses Thema nicht neu ist, gehört es weiterhin zu den Prioritäten. Dies wird auch so bleiben, denn es ist bekanntermaßen nicht einfach, eine kundenorientierte Unternehmenskultur aufzubauen. „Ich liebe meine Kunden“ ist leichter gesagt als getan. Eine intelligente Marketingstrategie reicht nicht, um sich einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Entscheidend ist vielmehr die Umsetzung, und diese ist für viele Unternehmen noch immer eine Herausforderung.
Kundenorientierung bedeutet auch, die „richtigen” Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Steve Jobs hat nie eine E-Mail von Kunden bekommen, die ihn darin aufforderten, iPhones oder iPads zu entwickeln. Trotzdem fragen sich nur wenige Unternehmensführer, was ihren Kunden Kopfzerbrechen bereitet. Gerade das jedoch ist ein guter Ausgangspunkt: Wer ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickelt, um Kunden damit ein Problem abzunehmen, ist auf dem richtigen Weg.
Was noch wichtig ist: Die meisten Unternehmen sind noch nach Produkten und nicht nach Kundensegmenten organisiert. Großunternehmen wie Nestlé versuchen dies zu ändern, doch der Weg ist noch weit. Letztendlich bedeutet kundenorientiertes Arbeiten auch, ein Unternehmensklima zu schaffen, das für alle Mitarbeitenden Anreize setzt, Kunden einen Mehrwert zu verschaffen – nicht nur finanzieller Art!
2. Polarisierung der Märkte
Seit Beginn der Wirtschaftskrise hat sich das Kundenverhalten auf den Märkten der Industriestaaten verstärkt polarisiert. Das Absatzvolumen im obersten und untersten Preissegment wächst, während die mittleren Segmente stetig an Boden verlieren. Anders gesagt: Unternehmen aus den westlichen Ländern und Japan stellen fest, dass ihre Kunden entweder das Beste oder das Billigste kaufen.
Ein gutes Beispiel dafür sind Espresso- beziehungsweise Kaffeemaschinen: Vor einigen Jahren lagen hier die Preise zwischen 100 Euro und 800 Euro. Heute variiert der Preis zwischen 50 Euro und weiter über 1.000 Euro. Und die Verkaufszahlen steigen, insbesondere im unteren und oberen Preissegment. Ähnlich ist die Situation bei Autos, Bier, Eiscreme oder Dessous. Die US-amerikanische Modemarke „Victoria‘s Secret“ zum Beispiel boomt, während gleichzeitig billige Importprodukte aus Indien und China den Markt überschwemmen und Marken des mittleren Preissegments Einbußen verzeichnen. Das Wertangebot von Produkten der mittleren Preisklasse wird also immer weniger attraktiv, da ihre Qualität kein Differenzierungsmerkmal mehr ist. Kunden sind mit „ausreichender“ Qualität zu attraktiven Preisen zufrieden.
3. Markenbildung und Innovation
In einer Welt, in der jede chinesische Fabrik ein ISO-Zertifikat besitzt, wird die Marke zum ultimativen Unterscheidungsmerkmal. Marken bestehen aus einer Reihe von Elementen, doch im Zentrum der Markenstrategie steht die Innovation. Sie ist die Lebensader einer erfolgreichen Marke. Ohne sie kann eine Marke schnell „veraltet“ wirken und von der Konkurrenz überholt werden.
Die Marke trägt auch entscheidend zur Kundentreue bei. In den 1990er Jahren war jeder Marketingleiter darauf erpicht, die Kundenzufriedenheit zu messen, doch mit der Zeit stellte man fest, dass dieser Indikator nicht ausreicht. Deshalb verwenden immer mehr Unternehmen „Net Promoter Score“ beziehungsweise Promotorenüberhang.
Net Promoter Score (NPS)
Der sogenannte Net Promoter Score (NPS) oder Promotorenüberhang ist ein Index, der stark mit dem Unternehmenserfolg (in bestimmten Branchen) korreliert. Maßgeblich ist die Frage an den Kunden: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen X oder Marke Y einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Der Kunde soll dies auf einer Skala von 1 (keine Empfehlung) bis 10 (definitive Empfehlung) angeben.
Der Net Promotor Score berechnet sich aus dem Anteil derjenigen, die in jedem Fall eine Empfehlung aussprechen würden, abzüglich dem Anteil derjenigen, die das eher nicht tun würden. Er kann also Werte zwischen -100 Prozent und +100 Prozent haben.
Die Methode wurde vom US-amerikanischen Unternehmen Satmetrix Systems Inc., der Beratungsfirma Bain & Company sowie vom US-amerikanischen Wirtschaftsautor und Wirtschaftsstrategen Frederick F. Reichheld entwickelt.
Es mag sein, dass jemand seine Automarke über alles liebt, doch die entscheidende Frage ist, ob er sie auch jemand anderem empfehlen würde. Die Bereitschaft, eine Marke weiterzuempfehlen, ist ein starker Indikator für die eigene Absicht, wieder die gleiche Marke zu kaufen und die beste Möglichkeit, die Treue von Kunden gegenüber einer Marke zu messen.
Da es langfristig schwierig ist, allein durch Preise wettbewerbsfähig zu bleiben, gehören zu einer starken Marke auch immer möglichst viele Emotionen. Ohne Emotionen ist ein Produkt nur ein Produkt! Je mehr Emotionen ein Produkt weckt, desto größer ist der Kultstatus seiner Marke.
4. Die neuen Global Player
Der wirtschaftliche Schwerpunkt der Welt verlagert sich von den Industriestaaten zu den Schwellenmärkten. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden immer mehr globale Marken aus aufstrebenden Volkswirtschaften stammen. Beispiel China: Wird der Elektronikhersteller Aigo das nächste Samsung, der Autohersteller Geely das nächste Toyota und der Sportartikelhersteller Lining das nächste Adidas oder Nike? Beispiel Südamerika: Wird die aufstrebende argentinische Marke „La Martina“ das nächste Ralph Lauren, der Schuhproduzent Havaianas in Brasilien das nächste Crocs und das Freizeitunternehmen Kidzania in Mexiko das nächste Disney?
Marken aus Schwellenmärkten müssen etwas bieten können, das Marken aus Industriestaaten nicht bieten. Dies ist eine beträchtliche Herausforderung, doch sie wird, wie es die Beispiele zeigen, bereits vielerorts gemeistert. Aufstrebende Marken werden nicht nur im mittleren Preissegment, sondern auch im Premium-Bereich zur Konkurrenz für etablierte Rivalen und liefern ein sehr zielgerichtetes Wertangebot. Besonders wettbewerbsfähig sind sie in Bereichen wie Technologie und Mode, wo ein Trend den nächsten jagt und Kunden ständig nach neuen Produkten und Dienstleistungen suchen.
5. Soziale Medien und digitale Kunden
Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten damit, soziale Medien zu verstehen und zu nutzen. Sogar große und bekannte Vertreiber schnelldrehender Produkte (Fast Moving Consumer Products) verstehen nicht genau, wie diese Netzwerke funktionieren. Das ist teilweise dadurch bedingt, dass viele Marketingleiter über 50 Jahre alt sind, während soziale Medien hauptsächlich von Teenagern genutzt werden. Außerdem kann man die Verwendung sozialer Medien nicht aus Büchern lernen, da diese bei ihrer Veröffentlichung schon wieder veraltet sind.
Was können Unternehmen also tun? Erstens sollten sie beginnen, soziale Medien zu nutzen und die Nutzer dieser Medien zu verstehen. Sie sind die Kunden und Konsumenten von morgen. Zweitens sollten sie jüngeren Personen das Marketing über soziale Medien in die Hand geben und ihnen vertrauen, auch wenn dies anfangs schwierig sein mag. Drittens sollten sie nicht vergessen, dass auch viele ältere Kunden zum Beispiel Facebook oder Skype verwenden, um mit ihren Kindern und Enkeln in Kontakt zu bleiben.
Eine ähnliche Herausforderung besteht darin, digitale Kunden über die immer weiter verbreiteten mobilen Anwendungen effizient zu erreichen. Die so genannte „Erweiterte Realität“ (Augmented Reality) bietet immer neue Möglichkeiten: Beispielsweise können Kunden Zugang zu einem Werbeclip erhalten, wenn sie auf ihrem Smartphone eine Anwendung installieren, mit der sie einen Code auf einem Werbeplakat lesen können.
Fazit: Unternehmen, die diese fünf Bereiche meistern können, werden sich künftig einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen.