Mergers & AcquisitionsRisiken und Konfliktpotenziale beim Zusammenschluss

Fusionen und Übernahmen sind oft zum Scheitern verurteilt. Der Grund: Die Unternehmenskultur ist meist nicht Bestandteil des Integrationsprozesses. Nur wer sich neben den harten Fakten auch mit weichen wie etwa Firmenzielen, Führungsstilen oder gewachsenen Werten des anderen Unternehmens auseinandersetzt, hat gute Chancen, den Zusammenschluss erfolgreich zu bewältigen.

Rückblick: 1994 übernahm BMW den britischen Autohersteller Rover, sechs Jahre später folgte das Debakel und die Bayern zogen die Notbremse. Ein zu traditionelles Design, Imageprobleme sowie eine veraltet und wenig attraktiv wirkende Produktpalette ließen die Fusion zum Milliardengrab werden. Insgesamt neun Milliarden D-Mark kostete BMW das Scheitern der Unternehmensehe – und den Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder seinen Job.

Als sich 1998 die Autokonzerne Daimler-Benz AG und Chrysler zusammenschlossen, sprach der damalige Vorstandsvorsitzende von Daimler, Jürgen Schrempp, von der „Hochzeit im Himmel“. Die Glückseligkeit hielt etwas mehr als sieben Jahre. Ende 2005 kam das Aus, das einen ungeheuren Kapitalverlust bei beiden Unternehmensteilen mit sich brachte. Seit der Fusion sank der Wert von Chrysler alleine um 35 Milliarden Euro, der von DaimlerChrysler bis zu Schrempps Rückzug Ende 2005 um 50 Milliarden Euro.

Die missglückten Ehen dieser Autokonzerne sind nur ein Beispiel für zahlreiche gescheiterte Unternehmenszusammenschlüsse. Studien gehen davon aus, dass rund Zweidrittel aller Transaktionen scheitern, allerdings kommt es dabei immer auf die Sichtweise an und darauf, wann eine Fusion als gescheitert angesehen werden kann. Geht es alleine um den Börsenkurs oder spielen hauptsächlich die nüchternen Zahlen der Gewinn-und-Verlust-Rechnung eine Rolle?

Es muss um mehr gehen als nur um Synergieeffekte

Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens A.T. Kearney zeigt, dass die meisten Übernahmen und Fusionen keinen Wert schaffen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die Experten rechnen vor, dass sich beispielsweise das um konjunkturelle Effekte bereinigte Umsatzwachstum in den ersten drei Jahren nach dem Deal durchschnittlich um sechs Prozentpunkte verlangsamt. Die Zuwächse bei den Gewinnen fallen sogar um mehr als neun Prozent. Die Folge: Der Börsenwert verschlechtert sich im Schnitt um 2,5 Prozent. Die entscheidende Frage, die sich aus diesen Ergebnissen ergibt, stellt Hans-Olaf Henkel, ehemaliger BDI-Präsident, in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung:

„Die Globalisierung bringt neue Wettbewerber, die technische Entwicklung verändert dauernd die Spielregeln, die Kunden haben neue Wünsche. Darauf müssen Unternehmen reagieren, (…) sie müssen laufend überprüfen, ob es neuer Allianzen bedarf. Je mehr die zum Normalfall werden, umso weniger ist zu verstehen, dass dabei immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden.“

Experten von A.T. Kearney machen vor allem die Beschäftigung der Unternehmen mit sich selbst verantwortlich. Während der Integrationsphase würden Kunden vernachlässigt und das Hauptaugenmerk auf Synergien und Kostensenkung gelenkt. Da eine Fusion sehr viel Aufwand bedeute, läge es nahe, zunächst Projekte zu bearbeiten, deren Effekt sofort sichtbar sei. Doch auch im allgemeinen Trubel müssten, so die Berater weiter, nach wie vor die Absicherung des bestehenden Geschäfts sowie die Akquisition neuer Aufträge und Kunden an erster Stelle stehen. Jörg Schrottke, Principal bei A.T. Kearney, sagt der „Wirtschaftswoche“:

„Fusionierte Unternehmen sollten zuerst den Vertrieb stärken und die Kommunikation zu ihrer Kundschaft pflegen. Umsatzwachstum ist die Voraussetzung für gesunde Profite und rangiert vor Synergien und vollständiger Integration.“

Wichtig ist zudem: Eine Unternehmensintegration sollte absolute Chefsache sein. Nicht nur Kunden drohen abzuwandern, wenn der Sinn eines Zusammengehens nicht klar erkennbar ist. Auch qualifizierte Mitarbeiter können dem Unternehmen den Rücken kehren. Das Zauberwort: Kommunikation. A.T.-Kearney-Berater Schrottke ist der Ansicht, das Top-Management solle nach Abschluss der Fusion alle neuen Standorte besuchen und die Pläne und Strategien des Unternehmens erläutern. Ohne Kontaktaufnahme zu den alten und neuen Mitarbeitern werde wertvoller Personalkredit verspielt, so die Botschaft.

Tipps für eine erfolgreiche Firmenintegration

  • Nur dort integrieren, wo es auch wirklich sinnvoll ist; Integration auf Teufel kommt raus und ein starres Festhalten am Zeitplan kann ins berühmte Auge gehen.
  • Wie schnell und wie tief integriert wird, hängt auch von den ständig wechselnden Gegebenheiten im Unternehmen ab; hier müssen sich Unternehmen anpassen.
  • Die Integration muss vom Top-Management glaubhaft vorgelebt werden.
  • Durch den Fokus auf Markt und Kunden steht die Absicherung von Wachstum im Vordergrund und nicht die Kostensenkung.
  • Jede Unternehmensintegration ist anders und bedarf eines individuellen Integrationsvorgehens.

In der Regel werden im Vorfeld einer Übernahme im Rahmen einer Due- Dilligence-Prüfung nur die üblichen „harten“ Kennzahlen des Zielunternehmens geprüft und analysiert. „Weiche“ Faktoren bleiben, so das Ergebnis der „Global M&A Study“ der internationalen Unternehmensberatung Hay Group, nach wie vor oft unberücksichtigt. Mehr als 560 M&A-Experten aus führenden Unternehmen wurden dafür befragt. Bibi Hahn, Senior Vice President bei Hay Group Deutschland, sagt:

„Viele Unternehmen unterschätzen ganz erheblich die Relevanz von weichen Faktoren, wie beispielsweise der Organisationsstruktur, der Unternehmenskultur, der Kundenloyalität und des Humankapitals, also der Führungskompetenz, der Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter und der Produktivität. Würden Führungskräfte mehr Zeit auf die Bewertung und das Management dieser weichen Faktoren in den Zielunternehmen verwenden, könnten sie viele Fallstricke umgehen.“

Rund 70 Prozent der Unternehmen, die nach eigener Auskunft im Vorfeld der Transaktion eine Bewertung der weichen Faktoren vorgenommen haben, bezeichnen ihre Transaktion als äußerst erfolgreich, so die Hay Group-Studie. Bei Unternehmen, die diese Bewertung nicht durchgeführt haben, liegt der Anteil der mit dem Geschäftsabschluss Zufriedenen nur bei 30 Prozent.

Die traurige Bilanz: Bisher haben weltweit 31 Prozent und in Westeuropa sogar 44 Prozent der befragten M&A-Spezialisten im Vorfeld einer Transaktion auf eine Bewertung der weichen Faktoren des Zielunternehmens verzichtet. Es besteht also noch großes Optimierungspotenzial.

Berücksichtigung weicher Faktoren bei M&A-Transaktionen
[Quelle: Hay Group]

In Westeuropa sind über 60 Prozent der Befragten nachträglich zu der Einsicht gelangt, dass weiche Faktoren Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Unternehmenstransaktion haben. Trotzdem planen nur 49 Prozent der Interviewten, ihr Verhalten entsprechend anzupassen und diese Punkte in der Zukunft stärker zu berücksichtigen. Nach Ansicht von Hay Group-Beraterin Hahn gibt es für diesen Widerspruch zwei Gründe:

„Zum einen ist es schwieriger, den Erfolg über quantitative Messgrößen zu erfassen. Oft werden deshalb Zeitnot und Budgetrestriktionen als Gründe genannt, auf die Analyse der weichen Faktoren zu verzichten. Hinzu kommt: Manager haben meist weniger Erfahrung im Umgang mit weichen Faktoren bei Transaktionen und zeigen deshalb weniger Mut, das Thema professionell anzugehen.“

Unternehmen dürften sich im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld keine Nachlässigkeit im Umgang mit weichen Faktoren vor, während und nach einer M&A-Transaktion erlauben, denn dies könne auch noch Jahre nach Vertragsabschluss gewaltige Probleme hervorrufen, so die Autoren der Studie weiter. Damit eine Unternehmenstransaktion nicht an Menschen und kulturellen Aspekten scheitert, sei eine präventive Vorgehensweise gleich von Beginn an von höchster Bedeutung. Zugleich spare dies langfristig auch Zeit und Geld.

Klassischerweise besteht eine Due-Diligence-Prüfung aus einem wirtschaftlichen, einem rechtlichen, einem finanziellen und einem steuerlichen Teil. Geprüft werden dabei etwa Vermögens- und Schuldensituation des zu übernehmenden Unternehmens, alle Rechtsgeschäfte hinsichtlich eventueller Bestands- oder Haftungsrisiken, die Wettbewerbssituation oder die steuerliche Lage, das heißt ob etwa noch Steuernachzahlungen bestehen beziehungsweise wie der Eigentumsübergang nach steuerlichen Gesichtspunkten zu gestalten ist. 

Obwohl es noch keinen entsprechenden Standard gibt, gewinnt bei Mergers & Acquisitions die sogenannte Integrity Due Diligence zusehends an Bedeutung. Karsten Hollasch, Partner Transaction Services bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte erklärt:

„In Zeiten medienwirksam aufbereiteter Korruptions- und Bilanzfälschungsskandale ist Wirtschaftskriminalität ein viel beachtetes Thema. Weniger offensichtlich, aber nicht minder relevant für einen Investor, ist bei M&A-Transaktionen das Risiko eines ‚Einkaufs’ von dolosen oder korrupten Strukturen in übernommenen Unternehmen. Eine sorgfältige Prüfung der Integrität sämtlicher wesentlicher Protagonisten beim Zielunternehmen ist durchaus empfehlenswert – und zwar vor einer Investition.“

Der aktuelle „Private Equity Survey“ von Deloitte zeigt: Eine Integrity Due Diligence im Vorfeld der Investition wird bisher von weniger als zehn Prozent durchgeführt. Fast die Hälfte der Investoren verlässt sich derzeit auf reaktive Untersuchungen bei begründetem Verdacht, ein Fünftel hat sich dieses Instruments noch nie bedient. Und das, obwohl entstandene Schäden durch Wirtschaftskriminalität nach einer Fusion oder Übernahme nur noch ressourcenaufwändig behoben werden können. Mithilfe einer prophylaktischen Integrity Due Diligence könnte dies jedoch verhindert werden. Prüfungspunkte können sein:

  • Mitarbeiter und Gesellschafter
  • Kunden und Lieferanten
  • Vertrieb und externe Berater
  • Verbindungen zu Lobbys, Verbänden und Politikern
  • Kundenstruktur
  • Vergütungssysteme
  • Spesenkultur
  • interne Kontrollmechanismen

Da es sich um eine vergleichsweise neue Ausprägung der obligatorischen Chancen-Risiken-Analyse handelt, ist die Integrity Due Diligence noch nicht fest im Kanon der Pre-Merger-Aktivitäten etabliert. Nach den Ergebnissen der Deloitte-Umfrage führen nur neun Prozent der Befragten diese Analyse vollständig und regelmäßig bei jeder Transaktion durch. In unregelmäßigen Abständen tun das immerhin 27 Prozent, während ein Fünftel generell darauf verzichtet. Der mit 44 Prozent größte Teil der befragten Private-Equity-Experten entscheide sich nur bei begründetem Verdacht zu einer solchen Maßnahme, so die Autoren weiter.

Grundsätzlich soll eine Integrity Due Diligence das Risiko von verdeckten kriminellen Handlungen oder sonstigen unethischen Missständen im Übernahmeobjekt mindern. Von einer generell hohen Wahrscheinlichkeit echter Kriminalität gehen jedoch nur sieben Prozent der Befragten aus. Für 46 Prozent hängt dies vorwiegend vom Land (Entwicklungs- und Schwellenländer) sowie der Branche (Anlagenbau, Entsorgung, Energie und Baubranche) ab. Tatsächlich zeigen die Fälle nachträglicher rechtlicher Auseinandersetzungen, dass es sich zumeist um Haftungs- und Gewährleistungsstreitigkeiten handelt, ferner um Informationszurückhaltung sowie Höhe des Kaufpreises und Qualität des Business-Plans.

Derzeit befindet sich die Integrity Due Diligence in einer Art Zwischenstadium, kommt die Studie zum Ergebnis. Die Möglichkeit und die Sinnhaftigkeit einer ethischen Integritätsprüfung seien den Investoren durchaus bewusst, als feste vierte Säule neben der Legal, Financial und Tax Due Diligence habe sie sich jedoch noch nicht etablieren können. Nach Ansicht der Hälfte der befragten M&A-Experten werde deren Bedeutung zukünftig jedoch steigen. Klaus Fischer, Partner und Leiter Forensic & Dispute Services bei Deloitte, resümiert:

„Diese Einschätzung deckt sich in der Tat mit unseren Erwartungen, zumal weltweit die gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität – insbesondere von Korruption – zunehmen und damit einhergehend auch die Sanktionen gegen betroffene Unternehmen härter werden.“

Bereits 1996 erschien eine Studie des British Institute of Management („Managing Mergers, Acquisitions and Strategic Alliances – Integration People and Cultures“), die besagte, dass der Hauptgrund für Misserfolge bei M&A-Aktivitäten in der Unterschätzung der Kulturunterschiede fusionierender Unternehmen liegt. Der Tenor: Unternehmenskultur muss als ein sehr kritischer Faktor bei der Umsetzung von Unternehmensstrategien bei M&A-Transaktionen betrachtet werden. Trotzdem wird eine entsprechende Cultural Due Diligence kaum oder wenn, dann oft zu spät durchgeführt. Ottmar Schneck, Professor für Banking, Finance & Risk an der ESB Business School in Reutlingen, zählt beispielhaft folgende Aspekte zur Unternehmenskultur:

  • Sichtbare Phänomene (zum Beispiel Architektur der Gebäude, Umgangsweise und Umgangston im Unternehmen, Technologie, Produkte, Kleidung, Organisationsstruktur, Informations- und Kommunikationssysteme am Arbeitsplatz)
  • Unternehmensziele wie zum Beispiel Gewinnmaximierung oder größerer Marktanteil; aber auch immaterielle Ziele wie Image oder die Zufriedenheit der Belegschaft
  • Führungsstile und Einbindung der Mitarbeiter in wichtige Unternehmensentscheidungen
  • Unternehmensgeschichten beziehungsweise traditionell gewachsene Wertvorstellungen

Typisch für eine Unternehmenskultur sind also Überzeugungen, die ihrerseits wiederum das Wahrnehmen, Handeln, Denken und Fühlen der Unternehmensmitglieder, also Mitarbeiter und Führungskräfte, prägen und sich in deren Handlungen und geschaffenen Umständen manifestieren. Konsequenterweise spielen diese Punkte gerade bei einer Fusion oder Übernahme eine wichtige Rolle, denn es müssen zwei – mitunter völlig verschiedene – Unternehmenskulturen in Einklang gebracht werden. Es wird deutlich, dass gerade bei Zusammenschlüssen von Unternehmen verschiedener Länder mit zahlreichen Hürden zu rechnen ist.

Silke Grosse-Hornke, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Grosse-Hornke Private Consult, hat sich unter anderem auf das Management von Integrationsprojekten und das Zusammenführen von Unternehmenskulturen spezialisiert. In einem Fachbeitrag für das fmm-magazin schreibt sie:

„Das Thema Unternehmenskultur sollte schon in der Vorbereitungsphase eines Mergers in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken und nicht erst, wenn die Integration schon in vollem Gange ist und sich erste Konflikte abzeichnen. Zuverlässigere Informationen lassen sich jedoch erst nach Bekanntmachung des Deals durch Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern, durch Befragungen und Fokusgruppen gewinnen.“

Kernaufgaben im Themengebiet Unternehmenskultur im M&A-Prozess
[QuelleGrosse-Hornke Privat Consult]

Eine hohe Ähnlichkeit bedeute nicht zwangsläufig, dass es keine Integrationsprobleme gibt. Gerade in einer solchen Situation könne es zu einer Überbetonung geringfügiger Unterschiede und so zu Abgrenzungstendenzen kommen, so Grosse-Hornke weiter. Divergenzen hingegen könnten entweder erfolgssteigernd oder erfolgsmindernd wirken. Bei der Vielfalt könnten sich positive Synergiepotenziale ergeben, aus der Unterschiedlichkeit aber auch Kulturkonflikte.

Damit eine Integration der verschiedenen Kulturen gelingt, kommt es zum einen auf eine ausreichende Information und Kommunikation an. Ziel: Vermeidung von Gerüchten, die Unsicherheit und Ängste bei der Belegschaft schüren. Mitarbeiter, Führungskräfte und Arbeitnehmervertreter, aber auch externe Gruppen wie Lieferanten, Kunden und potenzielle Bewerber sollten gezielt und mit einer spezifischen Kommunikationsstrategie über die Unternehmensschritte informiert werden. Zum anderen ist es wichtig, den persönlichen Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern beider Unternehmen zu fördern und zu realisieren. Werden etwa gemischte Teams gebildet, die jeweiligen Standorte gegenseitig besucht oder Führungskräftetrainings durchgeführt, kann dies viel zum Gelingen einer erfolgreichen Unternehmenszusammenführung beitragen.

Dazu im Management-Handbuch

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